Für die beiden Berner Oberländer Hotels Ermitage Wellness & Spa in Gstaad und Beatus Wellness & Spa in Merligen ist Nachhaltigkeit wichtig. In den beiden Häusern kommt die Energie zum Heizen klimafreundlich aus einem Fernwärmesystem beziehungsweise aus dem See. In Sachen Nachhaltigkeit wollen die Inhaber Jürg, Julian und Ambros Lutz den Hebel auch beim Zimmerservice ansetzen: Via App können Gäste auf Wunsch den Service personalisieren.
«Zu Hause wechselt man die Badetücher auch nicht täglich», sagt Eveline Coretti, Vizedirektorin des «Ermitage». Dass man die Gästekommunikation mit der App «Hotel MSSNGR» digitalisiert habe, sei eine Folge der Corona-Pandemie. Damals habe man die physischen Gästemappen aus den Zimmern entfernt und sei dabei auf die Lösung mit der App gekommen.
Mehr Optionen
Auch wenn Gäste bereits mit einem roten Schild an der Türklinke und dem Badetuch an der Stange auf einfache Art kommunizieren können, dass sie auf die Reinigung verzichten wollen, sieht Coretti Vorteile der App. «Gäste können so individualisierter angeben, wenn sie nur das Bett gemacht haben wollen oder dass nur Staub gesaugt werden soll.» Im Gegensatz zum roten Schild an der Tür könne dies über die App auch noch nachträglich und von überall aus geschehen. Fürs Reinigungspersonal sei diese stärkere Personalisierung leicht zu handhaben. «Wenn der Gast über die App Angaben macht, kommt dies per E-Mail zur Réception. Gäste können auch gleich ihre Wünsche für den ganzen Aufenthalt hinterlegen.»
Derzeit wählen laut Coretti rund 10 Prozent der Gäste den kompletten Zimmerservice während des Aufenthaltes ab. Welchen ökologischen beziehungsweise wirtschaftlichen Spareffekt die App hat, messen die beiden Hotels aktuell nicht.
Kantonale Förderung
Die Personalisierung des Zimmerservice ist nur eine von vielen Funktionen der App «Hotel MSSNGR» (siehe Kasten). Einen anderen Ansatz wählt das Schweizer Start-up Simon & Josef. Gäste scannen einen QR-Code, den das Hotel im Zimmer bereitstellt. Die Gäste gelangen auf eine Website und können sekundenschnell ihre Wünsche zum Zimmerservice angeben beziehungsweise nicht gewünschte Leistungen abwählen. Wer nicht reagiert, erhält den vollen Service.
Diese Lösung konzentriert sich allein auf die Personalisierung des Zimmerservice. «Viele Funktionen solcher Apps unserer Konkurrenten sind gut gemeint, bringen den Gästen aber kaum einen Mehrwert», sagt Simon-&-Josef-Co-Gründer Raphaël Gaudart. Übers Handy hätten Gäste bereits Zugang zu Infos wie Wetterdaten oder Fahrplänen.
Gaudart betont, dass damit kein Gäste-Tracking verbunden sei und das Hotel somit nicht das Gästeverhalten während des Aufenthalts analysiere.
Das Hotel Glocke in Reckingen im Wallis nutzt die Weblösung von Simon & Josef. Es gehört zu den Responsible Hotels of Switzerland. «Während der Corona-Zeit haben wir gesehen, dass viele Gäste die tägliche Reinigung gar nicht mehr wünschen. Heute akzeptieren die meisten Gäste den personalisierten Zimmerservice sehr gut.» Bei der Entscheidung mitgeholfen hat laut Schmid zudem ein Zustupf von Digitourism.ch in Höhe von rund 4000 Franken. Das vom Kanton Wallis getragene Programm fördert die Digitalisierung im Tourismus.
Personalisierter Zimmerservice bedeutet deutlich weniger Arbeit.
Sebastian Schmid, Hotel Glocke Reckingen
Schmid merkt einen deutlichen Spareffekt. «Wir haben 29 Zimmer, wenn zehn Gäste die Reinigung absagen, bedeutet das merklich weniger Arbeit.» Seit Einführung der personalisierten Zimmerreinigung sei ungefähr ein 100-Prozent-Pensum weniger nötig beim Reinigungspersonal. Dafür seien nun je nach Auslastung noch zwei bis drei Personen tätig, das Servicepersonal helfe zuweilen aus.
Opt-out statt Opt-in
Aus Sicht von HotellerieSuisse ist die tägliche Zimmerreinigung eine Basisleistung, die Gäste von einem Hotel erwarten können. «Der Gast hat für diese Leistung bezahlt. Damit grenzt sich die Hotellerie ab von der Parahotellerie», sagt Daniel Beerli, Leiter Klassifikation bei HotellerieSuisse. Es sei wichtig, dass Gästen standardmässig ein täglicher Zimmerservice zur Verfügung stehe. Wenn Hotels Gästen die Möglichkeit geben, den Service oder einen Teil davon abzuwählen, sei dies mit den Vorgaben der Klassifikation vereinbar. «Es ist zentral, dass es ein Opt-out ist.» Dass der Verzicht auf Reinigung Ressourcen spare und damit die Umwelt schone, bezweifelt Beerli. «Die Schlussreinigung ist viel aufwendiger ohne tägliche Kurzreinigung.»
Gäste-App
App liefert auch Daten über Gäste
«Effizienz und Upselling», dafür sei die App «Hotel Mssngr» gedacht, heisst es auf der Website des Berliner Unternehmens Hotel Mssngr GmbH. Die App entlaste das Personal. Die Bequemlichkeit von Onlinebuchungen führe zudem zu mehr Zusatzverkäufen während des Gästeaufenthalts. «Hotel MSSNGR» verfügt unter anderem über folgende Features:
On-Site-Buchungen: Das Buy-and-Rent-Feature zeigt alles an, was das Hotel den Gästen zusätzlich zum Verkauf anbieten will.
Pre-Check-in, Check-out: Gäste können Formulare schon vor der Ankunft ausfüllen, Wartezeiten an der Réception vermeiden und damit das Personal entlasten.
Digitaler Schlüssel: Das Gästehandy wird zum elektronischen Zimmerschlüssel.
Nachrichtenzentrum: Mit der App können Hotels ihre Gäste mit Pushnachrichten informieren.
Elektronischer Concierge: Concierge-Aufgaben lassen sich leichter abwickeln, das Team wird entlastet und kann sich noch mehr um die Gäste kümmern.
Analysedaten: Die Gästedaten aus der App geben detaillierte Einblicke über digitale und physische Aktivitäten während des Aufenthalts.