Herr Ramer, den Hotels in den verschiedenen Schweizer Städten ging es hinsichtlich Auslastung diesen Sommer vielerorts sehr gut. Wie sieht die Bilanz in Zürich aus?
Die Bilanz in Zürich ist hervorragend. Das hat aber unter anderem auch damit zu tun, dass dieses Jahr wieder die im Zehnjahresrhythmus stattfindenden Passionsspiele in Oberammergau an der Reihe waren. Zürich ist bei diesen Reisen eine der Stationen, was einen starken Schub an Gästen aus den Vereinigten Staaten brachte. Dies hat sowohl den City Hotels als auch den individuell geführten 4-Sterne-Hotels sehr geholfen. Sowohl Auslastung als auch Average Daily Rate (ADR) waren sehr erfreulich.

Die guten Zahlen kamen zustande, obschon der chinesische Markt nach wie vor keine Regung zeigt. Brauchen Hotels überhaupt chinesische Gäste?
Angesichts der Hoteldichte in der Stadt Zürich braucht es die asiatischen Fernmärkte. Wir im Zentrum haben gut gearbeitet. Wie man es in Zukunft angeht, muss differenziert angeschaut werden.

Letztes Jahr hat es im Zusammenhang mit den Stadthotels jeweils geheissen, Corona treffe sie deshalb so hart, weil die Geschäftsreisenden fehlten. Heissen die guten Zahlen nun, dass die Geschäftsreisenden zurück sind oder dass die Freizeitreisenden dermassen viele Übernachtungen gebucht haben?
Rückblickend können wir auf ein gutes Touristenjahr zurückblicken, dazu hat auch das Wetter beigetragen. Wir spürten einen Aufwärtstrend bei den Geschäftsreisebuchungen ab Frühsommer. Dieses Volumen hat im August und September deutlich zugenommen, und dies in einem Ausmass, wie wir es nicht erwartet hatten.

«Wir können auf ein gutes Touristenjahr zurückblicken.»

Sind Sie froh, dass die Wiedereröffnung des «Seidenhofs» diesen Frühling nach dem Umbau nicht ein oder zwei Jahre früher anstand?
Ja, auf alle Fälle. Die Eröffnung des Sorell Hotel St. Peter, das ich ausserdem leite, fiel mitten in die Corona-Zeit. Das war einiges härter. Bei der Wiedereröffnung des «Seidenhofs» war das Timing perfekt. Offizielle Eröffnung war Ende April. Ab da konnten wir gleich Vollgas geben.

Wie gut lief es Ihnen konkret in den ersten Monaten?
(lacht) Was ich sagen kann: Die Zürcher City Hotels schreiben Zahlen wie 2019, oder teils noch darüber. Wir sind äusserst zufrieden, wie es im «Seidenhof» lief, und konnten von Anfang an performen.

«Es sich mit Booking zu verspielen, ist keine Option.»

Haben Sie die angepeilten Zielgruppen erreicht, beispielsweise Gäste aus den Golfstaaten?
Ja, Zürich Tourismus macht einen guten Job, was sich bei den City Hotels insgesamt zeigte. Die arabischen Märkte waren auch in der Corona-Zeit gut bewirtschaftet. Das half sehr, sonst wäre es nicht möglich gewesen, dass der Platz Zürich so gut performt.

Und mit welchen Gefühlen blicken Sie auf den weiteren Verlauf der Wintersaison?
Mit gar keinen Gefühlen. Der Forecast für den Januar ist gedämpft optimistisch. Aber alles Weitere wäre zu sehr Kaffeesatzlesen, es gibt zu viele äussere Faktoren, die wir nicht beeinflussen können: die Stromknappheit, die Teuerung, wie geht es mit dem Ukraine-Krieg weiter? Dies alles hat einen Einfluss auf den Tourismus. Im Bereich Geschäftsreisen hängt es davon ab, wie ausgeprägt die Rezession in den Nachbarländern ausfällt. Es wird sich erst weisen.[IMG 2]

Die düstersten Strommangelwolken scheinen sich inzwischen etwas verzogen zu haben.
Die Zürich City Hotels sind vorbereitet. Es gibt vier Eskalationsstufen, die wir gegebenenfalls umsetzen würden. Ich gehe davon aus, dass es nicht zur vierten Stufe kommt. Innerhalb des Vereins haben wir einen guten Austausch. Darum kann ich sagen: Wir sollten gut durch den Winter kommen.

Was machen Sie mit den Preisen?
Bei uns in der Stadthotellerie machen wir Yield- und Revenue-Management, die Preise verändern sich entsprechend der Nachfrage. Ich bin aber sehr stolz auf den Platz Zürich, es gibt wenige Hotels, die die Preise bis zum Boden herunterziehen. Wenn es keine Nachfrage gibt, dann sollten wir uns wenigstens mit einem einigermassen anständigen Zimmerpreis präsentieren. Dann kommen wir bei den wenigen Gästen doch noch zu einem gewissen Umsatz. Es bringt nichts, bei geringer Auslastung die Preise zu stark zu senken. Personalkosten sowie weitere Fixkosten bleiben ja weiterhin bestehen.

Die Lex Booking ist per Anfang Dezember in Kraft. Was heisst das für Ihre Betriebe?
Nun sind wir bei den online angebotenen Direktbucherpreisen frei. Bei den beiden Hotels, die ich führe, sind wir gerade an der Evaluation, wie stark der Preisunterschied bei der Direktbuchung eventuell sein soll. Am Ende des Tages muss man sehen, dass Booking.com eine Marktmacht hat und wir eine gute Zusammenarbeit pflegen. Wenn die Preisdifferenz zu gross ist, könnte es sein, dass Booking dies reguliert, da sie gewisse Möglichkeiten haben. Für den Dezember können und werden wir wohl diesbezüglich nichts machen, aber fürs neue Jahr möchten wir schauen, wie wir uns aufstellen wollen. Es sich mit Booking zu verspielen, ist keine Option. Wir wollen es trotzdem so gestalten, dass der Gast bei einer Onlinedirektbuchung den besten Preis bekommt. Schon bisher war es möglich, Gästen am Telefon einen Direktbucherrabatt zu geben.

Sie sind Präsident des Vereins Zürich City Hotels, einer Kooperation von 21 Hotels, die unter anderem Synergien in Sales, Marketing und Rekrutierung nutzt. Das klingt doch sehr freundschaftlich.
Wir sehen uns nicht als Konkurrenten, sondern als Mitbewerber. Wir betrachten uns als gesamtheitliche Destination. Wenn es dieser gut geht, geht es allen Hotels gut. Ich bin seit 25 Jahren General Manager auf dem Platz Zürich. Diese Zusammenarbeit unter Zürcher Hoteliers hat mich immer fasziniert.

Unter anderem gibt es auch einen «Zahlenaustausch». Was muss man sich darunter vorstellen?
Wir kennen die Zahlen unserer Mitbewerber aus diversen Systemen. Wir schauen, was wir gemeinsam marketingtechnisch für den Markt Zürich machen, und prüfen, ob wir die Nachfrage und die Auslastung erhöhen können.

Welche Themen beschäftigen die City-Hoteliers zurzeit am meisten?
Im Moment ist die Personalrekrutierung extrem wichtig. Wir sind aktuell daran, Tools auszuarbeiten, um eventuell Mitarbeitende austauschen zu können. Vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) haben wir vor ein paar Tagen den Zuschlag für das Innotour-Projekt «Digitale Plattform für Hotelkooperationen» erhalten, nebst Einkauf und Verfügbarkeit sind Human Resources dort ein grosses Thema.

Ist das Problem denn in den Städten auch so akut? Immerhin dürften diese Arbeitsplätze attraktiver gelegen sein als jene im hintersten Bergtal.
Ich würde das etwas differenzieren. In den Städten haben wir mit anderen Branchen viele Mitbewerber. Wir haben sehr viele Retailer, viele Logistiker, und auch die Stadt bietet Stellen. Der Arbeitsmarkt ist extrem gross, alle suchen Arbeitskräfte. Das ist ein riesiges Problem auf dem Platz Zürich. In den Bergen haben Arbeitnehmende nicht diese Möglichkeiten. Wir schauen aber nicht tatenlos zu. Es gibt City Hotels, die sich am Quereinsteiger-Pilotprojekt von HotellerieSuisse beteiligt haben. Bei der Küche ist es schwierig, dort arbeiten wir mit Gastrosuisse zusammen und mit Progresso. In den Bereichen Housekeeping und Réception wollen wir den Mitgliedern in Zukunft etwas bieten. Das Projekt hat schon 2019 begonnen, und wir haben die Diskussion wieder aufgenommen.

Ausdehnung der Tourismuszonen auf die Städte – inwiefern würde es den City Hotels helfen, wenn in Zürich die Läden auch an Sonntagen öffnen könnten?
Es wäre sehr wichtig, um die Wochenenden attraktiver zu gestalten und so mehr Hotelgäste zu haben. Wir sollten gleich lange Spiesse haben wie die Destinationen in den Bergen oder auch die Destinationen im nahen Ausland. Diesbezüglich haben wir einen grossen Wettbewerbsnachteil. Die Welt ist ein Dorf geworden.

«In den Städten haben wir auf dem Arbeitsmarkt mit anderen Branchen sehr viele Mitbewerber.»

Gleich lange Spiesse sollen städtische Individualbetriebe auch hinsichtlich des Zugangs zu Krediten erhalten. Ist das für die Zürcher City Hotels ein Thema?
Ja, natürlich. Gerade in der Innenstadt sind viele Hoteliers selbstständig. Auch hier wäre eine Gleichbehandlung von grosser Wichtigkeit.

Hat es räumliche Gründe, dass Sie mit anderen Hotels in der City kooperieren? Synergien wären ja theoretisch auch unter dem Markendach Sorell möglich.
In der Tat hat das einen lokalen Grund. Die Standorte der Sorell Hotels sind über die ganze Schweiz verteilt – von Basel bis Bad Ragaz. Verkaufstechnisch sind Zürich City Hotels sehr relevant. Als Verbund können wir bei grossen Events gemeinsam Angebote schaffen, so etwa beim Zürich Marathon, bei dem wir «preferred hotels» sind, oder auch in Zusammenarbeit mit dem Kongresshaus. Auch sonst ist es ein Vorteil, miteinander im konstanten Austausch und gut eingebettet zu sein.

Das Markendach und die Hotelkooperation, ist das immer spannungsfrei?
Bei gewissen Aktivitäten, beispielsweise im Einkauf, konnte ich aufgrund von Auflagen der Sorell-Hotelgruppe nicht mitwirken. Das stellte für meine City-Hotels-Kollegen aber kein Problem dar. Die Priorisierungen sind hier klar gegeben: zuerst die eigene Dachmarke, dann die Zürich City Hotels.

Wie erleben Sie als General Manager in «Ihren» beiden Häusern das Zusammenspiel von Individualität und den Vorgaben durch die Sorell-Standards?
Das Anliegen der Hotelgruppe ist, dass wir die Hotels so führen, als wären es die eigenen. Am Ende des Tages ist es wichtig, dass man als General Manager dem Hotel seinen individuellen Charakter geben kann und dass der Gast dies auch spürt. Durch die Hotelgruppen-Standards kann sich der Gast in allen Hotels der Gruppe auf eine einheitliche Qualität bei den Serviceleistungen verlassen.


Weihnachtsevents: Pop-up-Hotel, Chorauftritte, Schwimmen im Fluss

Pop-up-Restaurants, Märlitram, Weihnachtsmärkte, Zirkusgastspiele, Chorauftritte, Samichlausschwimmen, Silvesterlauf: In Zürich ist das Angebot an Weihnachtsevents sehr gross. Ebenfalls gross ist die Zahl der Veranstalter, welche diese Events organisieren. Von Zürich Tourismus selbst stammt die Kampagne «Hotel Noël» – zehn individuell von Künstlerinnen und Künstlern gestaltete Zimmer in je einem Zürcher Hotel.

Laut Ueli Heer, Sprecher von Zürich Tourismus, hat in den letzten zehn Jahren die Weihnachtszeit für Zürich Tourismus stark an Bedeutung gewonnen. «In dieser Zeit haben die Logiernächte um mehr als 50 Prozent zugelegt, das hängt auch mit dem immer attraktiveren Weihnachtsangebot zusammen», sagt Heer. Zürich Tourismus habe denn auch seine Aktivitäten auf den Märkten verstärkt. Insbesondere Gäste aus Italien seien sehr weihnachtsaffin. Aktiv sei man aber auch in den übrigen umliegenden Nachbarländern und in der Schweiz selbst. Die Hotellerie greift das Thema in Angeboten auf: Mit sogenannten Specials bietet die Vereinigung Zürich City Hotels zehn Prozent Rabatt auf Aufenthalte zu bestimmten Themen an, so etwa «Weihnachtsmärkte», «Winter, Kultur und Kulinarik» oder «Adventszeit und Weihnachten».

Basel verzeichnet bessere Auslastung an Wochenenden wegen Weihnachtsmärkten
Auch in Basel gelang es, die Auslastung im Dezember deutlich zu verbessern. «Noch vor zehn Jahren gehörte der Dezember zusammen mit dem Januar und dem Februar zu den drei schwächsten Monaten in Bezug auf die Logiernächte», sagt Christoph Bosshardt, Vizedirektor von Basel Tourismus. In der Zwischenzeit habe sich der Dezember bis vor der Pandemie zu einem durchschnittlichen bis guten Monat entwickelt: Zwischen 2009 und 2019 nahmen laut Bosshardt die Übernachtungen im Dezember um 54 Prozent zu, während die Logiernächte insgesamt im gleichen Zeitraum lediglich um 38 Prozent stiegen. «Dass die überdurchschnittlich positive Entwicklung mitunter dem Weihnachtsmarkt zu verdanken ist, lässt sich an der steigenden Zimmerauslastung an den ersten drei Samstagen im Dezember erkennen. Diese lag in den zwei Jahren vor der Pandemie über derjenigen an den Wochentagen, was in anderen Monaten nicht der Fall war und für Basel eher unüblich ist.»

Bern: Märkte und Pop-up-Konzepte
In Bern gibt es vier grössere Weihnachtsmärkte. Zudem sollen Pop-up-Konzepte wie «Chalet Alpenland» auf dem Kornhausplatz, «Oscar Elch» im Ringgenpärkli und «Winter im Berner Generationenhaus» in der Bundesstadt für weihnächtliche Stimmung sorgen. Corina Gilgen, Präsidentin des HotellerieSuisse-Verbands Bern Mittelland, sagt: «Der Dezember ist bis kurz vor Weihnachten mit der Session und weiteren Meetings und Weihnachtsessen ein guter Monat. Über Weihnachten und Neujahr ist es eher etwas ruhiger. Da kommen eher Gäste aus Südamerika, Amerika und Asien.» Diese würden wohl in diesem Jahr eher zurückhaltend buchen. Übers Jahr gesehen schneide der Monat gut ab, sei aber nicht unter den besten. «Die Weihnachtsmärkte haben vor allem an den Wochenenden einen positiven Einfluss auf die Übernachtungszahlen. Hier sind es hauptsächlich Gäste aus den Nachbarländern und der Schweiz, die deswegen kommen.» ua

Vom Kellner zum General Manager
Matthias Ramer (56) ist gelernter Kellner, absolvierte die Handelsschule in Lausanne und liess sich an der Hotelfachschule Luzern zum Hotelier ausbilden. 1998 übernahm er nach fünf Jahren als stellvertretender Direktor die Direktion des Hotel St. Gotthard und war von 2000 bis 2002 zusätzlich Mitglied der Geschäftsleitung der Manz Privacy Hotels. Seit 2002 ist er General Manager des Hotel Seidenhof in Zürich, 2020 übernahm er zusätzlich die Leitung des Sorell Hotel St. Peter. Von 2008 bis 2015 war er Operation Manager der Sorell Hotels. Präsident des Vereins Zürich City Hotels ist Ramer seit 2009. Heute lebt er im Aeugstertal in der Gemeinde Aeugst am Albis ZH. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. Nebst Hotellerie und Kulinarik gehört auch Eishockey zu seinen Leidenschaften, das er seit frühester Kindheit aktiv betreibt.
Der Verein Zürich City Hotels besteht aus 21 Hotels in der Zürcher Innenstadt im 3- und 4-Sterne-Bereich. Die Kooperation umfasst gemeinsames Sales & Marketing, Zahlenaustausch, gemeinsamer Einkauf, gemeinsame Schulungen und Rekrutierung des Personals sowie Charity-Anlässe. Sorell ist die Marke der Hotels der ZFV-Unternehmungen. Von den 17 Sorell Hotels befinden sich 7 in der Stadt Zürich. Weitere Sorell Hotels befinden sich in Bad Ragaz, Basel, Bern, Dübendorf, Rapperswil, Schaffhausen, St. Gallen, Winterthur. Die Gruppe beschäftigt rund 500 Mitarbeitende. ua