Diese Zahl zeigt aber noch nicht das volle Ausmass der Durststrecke. Denn «der jetzige Winter sieht zappenduster aus», sagte der Direktor des Schweizer Brauerei-Verbands (SBV), Marcel Kreber, am Dienstag in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AWP. Im Oktober sei der Bierabsatz um über 10 Prozent tiefer ausgefallen als im Vorjahr. «Der November wird noch schlimmer. Jetzt wird es hart.»
Denn viele Weihnachtsessen seien abgesagt. Das treffe die Gastronomie hart und damit auch die Brauereien, erklärte Kreber. Es gebe Brauereien, die 90 Prozent ihres Absatzes in der Gastronomie machten.
Diese litten unter den Corona-Einschränkungen des sozialen Lebens besonders stark. Die Schliessungen von Restaurants, die Absagen bedeutender Sportanlässe wie der Fussball-EM, der Eishockey-WM und den Schwingfesten hätten voll durchgeschlagen. Auch die Absage von Konzerten, Open Airs und weiterer kultureller Veranstaltungen mache den Brauereien zu schaffen, sagte Kreber.
Beizen und Bars leiden
Der Bierabsatz in der Gastronomie sei im abgelaufenen Braujahr um über 23 Prozent eingebrochen. Dagegen gingen die Leute in die Läden, um sich Bier zu besorgen. So habe der Verkauf im Detailhandel habe deshalb um 7,6 Prozent zugenommen.
Damit sei der Anteil der Gastronomie am Gesamtkonsum auf 30 Prozent geschrumpft, sagte Kreber, während der Detailhandel auf 70 Prozent zugelegt habe. Vor zehn Jahren sei das Verhältnis noch 50:50 gewesen.
Insgesamt hätten die Bewohner der Schweiz im vergangenen Braujahr 34 Millionen Stangen Bier weniger getrunken. Der gesamte Absatz schrumpfte um 2,2 Prozent auf 4,6 Millionen Hektoliter. Dies sehe nach einem moderaten Rückgang aus, sagte Kreber. Für die hiesigen Brauereien sei die Lage aber schlimmer. Denn die inländischen Brauer hätten einen Absatzrückgang um 4,8 Prozent auf 3,5 Millionen Hektoliter erlitten.
Dagegen nahm das Importbier um 6,9 Prozent auf 1,1 Millionen Hektoliter zu. Das ist der erste Anstieg des Importbiers seit sechs Jahren. SBV-Direktor Kreber sprach von einer Trendwende. Die Leute gingen in die Läden und kauften vermehrt ausländisches Büchsenbier.
Einbruch nach passablen Start
Und dabei hatte das Braujahr eigentlich noch passabel begonnen. Im Dezember 2019 war der Absatz um knapp 14 Prozent höher gelegen als ein Jahr zuvor. Dann führte der Lockdown zu einem Einbruch im Frühling. Dabei seien die Monate April bis Juni die wichtigsten im Braujahr, sagte Kreber. Was man in diesen Monaten verliere, hole man nachher nie mehr auf.
Nach den Lockerungen im Juni habe es bis im September einen Endspurt gegeben. «Fakt ist aber, dass wir auf die kalte Jahreszeit zugehen und die Ausweichmöglichkeiten für den Biergenuss nicht mehr so vielfältig sind wie im Sommer mit Gartenrestaurants, See, Bergen etc.», schrieb der Verband. «Es ist zu hoffen, dass diese Durststrecke kurz bleibt», sagte Kreber.
Keine Partystimmung erwartet
An einen Nachholeffekt im nächsten Jahr, wenn die Fussball-EM und die Olympischen Spiele doch noch stattfinden sollen, glaubt der SBV-Direktor nicht. Dafür seien die coronabedingten Verhaltensänderungen wie Abstand halten oder sich nur noch in kleinen Gruppen treffen zu grundlegend. Es dürfte keinen Countdown für Partys geben, sagte Kreber. Der Detailhandel werde seine Position halten können, aber die Gastronomie werde sich weiterhin in einer schwierigen Lage befinden.
«Bis die grossen Partys wieder steigen, muss noch einiges passieren», sagte der neue SBV-Präsident Nicolo Paganini. Das Vertrauen müsse wieder zurückkommen. Man habe gesehen, dass zwar gewisse grosse Veranstaltungen im September wieder durchgeführt worden seien, aber die Leute nicht hingegangen seien. «Bis das Vertrauen wieder da ist, wird es Zeit brauchen.»
Das Bier lebe vom Sozialen und der Geselligkeit, sagte Kreber «Das ist unterbunden durch die Coronarestriktionen. Bis die Bierseligkeit wiederkommt, braucht es Zeit und Vertrauen.» (awp/sda)