Als ich 1979 in die Schweiz kam, war sie ein Café-crème-Land. Und eigentlich ist sie das auch heute noch», wirft er salopp in die Runde und erntet für diese Aussage schallendes Gelächter. Bei aller Überspitzung Francesco Illys, Espresso-Spezialist in dritter Generation und Gründer von Amici Caffè – unrecht hat er damit nicht, gehört doch der typisch schweizerische Café crème laut Branchenverband Cafetier Suisse nach wie vor zum bevorzugten Kaffeegetränk hierzulande: Auch in Zeiten von begehrten Espressi und trendigem Filterkaffee ist nach wie vor mehr als jedes dritte in der Gastronomie bestellte Kaffeegetränk ein Café crème, zeigen aktuelle Zahlen (siehe Kasten). Zeitgleich beobachtet man auch beim Schweizer Cafetier Verband seit geraumer Zeit, was sich an diesem vierten htr-Tischgespräch der htr hotel revue zum Thema «Kaffee und Tassenbeilagen» offenbart, für das sich sechs Exponenten aus verschiedensten Ecken der Branche eingefunden haben: Die Qualität steht derzeit über allem. Und diese entsteht nicht auf Knopfdruck, sondern hängt entscheidend von Anbau, Ernte, Handel, Röstung, Mahlgrad, Zubereitung sowie Fachwissen der Baristi ab.

Branchenvertreter diskturieren relevante Themen
Mit dem htr-Tischgespräch möchte die htr hotel revue Lieferanten, Hoteliers und weiteren Vertretern der Branche die Möglichkeit geben, relevante Themen gemeinsam zu diskutieren und zu vertiefen. Im August lud die htr hotel revue bereits zum vierten Tischgespräch nach Bern, diesmal zum Thema «Kaffee- und Tassenbeilage». Das erste Tischgespräch war dem Thema «Hotelfrühstück» gewidmet (htr hotel ­revue vom 8.2.18), das zweite dem «Hotelzimmer» (htr hotel revue vom 19.4.2018), das dritte dem «Convenience Food» (htr hotel revue vom 14. Juni). Ein weiteres Tischgespräch zu «Einkauf und Logistik» folgt noch im November und wird noch vor Ende Jahr in der Zeitung wiedergegeben. (fee/gsg)

Der wichtige Umsatzträger erhält noch zu wenig Aufmerksamkeit
Etwas, das Milo Kamil, der sich als Barista, Latte Art Schweizer Meister und Kopf des Zürcher Coffee Labs vorab in der «Third Wave», der dritten Kaffeewelle, bewegt, stark spürt: «Die Qualitätsanforderungen sind derzeit enorm hoch und haben längst jedes Detail der Wertschöpfungskette erfasst», bestätigt er. Entsprechend viele Fallen und Stolpersteine gibt es, die aus einer erstklassigen Bohne mit erstklassiger Röstung ein ungeniessbares Produkt werden lassen. Den ganzen Prozess von A bis Z überblicken und kontrollieren zu können, – war man sich in der angeregt diskutierenden Runde einig – ist schwierig bis unmöglich und hängt von vielen Faktoren ab. Zumal die Qualitätsansprüche je nach Ausrichtung des Betriebs unterschiedlich gelagert sind. «Es zeigt sich nur schon darin, ob ich einen Siebträger habe, den bewussten Kaffeegenuss zelebriere und entsprechend ausgebildetes Personal habe oder ob ich einen Betrieb mit viel Laufkundschaft betreibe und auf einen Vollautomaten setze», bemerkt Patrick Hanhart vom Kaffeemaschinenhersteller Cafina. Dennoch stellt er immer wieder überrascht fest, wie wenig Aufmerksamkeit die Gastronomen dem wichtigen Umsatzträger Kaffee schenken, der nicht selten krönender Abschluss eines Essens bildet: «Da liegt viel Potenzial brach. So mancher Gastgeber kann mir nicht auf Anhieb sagen, von welchem Röster er die Bohnen bezieht», bedauert er. Dabei habe dies Auswirkungen auf das Resultat: Je mehr man sich einem Produkt widmet, desto besser ist letztlich die Qualität.

Für Svea Meyer, Gründerin und Inhaberin der Kaffeekette Kaffeeklatsch, hat Qualität ganz viel auch mit Vertrauen zu tun: «Wir versuchen, die Abläufe, die wir verantworten – von der Einstellung der Maschine über die Wassertemperatur bis zum fixfertigen Getränk – so perfekt wie möglich zu bewerkstelligen – und erwarten aber von jenen, die für die anderen Bereiche innerhalb des Prozesses zuständig sind, dasselbe», sagt sie, die für den Kaffeeausschank ausgebildete Barista beschäftigt, die bis zu 50 verschiedene Getränke beherrschen müssen.

Ihr kleines Imperium gehört zu der steigenden Zahl an Kaffeebars, die sich bewusst mit dem Produkt Kaffee auseinandersetzen und die stetig steigende Qualität massgeblich beeinflussen. Eine Entwicklung, die Francesco Illy dennoch kritisch beobachtet: «Natürlich hat es in den letzten 15 Jahren einen starken Wandel und ein neues Bewusstsein gegeben», sagt der Kaffeespezialist, der seit einigen Jahren auch als Winzer fungiert. Aber: «Der Weinkonsument ist deutlich besser informiert – und will es auch wissen! Er kann die Qualität einschätzen und beurteilen. Auch jeder unter uns würde einen Wein, der Zapfen hat, erkennen und umgehend zurückgeben. Nicht so der Kaffeekonsument: Ein Getränk kann noch so astringierend, bitter, unausgewogen sein – ich kenne kaum jemanden, der sich getraut, einen Kaffee, der nicht schmeckt, zu retournieren.» Der Konsument, so Illys Fazit, kennt die Mängel eines Kaffees nicht, Mängel notabene, die er bei einem Wein relativ mühelos erkennt. Kaffee werde halt nach wie vor wenig als Genussmittel wahrgenommen und vorab als «Muntermacher» konsumiert, ergänzt Patrick Hanhart. «Umso wichtiger ist die Rolle des Gastronomen. Dafür braucht es nicht zwingend einen Barista, aber einen Gastgeber mit Knowhow, dem das Thema am Herzen liegt, der weiss, wo er Qualitätsansprüche stellt.»

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Kaffee und Guetzli sollen miteinander harmonieren
Qualität, Know-how und Genuss sind zentrale Punkte, welche auch das Familienunternehmen Kambly beschäftigen. Der Fein­gebäck-Spezialist hält mit über 10 Millionen Guetzli jährlich einen wesentlichen Anteil an den 100 Millionen schweizweit verteilten Tassenbeilagen. «Wenn sich zum Beispiel die Luftfeuchtigkeit verändert, können auch wir nicht einfach den Knopf drücken, sondern müssen mit viel Feingefühl die Backkurve neu einstellen und den Backprozess eng begleiten», gibt Werner Gerber, Leiter Verkauf, Einblick in ihre Arbeit. Qualität steht an erster Stelle: Denn zu einem guten Kaffee gehört eine feine Tassenbeilage. «Eine genussvolle Tassenbeilage kann einen minderwertigen Kaffee unter Umständen aufwerten, umgekehrt aber kann eine minderwertige Tassenbeilage den Genuss eines feinen Kaffees beeinträchtigen. Es kann leider auch sein, dass die beiden, Kaffee und Beilage, nicht harmonieren, was letztlich schade ist und teuer kommt» – kostet doch eine Tassenbeilage zwischen zwei und zwanzig Rappen. Dennoch, sagt Gerber, ist die Nachfrage ungebrochen hoch: «Ein feines Guetzli erhöht einfach den Kaffeegenuss.»

Der Schweizer trinkt täglich drei Tassen
Seit jeher rangiert die Schweiz beim Pro-Kopf-Kaffeekonsum mit 1093 Tassen an der Weltspitze (vor Deutschland und Norwegen), zeigen die Zahlen 2016 der Branchenorganisation Cafetier Suisse. Das sind durchschnittlich drei Tassen täglich. Entsprechend hoch bleibt für die Gastronomie das Umsatzpotenzial mit Kaffee. Der Preis für ein Café crème ist im Vergleich zum Vorjahr nur geringfügig um einen Rappen auf einen Durschnittspreis von Fr. 4.24 gestiegen. (fee)

Die Tassenbeilage als Geschmacksverstärker und USP
Patrick Schneider, Chocolatier im Maison Cailler, sieht das ebenso. Die älteste noch existierende Schokoladenmarke der Schweiz führt als Tassenbeilage verschiedene Schokoladen im Angebot, 
es ist aber vor allem Schneiders Erfahrung als Confiseur, die ihn lehrte: Zum Café crème gehört ­etwas Süsses. Bis vor vier Jahren führte der gelernte Patissier-Confiseur in La Chaux-de-Fonds die Confiserie Schneider, und zu all seinen Kaffeegetränken reichte er ein hausgemachtes kleines Schoggi-S. Fehlte es, gab es Reklamationen, seinetwegen, hat er erfahren, kommen die Gäste wieder oder trinken gar noch eine zweite Tasse. «Damit konnte ich mich nicht nur von anderen Betrieben abheben. Das aussen knusprige, innen weiche Macaron machte den Kaffee besser, es diente als Geschmacksverstärker», findet der Chocolatier, während Svea Meyer das Goodie als «Lächeln, das man nicht kaufen kann» bezeichnet. Dennoch kommen im «Kaffeeklatsch» die Gäste nur gelegentlich in den Genuss einer Tassenbeilage, «um keine Abhängigkeiten zu schaffen», wie Meyer sagt. Ab und an liebäugelt sie mit einem Café Gourmand, weil sie immer mal wieder nach «etwas Kleinem, Süssem zum Kafi» gefragt werde – und kommt dann doch wieder davon weg: «All die Kaffeespezialitäten, bei denen der Kaffee eine untergeordnete Rolle spielt, da ist noch mehr Süsses schlicht zu viel», findet sie.

Francesco Illy ist der Meinung, dass der Genuss einer Beilage die rund 800 Aromen des komplexen Getränks gar negativ verändert und letztlich verfälscht. «Einen top zubereiteten Espresso spürt man nach zwei Stunden immer noch im Mund. Da braucht es ­keine weiteren Aromen, nicht ­einmal Zucker», findet der Purist und führt die Runde dorthin zurück, wo sich alle einig sind: Kaffee, so der Tenor, ist ein Genussmittel und dürfte von Gästen wie Gastgebern durchaus mehr Aufmerksamkeit und Achtung erfahren. Welcher Kaffee der auserwählte sein darf, hängt von unzähligen Fak­toren ab. Er habe kürzlich den Satz gelesen, und der bringe es seiner Meinung nach bestens auf den Punkt, sagt Milo Kamil: «The best coffee is the coffee that you like.»


«Qualität hat viel mit Vertrauen zu tun.»
Svea Meyer ist Mit-Inhaberin der Café-Kette Kaffeeklatsch, die sie 2002 in Davos zusammen mit Geschäftspartner Orlando Caeiro Fernando gründete. Das kleine Imperium umfasst heute zwei «Kaffeeklatsch»-Cafés in Davos, das erste eröffnete 2003, zwei in Klosters (Franchise), ein Café in Rapperswil seit letztem Winter und ab Frühling 2019 einen weiteren Betrieb in Chur im alten Postgebäude. kaffeeklatsch-klosters.ch [IMG 3]


[IMG 4] «Der beste Kaffee ist der, den man mag.»
Milo Kamil, Barista und Latte Art Schweizer Meister 2015/ 2016, ist Gründer des Coffee Lab in Zürich, das er zusammen mit anderen Kaffee-Spezialisten wie etwa Nina Rimpl, Barista Schweizer Meisterin 2014, führt. Das Lab dient als Schulungszentrum, bietet Kurse vom Barista-Handwerk über Sensorik bis hin zu Latte Art und richtet sich mit ihren ausgewiesenen SCA-Kursen auch an Profis. coffeelabswiss.ch


«Für Gastgeber birgt der Kaffee Potenzial.»
Patrick Hanhart ist Leiter Verkauf und Kundendienst bei der Cafina AG in Hunzenschwil AG. 1938 begann Cafina mit der Kaffeemaschinenproduktion und bietet bis heute Vollautomaten wie auch Siebträger für die Gastronomie. Seit 30 Jahren ist das Unternehmen Teil der Melitta-
Gruppe und ermöglicht damit Kaffeegenuss auf der ganzen Welt. Es beschäftigt in der Schweiz 75 Mitarbeitende. cafina.ch [IMG 5]


[IMG 6] «Der Gast kennt die Kaffee-Mängel nicht.»
Francesco Illy gehört zur Familiendynastie Illy. Sein Grossvater ist der Erfinder des Überdruckverfahrens, dessen Illycaffè ist in über 140 Ländern präsent. Der Enkel gründete 1979 zusammen mit seiner Frau Annemarie in der Schweiz die Kaffeemarke Amici Caffè AG in Steinhausen ZG. Illy ist Vizepräsident des Triester Unternehmens und entwickelte unter anderem 1995 die erste Haushalts-Espressomaschine. amici.ch


«Die Nachfrage nach Beilagen ist hoch.»
Werner Gerber ist Leiter Verkauf Schweiz bei Kambly SA Spécialités de Biscuits Suisses in Trubschachen BE. Der Feingebäck-Spezialist, 1910 aus einer Bäckerei entstanden, wird heute in dritter - und auf dem Weg in die vierte -Generation als Familienbetrieb geführt. Das Unternehmen stellt zahlreiche Feingebäck-Spezialitäten her, die in mehr als 50 Länder exportiert werden. Es beschäftigt rund 580 Mitarbeitende.  kambly.ch [IMG 7]


[IMG 8] «Ein Guetzli macht den Kaffee besser.»
Patrick Schneider, der als Patissier während 20 Jahren die Konditorei Schneider in La Chaux-de-Fonds führte, gehört seit 2015 zum Chocolatierteam von Maison Cailler, wo er im Atelier du Chocolat den Besuchern das Handwerk des Chocolatiers näherbringt. Das im Jahr 2010 eröffnete Maison Cailler im fribourgischen Broc bietet Einblick in die älteste noch existierende Schokolademarke der Schweiz. maisoncailler.ch