Dort, wo man sich wohlfühlt und ein gutes Gefühl bekommt, geht man gerne und oft hin. Doch was ist ausschlaggebend dafür, dass man sich gerne in einem Restaurant oder Hotel aufhält, länger sitzen bleibt, mehr konsumiert und mit einem Glücksgefühl nach Hause geht? Das Zusammenspiel verschiedener Elemente ist entscheidend. Von der Inneneinrichtung über Materialien, Geräuschkulisse, Düfte bis zum Licht. Nicht zuletzt trägt auch die Wahl der Mitarbeitenden zur Atmosphäre bei, die ein Restaurant oder ein Hotel ausstrahlt.

Lichtplaner Adi Aicher, Hotelier Philip Arnold, Gartendesignerin Sarah Hauser sowie Hotelière Sophia Marthaler haben sich beim htr-Tischgespräch darüber unterhalten, wie man ein Ambiente findet, das zum Hotel passt. Inspirationsquellen können die Landschaft und die Historie des Hauses sein. Ein Klosterhotel beispielsweise orientiert sich in der Regel an seiner oft mehrere hundert Jahre alten Geschichte und setzt entsprechend Akzente bei Mobiliar oder Tischwäsche.

Holz, Naturstein und Naturfasern für das Wohlbefinden
Die Inneneinrichtung trägt wesentlich zu einer schönen Atmosphäre bei. Natürliche Materialien wie Holz, Naturstein und Naturfasern vermitteln ein Gefühl des Zuhauseseins und der Geborgenheit. Naturmaterialien gewinnen laut Zukunftsforscher David Bosshart sogar noch an Bedeutung. Die Menschen werden in den nächsten Jahrzehnten vermehrt Orte aufsuchen, die gemütlich und behaglich sind und wo man sich der Natur und seinen Wurzeln nahe fühlt. Dabei spielt auch das Licht eine grosse Rolle. Natürliches Licht wird bevorzugt, und künstliches Licht soll möglichst natürlich aussehen. Beliebt sind Gartenanlagen und Innenräume, die mit Aussenräumen in Verbindung stehen, von wo aus man in die Natur sehen kann.

Wie findet man die richtige Atmosphäre?

Sophia Marthaler: Bei uns lautete das Motto: Die Gäste sollen ankommen und sich wohlfühlen. Damit das geschieht, muss die Einrichtung zum Haus passen. Bei uns fällt sie spartanisch aus, weil das zu unserem Klosterhotel passt. Es liegt auf der St. Petersinsel und ist 900 Jahre alt. Deshalb gibt es bei uns Holztische, historische Stühle, die alle unterschiedlich sind, Leinenläufer und Porzellan in einer Steingutoptik in Natur- und Pastelltönen.

Adi Aicher: Das Klosterhotel ist ein Haus mit Geschichte. Da sollte man aufpassen, dass man nicht zu viel inszeniert, nicht zu viel beleuchtet. Damit könnte man die Atmosphäre zerstören.

Philip Arnold: Ein Gast, der im Hotel ankommt, hat gewisse Erwartungen. Die sollte man erfüllen. Eine Réception bespielsweise sollte nicht als Museum, sondern als Réception eingerichtet sein. Doch wer ist dafür verantwortlich? Ich finde, die Hoteliers, obwohl wir dafür fast keine Zeit finden, weil wir so stark ins Tagesgeschäft eingebunden sind.

Adi Aicher: Es gibt viele Gastronomen und Hotelièren, die ein gutes Gespür für Atmosphäre haben. Sie wissen genau, was die Gäste suchen. Ich sehe meine Funktion als Lichtplaner darin, diese Ideen umzusetzen. Es gibt aber auch Bauten, bei denen der Hotelier noch nicht bekannt ist, bei Investorenprojekten beispielsweise. Dann arbeite ich eng mit den Architekten und Innenarchitekten zusammen.

Sarah Hauser: Über alles gesehen gibt es in der Architektur mehrere Ansätze, um auf die Spur der Atmosphäre zu kommen. Wie Adi Aicher gesagt hat, kann man sich an den Hoteliers orientieren, an ihrer Erfahrung und ihrer Persönlichkeit. Aber man kann sich wie im Fall des Klosterhotels auch auf die Historie konzentrieren und sich von ihr inspirieren lassen. Es gibt auch den Ansatz, sich an der Landschaft auszurichten. Das würde ich beispielsweise im Maiensässhotel Guarda Val so machen, wo die Berglandschaft beeindruckt.

Philip Arnold: Die Landschaft ist in der Tat eine Inspirationsquelle. Wir nehmen sie nicht nur in der Architektur, sondern auch in der Buffetpräsentation auf. Das Buffet dient zwar der Speisepräsentation, doch den grösseren Effekt holen wir mit der Materialwahl des Buffets heraus. Oft arrangieren wir dafür Strohballen und arbeiten mit Öllampen, das verleiht eine rustikale Wohlfühlatmosphäre. Damit müssen die Speiseplatten weniger filigran dekoriert und das Buffet nicht überladen werden. Manchmal stellen wir einen Früchtekorb aufs Buffet und daneben ein Schneidebrett statt Platten voller frisch aufgeschnittener Früchte. Weil es weniger Resten gibt, können wir Warenkosten sparen. Manchmal machen wir im Garten Feuer und sieden dort Weisswürste, die unsere Kellner in Lederhosen servieren. Angesichts der Hygienevorschriften gehen solche Konzepte nicht überall. Beim Frühstücksbuffet mussten wir beispielsweise einen Spuckschutz montieren. Jetzt ist das Bild gestört, auch wenn der Schutz aus Altholz ist.

Sophia Marthaler: Im Klosterhotel servieren wir das Frühstück in der Bauernstube. Das ist zwar authentisch, aber die Fenster beschlagen vom Dampf des Eierkochers und vom Chafing Dish. Deshalb müssen wir die Fenster regelmässig trocknen und mit dem Öffnen der Türen die Frischluftzufuhr regulieren. Und doch trägt die urige Bauernstube zur authentischen Atmosphäre bei. Ebenfalls, dass die Produkte aus der Region kommen. Natürlich schreiben wir das an.

Die Menschen schätzen den Aussenraum immer mehr. Jetzt geht der Trend sogar dahin, das Aussen nach innen zu bringen.
Sarah Hauser, Inhaberin Hauser Design

Von Naturmaterialien und Düften berührt

Philip Arnold: Wir haben das «Guarda Val» 2008 letztmals komplett neu renoviert, bespielt und eingerichtet. Noch heute, 14 Jahre später, sind die Betten und die Möbel von herausragender Qualität. Das ist nicht selbstverständlich, denn die Gäste nutzen sie unbekümmert. Es gibt Flecken. Polster nutzen sich ab, und Holzmöbel bekommen auch mal Kratzer. Eine gute Qualität kann man reinigen und Möbel frisch aufpolstern. Und weil wir wissen, dass unsere Gäste Freude haben an unserer Einrichtung und am Garten, investieren wir viel.

Sophia Marthaler: Unsere Gäste lieben die Landschaft auf der Insel, die naturgeschützt ist. Wir geben den Gästen gerne Tipps mit, wo sie den schönsten Steg und den höchsten Aussichtspunkt finden, da ist die Ausstattung im Hotel zweitrangig.

Sarah Hauser: Die Menschen schätzen den Aussenraum immer mehr. Jetzt geht der Trend sogar dahin, das Aussen nach innen zu bringen.

Philip Arnold: Deshalb haben unsere Gäste auch im Zimmer die Möglichkeit, sich mit der Natur zu beschäftigen. Wir geben jeden Tag etwas anderes aufs Zimmer. Zur Auswahl steht beispielsweise eine Biene hinter einem Glas. Dazu reichen wir eine Lupe, mit der sie sie genau betrachten können. Oder ein Sammelsurium von flachen Steinen, mit denen man ein Steinmandli bauen kann. Ebenfalls bieten wir Holzschnitte an: Die Schnitte sind aus Lärchen, Föhren, Fichten und Buchen. Damit sprechen wir den Tast- und den Geruchssinn an. Der Duft hat eine beruhigende Wirkung. Viele Menschen schlafen mit Holzdüften besser. Mit unserem Programm machen wir die Natur fassbarer.

Adi Aicher: Wie entwickeln Sie solche Ideen?

Philip Arnold: Der Verwaltungsrat wie auch die Geschäftsleitung wollten die Unternehmensvision weiterentwickeln, um uns von der sehr guten Bündner Konkurrenz abzuheben. Bei einem Brainstorming haben wir uns darauf geeinigt, die Gäste mit ihren Kindheitserinnerungen zu verbinden. Durch den Tastsinn, die Düfte, aber auch durch echtes Holzfeuer tauchen die Gäste in Erinnerungen, in erlebte Abenteuer aus der Kindheit ein. Ein externer Partner war für die Weiterentwicklung und die Umsetzung unserer Ideen verantwortlich. Wenn man es richtig machen will, braucht es Fachpersonen und ein gewisses Budget. Den finanziellen Aspekt sollte man aber klären, bevor man beginnt.

Sarah Hauser: Natürlichkeit ist heute kein Trend mehr, sie ist selbstverständlich. Mit der Auswahl der Pflanzen tragen wir automatisch zur Biodiversität bei. Wenn das ganze Jahr über etwas blüht, ist ein Garten biodivers, aber das verkaufen wir durch die Ästhetik. Denn niemals sollte Naturschutz die Ästhetik negativ beeinflussen. Wir regen mit unseren Gärten alle Sinne an. Der Duft der Blumen den Geruchssinn. Den Tastsinn, wenn Bäume berührt werden können, und auch den Gehörsinn: Kieswege eignen sich gut für Hintereingänge, dann hört man, wenn der Garten betreten wird.

Damit Lebensmittel frisch und geschmackvoll aussehen, muss die Farbe des Lichts stimmen.
Adi Aicher, Lichtplaner und Mitbegründer Firma Sektor4

Licht, unsichtbarer Baustoff der Emotionen

Sarah Hauser: Als Gartenplanerin stellt sich die Frage, was Licht im Garten zu suchen hat. Licht ist dann erfolgreich, wenn man es nicht bemerkt, ausser natürlich, es strahlt einen dekorativen Springbrunnen an. Draussen verwendet man weniger Licht als in Innenräumen. Erstens, weil so eine gemütliche Atmosphäre entsteht, und zweitens, weil wir wegen der Lichtverschmutzung im Konflikt mit der Natur stehen.

Adi Aicher: Die Lichtverschmutzung ist ein grosses Thema. Noch immer gibt es viele Glaskugeln aus den 1980er-Jahren, die nach allen Seiten abstrahlen, zu 80 Prozent in die falsche Richtung. Im Freien sollte man Licht immer nur gegen den Boden und nie gegen den Himmel richten.

Sophia Marthaler: Licht ist im Aussenbereich des Klosterhotel ein Dauerbrenner. Viele haben mitzureden, auch der Naturschutz, denn es gibt acht verschiedene Fledermausarten, die nicht gestört werden dürfen. Wir dürfen deswegen Licht nur sparsam einsetzen. Als Hotelière ist es gar nicht so einfach, damit umzugehen. Wir möchten Atmosphäre schaffen, müssen uns aber sehr einschränken. Jede Lampe, die ich im Eingangsbereich in einen Baum hänge, muss mit dem Naturschutz abgesprochen sein.

Adi Aicher: Licht hat eine grosse Wirkung. Auch in der Produktpräsentation. Damit Lebensmittel frisch und geschmackvoll aussehen, muss die Farbe des Lichts stimmen. Wassertropfen auf den Früchten oder dem Gemüse unterstützen diesen Frischeeffekt. Bei einem Buffet oder in der Auslage im Supermarkt beispielsweise. Am besten eignet sich immer Tageslicht. Die Qualität der Speisen kann im Tageslicht intuitiv erkannt werden. Es ist natürlich nicht immer möglich, das Buffet ans Fenster zu platzieren, und abends wird schliesslich auch gegessen. Das Licht muss einfach gut geplant sein. Bei der Planung kommt es neben der Farbwahl des Lichts auch darauf an, ob die Restauranttische immer am selben Ort stehen oder je nach Anlass an woanders aufgestellt werden. In Seminar- und Banketträumen ist die vielfältige Nutzung ein grosses Thema. In jedem öffentlichen Raum sollen Licht und andere Komponenten zusammenspielen. Nichts darf zu «laut» sein, auch das Licht nicht.

Philip Arnold: Frisch aus der Hotelfachschule, hätte ich nicht gesagt, dass das Licht zu den wichtigen Dingen in einem Hotel gehört. Aber ich habe meine Meinung in den letzten Jahren geändert: Wenn man die Gelegenheit und genug Budget hat, sollte man das Licht von Anfang an richtig planen. Die Atmosphäre lebt vom Licht.

Adi Aicher: Um Licht richtig einzusetzen, bedarf es oft eines etwas grösseren Aufwands, eventuell müssen Decken erneuert und gleich auch die Elektroverteilung angepasst werden, damit das Licht richtig platziert werden kann.

Philip Arnold: Und dann kommt noch die Qualitätssicherung. Wenn ein Gebäude neu gestaltet ist, zeigt der Fachmann unseren Mitarbeitenden, bei welcher Lampe welches Leuchtmittel verwendet wird. Wie das Lichtkonzept und der Aussenbereich im Alltag tatsächlich daherkommen, ist eine Kontrollsache.


Gärten  und Innenräume werden wichtiger

David Bosshart hat von 1999 bis 2020 das Gottlieb-Duttweiler-Institut geleitet. Der Zukunftsforscher sagt, dass die Natürlichkeit in Innen- wie Aussenräumen immer wichtiger werde. Gründe sind die Auswirkungen der Digitalisierung, Homeoffice und die Unsicherheit, die unbekannte urbane Räume auslösen können. Ein weiterer Faktor ist die Unversehrtheit der Natur, die immer seltener wird und dadurch an Wert gewinnt. Schuld daran ist die Klimaerwärmung mit mehr Hitze und Trockenheit, denn geschätzt 80 Prozent der Haushalte in grossen urbanen Räumen werden bis 2050 auf eine Klimaanlage angewiesen sein. Folgende Punkte müssen Hotels beachten.

Natürliche Materialien
Alle Materialien, die eine Natürlichkeit ausstrahlen, sind im Trend. Holz beispielsweise vermittelt ein Gefühl von Nähe, Regionalität und Verwurzelung. Auch Wandplatten aus Heu und Lavendel sowie Naturstein und selbst Beton werden wesentlich, wenn sie Gefühle der Ursprünglichkeit anklingen lassen. Auch Farben und Gerüche, die Anspielungen auf die Unversehrtheit der Natur machen, sind im Trend. Die Naturwahrnehmung und -wertschätzung ist immer kulturell und lokal geprägt.

Gemütliche Innenräume
Die Verbindung von Innen- und Aussenräumen wird wertvoller. Man möchte im Wohnzimmer sitzen, von Pflanzen umgeben sein und direkt in die Natur schauen: auf den Garten vor der Tür und vom Balkon auf die Berge, den Fluss oder den Wald. Die Innenräume sollen gemütlich, behaglich und wohnlich sein. Diesen Trend nehmen neuste Konzepte wie das der 25 hours Hotels in Zürich, aber auch Geschäfte im Detailhandel auf. Das multinationale Lifestyleunternehmen Urban Outfitters beispielsweise forscht an einem Konzept mit dem Namen Terrain, in dem Detailhandel, Garten und Restaurant kombiniert werden.

Im Garten sitzen, ein Luxus
Heute tönt das vielleicht banal, aber der Aufenthalt im Garten wird immer luxuriöser. Es soll auch ohne künstliche Wärmeregelung nicht zu warm und nicht zu kalt sein. Die Nachfrage nach schönen Gartenanlagen, (Rooftop-)Terrassen und Balkonen mit Wohlfühlatmosphäre wird steigen.

Natürliches Licht, bitte
Kalte, dunkle Räume verströmen keine Behaglichkeit. Um die Gesundheit zu fördern, investieren Unternehmen viel Geld in natürliches Licht. Als Vorbild dient das Hotel Cheval Blanc im Luxuswarenhaus Le Samaritaine in Paris, wo Lichthöfe und Glasdächer installiert wurden. Im Hotelzimmer soll mit offenen Fenstern gewohnt werden können.
 

Als Vorbild dient das Hotel Cheval Blanc im Luxuswarenhaus Le Samaritaine in Paris, wo Lichthöfe und Glasdächer installiert wurden.
David Bosshart, Trendforscher und Retail & Consumer Analyst


[IMG 3 ]Der 48-jährige Adi Aicher ist Mitbegründer der Lichtplanungsfirma Sektor4 in Zürich. Spezialisiert hat sie sich auf Museen, Hotels und Restaurants. Alles Orte, wo Licht den Fokus setzt und den Besuchern und Gästen ein bestimmtes Gefühl vermittelt. Sektor4 betreibt keinen Handel, ist herstellerunabhängig und produktneutral. Im Portfolio sind Hotels wie das Bürgenstock Resort und das Baur au Lac in Zürich.


[IMG 4] Der gebürtige Solothurner ist eidgenössisch diplomierter Hotelier/Restaurateur HF. Der 35-Jährige hat in Häusern wie dem Beau-Rivage Palace in Lausanne, dem Giardino Ascona und der Huka Lodge in Neuseeland gearbeitet. Im Maiensässhotel Guarda Val, einem 5-Sterne-Superior-Haus in Sporz GR, ist er seit acht Jahren tätig. Die operative Leitung obliegt ihm und seiner Frau Bettina Arpagaus seit drei Jahren.


[IMG 5] Die Firma Hauser Design im schwyzerischen Freienbach plant, realisiert und pflegt alles rund um Aussenbereiche und Gärten. Der Grundstein legte Max Hauser 1980. 2017 übernahmen die Geschwister Sarah und Mark Hauser die Leitung des Familienbetriebs mit 110 Mitarbeitenden. Die 33-jährige Sarah Hauser ist von Haus aus Landschaftsarchitektin. Später studierte sie Gartendesign in London.


[IMG 6] Die 57-jährige Sophia Marthaler ist gelernte Hotelfachfrau. Die gebürtige Nordrhein-Westfälin arbeitete fünf Jahre lang auf Expeditionsschiffen weltweit und führte das Restaurant Worlds End im norddeutschen Münster. Seit 2021 ist sie Gastgeberin im Klosterhotel auf der St. Petersinsel. Es ist 900 Jahre alt und liegt mitten im Naturschutzgebiet. Erreichbar ist es nur zu Fuss oder mit dem Schiff.


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