Über die Schweiz brandet gerade eine vierte Corona-Welle. Die Ansteckungszahlen steigen rasant, und im Gesundheitswesen werden warnende Stimmen laut. Damit rückt auch die Frage nach einer Impfung wieder stärker in den Vordergrund.

Ausgerechnet die Beschäftigten im Gastgewerbe gehören laut einer Erhebung des Forschungsinstituts Sotomo zu den impfskeptischsten Berufsgruppen. Fast ein Drittel will sich demnach nicht impfen lassen. Gleichzeitig vertritt HotellerieSuisse eine klare Haltung: «Wir empfehlen unseren Mitgliedern, das Impfen im Betrieb aktiv zu thematisieren und die Vorteile einer Impfung aufzuzeigen.» Der Verband hat dazu neulich gar Tipps publiziert, wie die Mitglieder ihre Angestellten für die Immunisierung motivieren können.

Allen einen informierten Entscheid ermöglichen
Was das in der Praxis heisst, erzählt Patrick Hauser, Inhaber des Luxushotels Schweizerhof in Luzern: «Wir Inhaber und Geschäftsleitungsmitglieder haben uns impfen lassen und das offen kommuniziert.» Zudem werde das Thema regelmässig angesprochen – an Sitzungen, Mitarbeiteranlässen, aber auch mal im informelleren Rahmen am Mittagstisch.

«Seit Ausbruch der Pandemie stellen wir unseren Angestellten über unsere App die jeweils aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Verfügung. So handhaben wir es jetzt auch bei der Impfung. Damit können alle eine informierte Entscheidung fällen», sagt Hauser. Und natürlich sei es möglich, sich während der Arbeitszeit impfen zu lassen.

Und wie reagieren die Angestellten – bei über 120 Mitarbeitenden gibt es doch bestimmt auch Impfskeptiker? Ja, bestätigt Hauser, die Belegschaft sei ein Spiegel der Gesellschaft. Weil aber stets klar kommuniziert werde, dass Impfen ein freiwilliger, persönlicher Entscheid sei, habe sich bisher niemand beschwert.

Im Ausland wird offensiver damit umgegangen
Interessant ist, dass im Ausland das Thema offensiver angegangen wird (siehe auch Box). Laut dem deutschen Branchenverband Dehoga ist sich ein Grossteil im Gastgewerbe bewusst, dass eine hohe Impfquote die beste Versicherung gegen Lockdown und Einschränkungen ist. Die Impfbereitschaft sei daher hoch. Zahlreiche Hoteliers und Gastronomen unterstützten aktiv niederschwellige Impfangebote für Gäste und Mitarbeitende.

Eine hohe Impfquote ist die beste Versicherung gegen Lockdown und Einschränkungen.
Deutscher Hotel- und Gaststättenverband Dehoga

Motel One beispielsweise hat im Frühling auf eigene Rechnung Impfdosen für die Angestellten in Deutschland organisiert. Diese hätten sehr positiv auf das kostenlose Angebot reagiert, teilt die Kette mit. Auf die Schweiz sei das Programm nicht ausgeweitet worden, weil es hier in der Zwischenzeit genügend Möglichkeiten gebe, sich impfen zu lassen.

Die Lindner-Gruppe hat letzte Woche in ihrem Hotel City Plaza in Köln zum Impfevent geladen. Marcus Bernhardt, Chef der Gruppe Deutsche Hospitality, vermeldete in der «Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung», alle Angestellten der österreichischen Steigenberger-Hotels seien durchgeimpft. Und Ägyptens Tourismusminister liess neulich verlauten, man habe «alle Tourismusmitarbeitenden in Resorts am Roten Meer und im Süd-Sinai vollständig geimpft». Fachleute zweifeln zwar an Khaled El-Enanys Aussage. Sie zeigt aber, dass geimpfte Angestellte durchaus ein Verkaufsargument sein können. Bisher sei ihm nicht zu Ohren gekommen, dass sich ein Gast im «Schweizerhof» nach der Impfquote der Angestellten erkundigt habe, wiegelt derweil Hotelier Hauser ab.

3G-Regel bei Gästen im Ausland
Geimpft, getestet, genesen: In Deutschland gilt seit dieser Woche die 3G-Regel für Hotels und Restaurants. Alle Betriebe sind verpflichtet, die Nachweise bei ihren Gästen zu kontrollieren. «Die 3G-Regel ist trotz Aufwand definitiv besser, als wieder geschlossen zu werden», schreibt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband Dehoga auf Anfrage. Unabhängig von den geltenden Vorgaben haben Wirte und Hotelièren das Hausrecht inne. Das heisst: Sie können in ihrem Betrieb auch die 2G-Regel (geimpft, genesen) anwenden. «Erste Hoteliers machen bereits von ihrem Hausrecht Gebrauch.» Beim Dehoga ist man sich einig: Impfungen sind der sicherste Weg, um sich für den Herbst zu wappnen. Deshalb stehen die Betriebe auch für Impfaktionen zur Verfügung.

In Österreich gilt die 3G-Regel seit dem 1. Juli. Nach knapp zwei Monaten im Regelbetrieb sei es Business as usual für Gäste sowie Mitarbeitende, schreibt die Österreichische Hoteliervereinigung (ÖHV). «Das Feedback ist positiv. Der Mehraufwand hält sich für beide Seiten in Grenzen.» Knapp 70 Prozent der Hotelgäste reisten bereits geimpft an. Angesichts der Delta-Mutation und der steigenden Fallzahlen wird in Österreich derzeit eine 1G-Regelung (geimpft) diskutiert. «Die Notwendigkeit einer Verschärfung ist aus unserer Sicht aktuell nicht gegeben. Die 3G-Regelung funktioniert sehr gut. Hotels sind sichere Orte», so der ÖHV.

Beim Thema stellen sich rechtliche Fragen: Darf man im Bewerbungsgespräch nach der Impfung fragen? Darf man Ungeimpften strengere Massnahmen auferlegen als Geimpften? Sind finanzielle Anreize erlaubt? Und was ist mit einer Impfpflicht? Juristin Bettina Baltensperger, Leiterin Arbeitsmarkt und Sozialpartnerschaft bei HotellerieSuisse, sieht eine Impfpflicht in den meisten Fällen als nicht zulässig an.

Ausnahmen könne es je nach Einzelfall geben bei Tätigkeiten, die einen engen Kontakt zu besonders gefährdeten oder infizierten Personen bedingten, was im Gastgewerbe aber kaum je der Fall sein dürfte. Nur wenn eine Impfung verlangt werden dürfe, sei es auch im Bewerbungsgespräch erlaubt, danach zu fragen.

Die Ungleichbehandlung von geimpften und ungeimpften Angestellten ist heikel.
Bettina Baltensperger, Leiterin Arbeitsmarkt und Sozialpartnerschaft bei
HotellerieSuisse

Doch selbst wenn die Impfung freiwillig ist, ist vieles erlaubt: finanzielle Anreize etwa, zusätzliche Freitage oder Informationsschreiben. Heikel ist laut Baltensperger aber die Ungleichbehandlung von geimpften und ungeimpften Angestellten. «Es kann problematisch sein, geimpfte Personen weiter einzuschränken, eine Ungleichbehandlung kann stigmatisieren und diskriminieren, vor allem Personen, die sich nicht impfen lassen können.» Sowieso dürfe der Arbeitgeber den Geimpften keine Massnahmen erlassen, die im Schutzkonzept der Branche vorgeschrieben seien.


Nachgefragt

Madeleine Na ist HR-Coach und HR-Beraterin. Sie war über 15 Jahre in der Hotellerie tätig. [IMG 2]

Wie kann man Mitarbeitende motivieren, sich impfen zu lassen?

Ich empfehle, eine kleine interne Impfkampagne im Betrieb zu machen. Wichtig ist, dass der Chef oder die Chefin selber hinsteht und aufklärt.

Wie sieht eine solche Kampagne aus?

Der Betrieb könnte einen Anlass organisieren, bei dem die Mitarbeitenden zum Beispiel die Erklärvideos des BAG gemeinsam anschauen und sich darüber austauschen. Natürlich kann man auch einfach Infomaterial auflegen oder Plakate aufhängen. Wichtig ist, dass der Wirt oder die Hotelière mit gutem Beispiel vorangeht und die eigene Impfbereitschaft offenlegt. Gleichzeitig muss man dabei sehr einfühlsam vorgehen.

Das heisst?

Sie sollten betonen, dass Impfen freiwillig ist, damit sich niemand bedrängt fühlt. Sinnvoll wäre, wenn der Chef oder die Chefin aufzeigt, welche Vorteile sich für alle ergeben, wenn so viele Mitarbeitende wie möglich geimpft sind.

Wichtig ist, dass die Chefs ihre Impfbereitschaft offenlegen.

Erste Fluglinien führen beim Personal die Impfpflicht ein, dem Pflegepersonal wird eine Impfung ebenfalls nahegelegt. Juristisch lässt sich eine Impfung in gewissen Fällen anordnen. Was halten Sie davon?

Ich denke, in unseren Kulturkreisen ist es wichtig, dass Impfen auf Freiwilligkeit basiert. Aber die Hoteliers müssen dafür aktiv auf die Mitarbeitenden zugehen.

Was tun, wenn sich Mitarbeitende weigern?

Grundsätzlich muss man das respektieren, Impfen ist Privatsache. Man kann aber sensibilisieren. Zum Beispiel die Frage aufwerfen, ob man als Kind gegen Masern geimpft wurde und wie selbstverständlich dies für die Eltern damals war. Oder einen Vergleich mit Reisen in tropische Gebiete ziehen. Da gehen die meisten auch ohne Bedenken zum Tropenarzt und lassen sich impfen.

Welche Anreize kann ein Betrieb schaffen?

Von monetären Anreizen rate ich ab, das kommt in unseren Breitengraden eher schlecht an. Arbeitgebende können aber einen bis zwei Arbeitstage für die Impfung und die Erholung zur Verfügung stellen, damit ihre Mitarbeitenden nicht die Freizeit opfern oder sich krankmelden müssen. Das unterstreicht die Wichtigkeit und zeigt Wertschätzung.