Auf diesen Moment haben die Initiatoren des Vereins Mitarbeiter-Sharing zweieinhalb Jahre gewartet: In der zweiten Augusthälfte ging die Plattform «jobs2share» online. Und damit die erste nationale Website für Stellensuche und -ausschreibung explizit für Saisonmitarbeitende. Wer eine Winter- oder Sommersaisonstelle sucht oder besetzen will, kann hier ganz unkompliziert auf die Suche gehen. Ansprechen will der Verein, der für das Projekt unter anderem von Kanton und Seco unterstützt wird, dabei nicht nur Saisonbetriebe. Auch Ganzjahresbetriebe, die für die Saison Verstärkung suchen, könnten hier genauso fündig werden, betont Projektleiterin Brigitte Küng von der HTW Chur – die Fachhochschule begleitet das Vorhaben zudem wissenschaftlich.
Mitarbeiter-Sharing: Andere Branchen zeigen Interesse
«Seit dem Start mit dem Projekt Mitarbeiter-Sharing vor zweieinhalb Jahren haben immer wieder Unternehmen aus nicht gastgewerblichen Branchen Interesse gezeigt», so Projektleiterin Brigitte Küng. An der HTW Chur werden nun eine Öffnung der Plattform, das damit verbundene Potenzial sowie mögliche Modellvarianten geprüft. Erste Ergebnisse sollen 2019 vorliegen. Küng sieht darin eine Chance, dem Fachkräftemangel zu begegnen, da so potenzielle Quereinsteiger auf Stellen im Gastgewerbe aufmerksam werden. Zudem, ist gerade die Hotellerie Arbeitsplatz für viele andere Branchen, wie Gärtner oder Coiffeure.
Sharing-Potenzial auch für Nich-Saisonbetriebe
Zuvor gab es keine Plattform, sondern lediglich eine einfache Website mit Informationen zu Mitarbeiter-Sharing. Der mögliche Austausch beschränkte sich primär auf die Kantone Graubünden und Tessin und hier auf die gut 20 Hotels der Trägerschaft des Vereins Mitarbeiter-Sharing. Von dem Schritt an die Öffentlichkeit erhoffen sich die Initianten viel. Brigitte Küng: «Jetzt fangen wir erst richtig an.»
[IMG 3]Von der nationalen Öffnung des Projektes verspricht sich auch Petra Homberger, HR-Verantwortliche im Hotel Grischa, ein Mitgliedshotel in Davos, einiges. Zwar konnte sie letzten Winter drei Mitarbeitende aus dem Tessin über den Verein rekrutieren. Doch Davoser Hotels hätten es schwer, italienischsprachige Mitarbeitende in die deutschsprachige Destination zu holen. Künftig hofft sie dank der nationalen Plattform zusätzlich in Regionen wie Bodensee oder Innerschweiz, die im Winter eher Nebensaison haben, fündig zu werden.
Wie gross die Resonanz auf das Projekt Mitarbeiter-Sharing ist, hat Brigitte Küng an der HTW Chur untersucht. Die Hälfte der im Rahmen einer Masterarbeit befragten Lernenden hätten das junge Projekt bereits gekannt. «Der hohe Bekanntheitsgrad nach dieser kurzen Zeit hat uns erstaunt.»
Aus zwei Saisonstellen wird plötzlich eine Ganzjahresstelle
Noch grösser ist das Interesse, Teil eines solchen Austausches zu werden: 30 Prozent finden eine Saisonstelle für den Berufseinstieg attraktiv, weitere 54 Prozent zeigen sich offen dafür. Nicht viel geringer fällt das Interesse im Durchschnitt aller Mitarbeitenden, eine Anstellung im Mitarbeiter-Sharing-Modell zu bekleiden, aus, wie eine dieses Jahr erstellte repräsentative Studie der Universität St. Gallen zeigt (siehe Grafik).
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Durch das Mitarbeiter-Sharing kann der Mitarbeitende aus zwei Saison- eine Ganzjahresstelle machen. «Wir können nur Saisonstellen bieten. So wird unser Haus als Arbeitgeber viel interessanter», meint Evelyn Engler, Direktorin im Hotel Chesa Rosatsch, Celerina. Nicht nur weil über die Plattform automatisch ein Kooperationsvertrag zwischen den beiden Hotels mit Stellenzusage entsteht. Sondern auch weil Saisonniers dank einer Sonderbewilligung des Staatssekretariats für Wirtschaft Seco bei einer Registrierung via Mitarbeiter-Sharing-Plattform – unter Einhaltung verschiedener Auflagen – davon befreit werden, in der Zwischensaison Arbeitsbemühungen nachzuweisen. Saisonniers können so während maximal sechs Wochen pro Jahr von Arbeitslosenentschädigungen profitieren. «Das ist unser wichtigstes Zugpferd und eine grosse Chance für die Branche», ist sich Brigitte Küng bewusst. «Die Seco-Sonderbewilligung ist ein Riesenvorteil», meint auch Corinne Denzler, Direktorin Tschuggen Hotel Group. Leichter wird für sie die Mitarbeitersuche dadurch zwar nicht, erwartet Petra Homberger, aber dass Saisonmitarbeitende sich so unkomplizierter arbeitslosen melden können, das sei «ein riesiger Anreiz».
Sonderbewilligung des Seco an konkrete Vorgaben geknüpft
Die Bedeutung für eine solche Lösung könnte in Zukunft, unter anderem auch wegen der neuen Stellenmeldepflicht weiter an Bedeutung gewinnen. Brigitte Küng: «Ich bin überzeugt davon, dass sich die Saisonproblematik eher noch akzentuiert.»[IMG 4]
Noch ist dieses «Zugpferd» ein Pilot: Das Seco lässt diese Sonderbewilligung, die vorerst für die Kantone Tessin und Graubünden gilt, ab 1.1.19 drei Jahre testen. Für eine anschliessende Fortsetzung muss das Projekt konkrete Erfolgskennzahlen vorweisen: Zum Beispiel, dass 200 Mitarbeitende pro Jahr so ein Mitarbeiter-Sharing-Jobpaket annehmen. Weitere Kennzahlen werden bis Ende Jahr definiert. Eine Grössenordnung, die durchaus machbar scheint. Corinne Denzler schätzt, dass sich allein in ihrer Gruppe mittelfristig jeder vierte Saisonnier der Gruppe, in absoluten Zahlen 60 bis 70, für das Mitarbeiter-Sharing-Konzept entscheidet. Bis dahin sei aber noch viel Aufklärungsarbeit nötig. Bereits beim Einstellungsgespräch weist man deshalb bei den Tschuggen Hotels auf das Konzept hin.
Sonderbewilligung Pilotphase startet am 1.1.2019
Mitarbeitende, welche sich für zwei Saisonstellen im Modell Mitarbeiter-Sharing verpflichten, werden von der Auflage befreit, Arbeitsbemühungen nachzuweisen und können während maximal sechs Wochen pro Jahr von Arbeitslosenentschädigungen profitieren. Weitere Auflagen: Saisoniers müssen dem zuständigen RAV einen Kooperationsvertrag der beiden Betriebe vorlegen und Wohnsitz in Graubünden oder Tessin haben. Letzteres gilt für die Pilotphase, die ab dem 1. Januar 2019 drei Jahre läuft. Ist der Pilotversuch erfolgreich verlaufen, könnte sich die Lösung schweizweit durchsetzen.
Damit das Projekt die Seco-Vorgaben erfüllt, will der Verein das Angebot für Saisonniers weiter ausbauen und so das Modell noch attraktiver machen. Zum Beispiel im Bereich Weiterbildung. Da Saisonniers nicht fest einem Betrieb zugeordnet sind, wird der fachlichen Förderung oft wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Dabei biete sich die Zwischensaison für Schulungen regelrecht an, meint Küng und sieht besonders in Sprachschulungen ein Potenzial. Zum einen sei mangelnde Sprachkenntnis einer der Hauptgründe, nicht in einer anderen Region der Schweiz zu arbeiten, zum anderen fehle es hier bislang am passenden Angebot für die Zwischensaison. Und auch für die Finanzierung wünscht sie sich noch Lösungen: «Man müsste eine Finanzierung über den L-GAV diskutieren.» Heute werden über den L-GAV ausschliesslich eidgenössische Weiterbildungen unterstützt. Doch gerade Sprachkompetenz sei eine klare Schlüsselkompetenz.
Eine Chance für den Nachwuchs
Federico Haas vom Hotel Delfino Lugano sieht im Mitarbeiter-Sharing eine grosse Chance für die Nachwuchsförderung. «Für mich ist der Nutzen für den Nachwuchs wichtiger als jener für den Betrieb», meint der Präsident von Hotel- und Gastro-Formation im Tessin. Insbesondere nach der Grundbildung habe er im Rahmen der bisherigen Trägerschaft den jungen Berufsleuten einen guten Arbeitsplatz im Winter vermitteln können. Denn sind die ersten Berufserfahrungen negativ, so bestehe schnell die Gefahr der Abwanderung. Geschätzt habe er hierfür auch die regelmässigen Treffen im Rahmen des Vereins, den Austausch mit Hoteldirektoren oder den Personalverantwortlichen zu Mitarbeiterthemen. Kommende Woche am Mittwoch findet wieder ein solches Treffen, diesmal in Bellinzona, statt. Dann wird auch der Start der nationalen Plattform der Öffentlichkeit vorgestellt.
jobs2share: Mit einer Flatrate auf die Mitarbeitersuche
Träger des Vereins Mitarbeiter-Sharing sind rund 25 gastgewerbliche Betriebe aus Grau-
bünden und Tessin, die mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Chur sowie Kantonalsektionen von hotel-
leriesuisse nach zweieinhalb Jahren Projektphase die nationale Mitarbeiter-Sharing-Plattform «jobs2share» lanciert haben. Für eine Flatrate ab 49.90 Franken pro Monat kann ein Betrieb unlimitiert Stellenangebote ausschreiben. Ein Kooperationsvertrag bildet die Brücke zwischen den beiden Arbeitgebern und dem Mitarbeitenden.
jobs2share.ch
Mitarbeiter: Gefragt sind Abwechslung, guter Lohn und sinnvolle Arbeit
Mit der Übernahme der Projektleitung des Vereins Mitarbeiter-Sharing hat die Fachhochschule HTW Chur diverse Studien zum Thema durchgeführt mit zum Teil interessanten Ergebnissen. Zum Beispiel, dass 80 Prozent der Lernenden bereit sind, für den Job den Wohnort zu wechseln, nur 3,5 Prozent können sich mit einer solcher Lösung nicht anfreunden. «Wir waren überrascht, dass junge Leute diesem Thema so offen gegenüberstehen», sagt Brigitte Küng von der HTW Chur und Projektleiterin des Vereins Mitarbeiter-Sharing.
Was weniger überrascht: 81 Prozent schätzen die Abwechslung. 62 Prozent aber auch das Gefühl, mit zwei Tätigkeiten trotzdem eine Ganzjahresstelle zu haben. «Das Mitarbeiter-Sharing bietet sowohl Abwechslung als auch Sicherheit», so Küng. Wobei das Motiv Abwechslung und Flexibilität als Lebensgefühl sich als wichtigeres herauskristallisierte, wie eine repräsentative Studie unter Mitarbeitenden im Gastgewerbe der Uni St. Gallen zeigte. «Das Motiv Job-Sicherheit hat sich als «Hygienemassnahme» herauskristallisiert.»
Erstaunt hat die Forscherin von der HTW Chur auch, wie bedeutend der Lohn ebenso bei der Generation Y ist. 97 Prozent der von der HTW Chur befragten Lernenden erachten den Lohn als wichtig oder sehr wichtig. Mindestens genauso relevant ist für die junge Generation aber eine sinnvolle Tätigkeit (98%). Eher unrelevant hingegen, ob der Arbeitsweg kurz oder lang ist; nur jeder Zehnte achtet darauf.