Eingliederung braucht Zeit. Erfolgreiche Integration beruht auf Erfahrungen. Nebst allgemeingültigen Regeln verlangt der Prozess gleichzeitig nach Flexibilität und Offenheit. Durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Arbeitssuchenden, Integrationsorganisationen und Arbeitgebern lassen sich nachhaltige Fortschritte erzielen. Die Vernetzung dieser drei Zielgruppen gehört mitunter zu den Aufgaben von Adrian Gerber. 

Für den Beauftragten Arbeitsmarktintegration des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements sind die Hotellerie und die Gastronomie die «Integrationsbranchen der Schweiz»: «Die Etage, die Küche, die Lingerie oder die Gaststube ist für viele Geflüchtete ein erster Einstieg in die Schweizer Arbeitswelt. Wenn man mittelfristig denkt, so ist dies für die Branche auch ein Kanal, um motivierte und qualifizierte Personen zu rekrutieren, zu fördern, aus- und weiterzubilden und nachzuziehen.»

Gerber weiss um die Herausforderungen der Arbeitseingliederung und nennt an erster Stelle die Sprache. Bund und Kantone investierten viel in Sprachförderung, entscheidend sei aber die Anwendung im Berufsalltag. Ein weiterer Stolperstein sieht Gerber in der Vermittlung: «Berufsintegration bedeutet in unserem freien Arbeitsmarkt letztlich nichts anderes, als einen Arbeitsvertrag zu bekommen. Aber noch finden sich die Geflüchteten und die Betriebe nicht immer.»

Hier brauche es mehr direkte Kontakte und Informationen. Schliesslich stelle auch die Vereinbarkeit von Beruf und Betreuungspflichten eine Hürde dar. Doch: «Mit gutem Willen und entsprechenden Rahmenbedingungen ist es möglich, Betreuungspflichten und unregelmässige Arbeitszeiten aufeinander abzustimmen.»

Aus der Asylstatistik 2024
7 Prozent der Zuwanderung in die Schweiz entfielen in den letzten Jahren auf den Asylbereich; jährlich kamen rund 8000 bis 1000 Personen. Anerkannte Flüchtlinge (B) erhalten Schutz, weil sie vom eigenen Staat verfolgt sind, vorläufig Aufgenommene (F), weil sie aufgrund von Krieg nicht in ihre Heimat zurückkehren können.

Im Frühjahr 2022 sind zudem viele Personen aus der Ukraine geflohen. Zurzeit sind rund 68'000 Personen mit einem Schutzstatus S in der Schweiz, rund zwei Drittel von ihnen seit drei Jahren. All diese Geflüchteten (Status B, F, S) bleiben in der Regel mittel- bis längerfristig in der Schweiz und sollen eine Arbeit oder eine Ausbildung aufnehmen.

Aufwendige Bewilligungsverfahren sollen einfacher werden
Den Einwand der fehlenden längerfristigen Planungssicherheit in den aktuell politisch volatilen Zeiten lässt Gerber nicht gelten. Die Branche sei sich eine regelmässige Fluktuation gewohnt. Zudem habe der Bundesrat den Schutzstatus S bis März 2026 verlängert, sofern sich die Lage in der Ukraine nicht nachhaltig stabilisiere, und gewähre erwerbstätigen Personen eine zusätzliche Ausreisefrist von einem Jahr.

«Mit andern Worten: Es besteht durchaus eine Planungsperspektive.» Und auch mit Blick auf aufwendige Arbeitsbewilligungsverfahren für Personen mit Schutzstatus S wollen Bundesrat und Parlament Erleichterung schaffen. Bestehende Verfahren sollen spätestens nach dem Sommer 2025 durch das Meldeverfahren ersetzt werden, das bei den anderen Geflüchteten gilt und sich bewährt hat. Die Vernehmlassung läuft bis am 2. Juni.

Nachhaltige Integration durch Aus- und Weiterbildung
Hotellerie und Gastronomie sind stark an neuen Arbeitskräften interessiert. Auch angesichts des demografischen Wandels und des zunehmenden Fachkräftemangels gewinnt die berufliche Integration von Geflüchteten an Bedeutung. Viele von ihnen möchten langfristig in der Schweiz bleiben. Ihr Potenzial gilt es gezielt zu nutzen.

Die Branche bietet mit Basisqualifikationen wie Progresso und diversen Ausbildungsprogrammen gute Rahmenbedingungen, um Geflüchtete langfristig zu fördern. Doch nachhaltige Integration bedeutet mehr als eine Anstellung – sie muss im Betriebsalltag gelebt werden. Entscheidend sei, dass Führungskräfte gezielt auf das Potenzial ihrer Mitarbeitenden eingingen und diese entsprechend einsetzten, so Gerber. «Das gelingt nicht immer sofort, aber Schritt für Schritt.» Einmal mehr sind also Flexibilität und Geduld gefragt.

Hotellerie und Gastronomie sind die Integrationsbranchen der Schweiz
Adrian Gerber, Beauftragter Arbeitsmarktintegration, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement

Und wie steht es um die Erstausbildung? Der Zugang zu den Lehrstellen läuft über die üblichen Kanäle. Betriebe können sich an die Kontakte in der Berufsbildung wenden. Ein Rekrutierungskanal sind die Brückenangebote: Viele Junge durchlaufen zuerst einjährige Vorbereitungs- oder Integrationsvorlehren und werden so an das Berufsfeld herangeführt. Gut zu wissen: Der Bundesrat hat entschieden, dass Personen mit Schutzstatus S, die eine Lehre begonnen haben, diese auch beenden können.

Spezialisierte Anlaufstellen in allen Kantonen
Die Schweiz sei gut aufgestellt, so Gerber. Im Rahmen der Integrationsagenda haben alle Kantone spezialisierte Stellen eingerichtet, die Geflüchtete bei der Arbeitsmarktintegration unterstützen. Diese arbeiten eng mit den RAV und der Berufsbildung zusammen, um Sprachförderung und weitere Massnahmen zu koordinieren.

Für Unternehmen bietet sich hier ein neuer Rekrutierungskanal: Betriebe, die Personal suchen, können sich an diese Stellen wenden und erhalten Unterstützung bei der Vermittlung geeigneter Kandidatinnen und Kandidaten. Jobcoaches helfen zudem bei administrativen Fragen, organisieren Praktika oder Einarbeitungsprogramme und fördern gezielt die sprachliche und berufliche Weiterentwicklung der Geflüchteten. So entstehen langfristige Lösungen für Unternehmen und Arbeitssuchende.

Webinar Berufliche Integration
HotellerieSuisse Graubünden und Gastro Graubünden bieten für Geschäftsführende, Betriebsverantwortliche und Personalverantwortliche in ihrer Region am 8. April ein Webinar zum Thema Berufliche Integration von Geflüchteten an. Es moderiert Jürg Domenig, HotellerieSuisse Graubünden.

Teilnehmer
Adrian Gerber, Beauftragter Arbeitsmarktintegration, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement
Marc Tischhauser, Gastro Graubünden
Nicola Mellilo, Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit des Kantons Graubünden
Reto Schnider, Ressortleiter Berufliche Integration, Amt für Migration und Zivilrecht des Kantons Graubünden

Zur Anmeldung
gastrograubuenden.ch