Die Stellenmeldepflicht erschwert die Suche nach Fachkräften zusätzlich und ist der Branche ein Dorn im Auge. Doch einen positiven Nebeneffekt hat sie: Aufgrund der durch die 2018 eingeführte Stellenmeldepflicht vorhandenen Daten kann man nun erst sehen, wie stark der Fachkräftemangel im Gastgewerbe eigentlich wirklich ist.
HotellerieSuisse hat im Rahmen ihres «Future Hospitality»-Projekts auf Basis der neuen Stellendaten die aktuelle Arbeitsmarktanspannung im Gastgewerbe jetzt erstmals berechnet. Die neu erhobene Kennzahl zeigt das Verhältnis offener Stellen zur Anzahl Arbeitslose. Also wie viele verfügbare Arbeitnehmende es tatsächlich für eine offene Stelle gibt.
Datenbasis für Politik und Angebote
Im Rahmen des Projekts «Future Hospitality» baut HotellerieSuisse ein zentrales Monitoring von öffentlichen Arbeitsmarkt- und Bildungsdaten auf, das genauso regionale Unterschiede abbildet. Zudem wird eine umfassende Fachkräftebefragung durchgeführt. Die Ergebnisse liefern die Grundlage für politische Vorstösse und gezielte Angebote.
hotelleriesuisse.ch
Das Ergebnis verdeutlicht, dass man im Gastgewerbe die Sachlage inzwischen jedoch eigentlich umgekehrt formulieren muss. Es geht nicht mehr darum, wie viele Arbeitnehmende für eine Stelle zur Verfügung stehen, sondern unter wie vielen Stellen ein Arbeitssuchender auswählen kann: Während in der Gesamtwirtschaft im Durchschnitt drei Arbeitslose für eine zu besetzende Arbeitsstelle zur Verfügung stehen, ist im Gastgewerbe über alle Berufe gesehen mehr als eine Stelle pro Arbeitsloser offen.
Arbeitssuchende können heute im Gastgewerbe also zwischen verschiedenen Stellen wählen. Arbeitgeber müssen dagegen oft anstellen, was der Markt hergibt, wenn er das überhaupt tut. Denn in einzelnen Kantonen und hier insbesondere in den Bergregionen ist der Mismatch zwischen ausgeschriebenen Stellen und verfügbaren Arbeitnehmenden noch deutlich prekärer. Spitzenreiter ist dabei Graubünden: Über alle gastgewerblichen Berufe gesehen steht gerade mal ein Arbeitssuchender für gut sieben Stellen zur Verfügung, im Service kann ein Arbeitsloser sogar zwischen zehn Stellen aussuchen.
«In den letzten drei Jahren wurde die Suche nach guten Leuten immer schwieriger», meint Tamara Henderson, Gastgeberin im Chalet-Hotel & Wintergartenrestaurant Larix in Davos. Im Service und in der Küche merke sie das extrem, aber auch im Bereich Housekeeping, der bis anhin mit Arbeitskräften portugiesischer Herkunft gut habe abgedeckt werden können, werde es immer aufwendiger, Fachkräfte zu finden.
Tamara Henderson hat für die kommende Wintersaison im Housekeeping nun jemanden eritreischer Herkunft eingestellt. «Gerade als 3-Sterne-Hotel und Saisonbetrieb ist es nicht einfach, Mitarbeitende zu finden», so die Präsidentin des Hotelier-Vereins Davos. Für die grossen Hotels präsentiere sich die Situation, glaube sie, noch ein wenig besser, weil Mitarbeiter «doch gerne Zeugnisse von 4- und 5-Sterne-Häuser haben». Zudem könnten sich grössere Betriebe bei Vakanzen besser intern aushelfen, ergänzt Murat Baki, Direktor des Hotel Restaurant La Couronne in Solothurn. «Als kleines 4-Sterne-Boutiquehotel haben wir es sehr schwer.» Der Arbeitskräftemangel beschränke sich dabei nicht auf einen Beruf oder eine Position: «Wir suchen auf allen Stufen händeringend nach Mitarbeitenden.» Weder beim RAV noch bei grossen Stellenplattformen gebe es in der Regel auf eine Ausschreibung inzwischen irgendeine Resonanz.
«Wir suchen inzwischen auf allen Stufen händeringend nach Mitarbeitenden.»
Murat Baki, Hotel Couronne Solothurn
«Die Stellenmeldepflicht ist leider nur eine Farce, sie bringt niemandem etwas, so Christian Rainer, Hotel Astras, Scuol. Immerhin ist bei der Stellenmeldepflicht Abhilfe in Sicht: Dank der neuen Berufsnomenklatur fallen die meisten gastgewerblichen Berufsarten ab 2020 nicht mehr unter die Stellenmeldepflicht. Was vorerst weiter gilt: die Wartezeit von fünf RAV-Arbeitstagen – selbst wenn keine passenden Dossiers vorliegen. Und das sei oft der Fall, weiss Murat Baki.
Deutlich mehr Jobs als Arbeitslose, die eine Stelle suchen:
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