Jufa-Hotels-Gründer und -Geschäftsführer Gerhard Wendl hat bereits vor über dreissig Jahren das Marktpotenzial von Familienferien erkannt. Mittlerweile hat sich sein Unternehmen als grösste österreichische Hotelgruppe etabliert. Insgesamt werden jährlich rund 1,6 Millionen Logiernächte generiert. Das Portfolio umfasst 63 Familienhotels in Österreich, Deutschland, Ungarn, Liechtenstein und seit Sommer 2021 auch in der Schweiz. In Savognin GR betreibt Jufa Hotels ein Hotel mit 72 Zimmern, eigener Gastronomie sowie Wellness- und Spielbereich. Dafür wurden insgesamt 15 Millionen Franken investiert. Der bewährten Geschäftsphilosophie bleibt die österreichische Hotelkette auch in Graubünden treu und bietet erschwingliche Ferien für Familien an. Dabei setzt das Unternehmen einen besonderen Fokus auf die regionale Wertschöpfung.
Gerhard Wendl, im Juni 2021 feierte Jufa Hotels die Hoteleröffnung in Savognin. Wie lautet Ihre erste Zwischenbilanz?
Es war klar, dass unser Einstand unter den pandemiebedingten Umständen kein ganz normales Jahr wird. Mit 20 000 Logiernächten und – bedingt durch Reiseeinschränkungen – 90 Prozent Schweizer Gästen dürfen wir aber zufrieden sein. Wir haben das Ende der Fahnenstange aber noch nicht erreicht.
Sie sind seit nunmehr 31 Jahren europaweit im Geschäft. Warum hat es so lange gedauert, bis Jufa Hotels auch in der Schweiz tätig wurde?
Der Mangel an einem qualitativ guten Familienprodukt in der Schweiz wurde innerhalb der Gruppe schon früher thematisiert. Wir wissen schon seit längerem, dass wir mit unserem preislich attraktiven Familienangebot in die Schweiz passen. Unser erster Anlauf, ein Projekt in Wildhaus-St. Johann im Toggenburg, kam 2018 durch ein politisches Referendum zu Fall. Dies zeigte uns, dass wir uns erst mit den der Schweiz eigenen Genen auseinandersetzen müssen. Im Fall Savognin war die Zusammenarbeit mit dem einheimischen Partnerinvestor, dem Holzbauunternehmer Enrico Uffer, sicherlich sehr hilfreich, um dieses Verständnis zu gewinnen. [RELATED]
Hat es ein ausländischer Investor demnach schwerer, die politischen Strukturen in der Schweiz zu durchbrechen und Gehör zu finden?
In der Schweiz bestehen eine sehr gut gelebte direkte Demokratie und eine starke Regionalität. Zwei Dinge, die eigentlich mit unserem Hotelkonzept sehr gut zusammenpassen. Aber es ist einfach so, dass sich das Umfeld anfangs um die Implikationen eines neuen Projekts sorgt. Bei einem weiteren Standort in der Schweiz wird es uns leichterfallen, uns durchzusetzen. Wir können künftig auf ein bestehendes Projekt vor Ort verweisen. Die Hemmschwelle, mit uns in Kontakt zu treten, wird dadurch geringer sein.
Somit bleibt es nicht bei dem einen Standort in der Schweiz?
Für uns ist klar, dass wir in der Schweiz weiter expandieren werden. In den nächsten fünf Jahren wollen wir an drei Standorten tätig sein. Das müssen nicht unbedingt neue Häuser sein, aber Projekte, die mit unserem Geschäftsmodell Familienferien gut zusammenpassen.
Unterscheidet der Gast zwischen einem ausländischen und einem einheimischen Investor?
Nach unserer Erfahrung spielt dies eine untergeordnete Rolle. Den Gast kümmert in erster Linie das Produkt, das Betreiberkonzept und die Idee dahinter. Im Familiensegment ist die persönliche Ausrichtung sehr wichtig. Je stärker diese ist, desto positiver fällt das Gästefeedback aus.
Wie haben Sie in Savognin die Schweizer als Gäste kennengelernt?
Die Anforderungen an die Hotelgastronomie sind in der Schweiz tatsächlich höher als an unseren anderen Standorten. Die Professionalität des Services spielt eine grosse Rolle. Buffets werden eher skeptisch betrachtet, wenngleich viele Gäste die Mischung aus Buffet und Service zu schätzen gelernt haben. Was uns besonders gefreut hat, ist, dass die Schweizer Gäste vorwiegend direkt bei uns online buchen und unsere Vorteile nutzen. Des Weiteren mag der Schweizer Kunde Gesamtpakete. Innerhalb der gesamten Jufa-Gruppe gibt es keinen anderen Standort, an dem wir so viele Packages verkaufen wie in Savognin.
Heisst das, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Hotel und den Tourismuspartnern gut läuft?
Die Zusammenarbeit mit den touristischen Partnern in der Region um Savognin funktioniert sehr gut. Generell besteht in der Schweiz aber meines Erachtens noch ein gewisses Potenzial in Sachen Partnerkooperationen. Aus der Kundenperspektive, gerade im Familiensegment, will man schliesslich wissen, wie man mit dem Urlaubsbudget zurechtkommt.
Die Schweiz ist kein Billigland.
Wenn man den internationalen Wettbewerb sieht, braucht es aber Überlegungen, wie man eine touristische Entwicklung auch nachhaltig absichern kann. Sonst gibt es auf längere Frist immer weniger Betriebe und Angebote, die zur Verfügung stehen.
63 Standorte in fünf Ländern umfasst die österreichische Hotelgruppe.
4500 Gäste werden durchschnittlich pro Tag in Jufa Hotels beherbergt.
1,6 Millionen Logiernächte werden pro Jahr bei Jufa Hotels registriert.
1500 Mitarbeitende aus gut 40 Ländern arbeiten bei Jufa Hotels.
90 Millionen Euro Jahresumsatz verbuchte Jufa Hotels vor Corona.
In Österreich hilft die öffentliche Hand massgeblich mit, die touristische Infrastruktur bereitzustellen. Muss die Schweizer Tourismuslobby stärker auftreten?
Dank dieser staatlichen Hilfe wurden in Österreich sicher viele touristische Projekte umgesetzt, von denen aber auch die einheimische Bevölkerung profitieren kann, das stimmt. Aber nicht nur. Es werden auch viele Projekte als regionale Zusammenarbeiten angestossen und umgesetzt. Vielleicht ist die Schweizer Tourismuslobby regional zu wenig vernetzt. In Österreich waren die Jufa Hotels beispielsweise an der Entwicklung von Bergbahn-Standorten beteiligt. Dies immer auch im Hinblick auf Schlechtwetterprogramme und zur Attraktivitätssteigerung der gesamten Branche.
Bereitet Ihnen als Gastgeber in der Schweiz der starke Franken für die kommenden Monate Sorgen?
In Bezug auf die Sommersaison und die europäischen Gäste stehen wir vor einer weiteren Hürde. Die internationalen Gäste werden uns fehlen. Der Grossteil des Geschäfts wird sich auf den Heimmarkt konzentrieren. Dabei spielen aber auch das durch die Pandemie veränderte Reiseverhalten und die erhöhten Rohstoffpreise eine Rolle. Reisen ist teurer geworden. Die gesamte Urlaubsbranche ist im Umbruch, aber nicht nur sie. Wir machen aktuell einen grossen gesellschaftlichen Wandel durch.
Spüren Sie als Investor auch erste Auswirkungen der erhöhten Rohstoffpreise?
Tatsächlich haben wir in diesem Jahr verschiedene Projekte zurückgestellt. Die Unsicherheiten waren zu gross. Teilweise erhielten wir nicht einmal mehr langfristig gültige Preise. Generell haben es aber Betriebe mit viel Investitionsrückstau besonders schwer. Für sie wird es unter den gegebenen Umständen kaum möglich sein, aufzuholen. Einige familiengeführte Betriebe werden dies nicht stemmen können. Aus Investorensicht aber könnte es durchaus interessant sein, dort anzuknüpfen.
Die Zeit erfordert, dass wir gewisse hierarchische Strukturen überdenken müssen
Gerhard Wendl, Gründer und Geschäftsführer Jufa Hotels
Vom Quereinsteiger zum Grossinvestor
Gerhard Wendl (59) gründete vor 31 Jahren die Jufa Hotels mit Sitz in Graz und agiert heute als deren Geschäftsführer. Den Anfang machten drei Standorte, heute sind es deren 63 in fünf europäischen Ländern, seit 2021 auch in der Schweiz, in Savognin. Damit ist Jufa Hotels die grösste österreichische Hotelkette. Gerhard Wendl fand über den zweiten Bildungsweg, nach einer abgeschlossenen Elektrikerlehre und einem Soziologiestudium, zum Tourismus. Mit der Beherbergungsbranche kam er zum ersten Mal in Jugendherbergen in Kontakt. Der Quereinsteiger hat nach eigenen Angaben im Tourismus ein Geschäftsfeld gefunden, das ihn begeistert und wo es nie langweilig wird. Seine Freizeit verbringt Gerhard Wendl gerne aktiv in der Natur, mit seiner Familie auch immer wieder im Urlaub in der Schweiz. nde
Während der Pandemie sagten Sie, dass Sie gestärkt aus der Krise herauskommen möchten. Ist dies gelungen?
Wir haben uns während des Lockdowns intensivst mit uns selbst auseinandergesetzt. In vielen gemeinsamen Prozessen haben wir zusammen mit unseren Mitarbeitenden verschiedene Themenbereiche definiert und somit unseren Zukunftsprozess gestartet. Wir haben die Zeit genutzt, das Fundament zur Stärkung zu bauen.
Was haben Sie aus diesem Mitarbeiteraustausch gelernt?
Die Zeit erfordert, dass wir manche hierarchischen Strukturen hinterfragen müssen. Das wichtigste Thema ist Wertschätzung. Wir müssen diese den Mitarbeitenden gegenüber nicht nur versprechen, sondern auch erlebbar machen. Die Wertemuster der Mitarbeitenden werden zusehends wichtiger. Geld ist untergeordnet, der Wohlfühlfaktor im Unternehmen wird immer wichtiger. Es spielt heute vermehrt eine Rolle, wo und für wen man arbeitet. Die offene Auseinandersetzung untereinander war diesbezüglich sehr wichtig und lehrreich. Auch wenn ich zugegeben zeitweise durch das Tal der Tränen gehen musste.
Wurden auch neue Arbeitszeitmodelle diskutiert?
Wir haben unsere Mitarbeitenden diesbezüglich befragt und kamen zum Schluss, dass es unterschiedlichste Wunschmodelle gibt. Aus ihnen allen einen Dienstplan zu bauen, wird eine grosse Herausforderung. Mitarbeitersysteme, wie sie vor 20 Jahren noch funktioniert haben, gibt es nicht mehr. Auch wenn man sich dies als alteingesessener Branchenvertreter so wünscht. Früher mussten die Mitarbeitenden flexibel sein, heute die Unternehmen und deren Chefs. Das Mitarbeiter-Sharing haben wir in der Hotelgruppe bereits in diversen Funktionen, auch in leitenden Positionen, erfolgreich umgesetzt. Die 4-Tage-Woche ist aber meines Erachtens kein Allheilmittel.
Wie kann das Branchenimage verbessert werden?
Die Chance der Branche kann nur sein, das Schöne am Beruf in den Vordergrund zu rücken. Wir Touristiker sind Meisterjammerer. Es werden vorwiegend Themen besprochen, die uns Sorgen bereiten. Diese Selbstgeisselung ist kontraproduktiv. Es gibt in unserer Branche nämlich durchaus auch Dinge mit Vorzeigecharakter. Dies habe ich auch dem neuen Präsidenten der Österreichischen Hotelvereinigung, Walter Veit, ans Herz gelegt. Mein grosser Wunsch ist es, auch das zu thematisieren, was gut läuft.
Was zum Beispiel?
Beispielsweise die Interaktion mit dem Gast auf der zwischenmenschlichen Ebene in einer Zeit von Homeoffice und Anonymität oder auch die Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung.
Wie sieht die Mitarbeiter-Demografie im Jufa Hotel in Savognin aus?
Zu Beginn haben die Schweizer Mitarbeitenden noch österreichisch gesprochen. Sicher war es auch coronabedingt schwierig, einheimische Mitarbeitende zu finden. Heute stammen von den 25 Mitarbeitenden in Savognin über ein Drittel aus der Region. Teilweise übernahmen wir Mitarbeitende, die bereits in der Jufa-Gruppe tätig waren.
Was ist für österreichische Fachkräfte ausschlaggebend, um in der Schweiz zu arbeiten?
Zum einen wird die Arbeit im Vergleich zum restlichen Europa in der Schweiz sicherlich besser bezahlt. In unserem Fall spielte es aber bestimmt auch eine Rolle, dass es sich beim Jufa Hotel in Savognin um ein neues Produkt handelt und die Mitarbeitenden an dessen Entwicklung mitwirken können.
Inwiefern wird der Fachkräftemangel Chance sein, die Digitalisierung in der Branche voranzutreiben?
Ich bin überzeugt, dass er dies sehr stark machen wird. Dadurch werden sich bestimmt verschiedene Berufsfelder verändern. Was sich aber in unserer Branche nicht verändern wird, ist die persönliche Kundenbetreuung. Ein Regionalitätskonzept kann nämlich nur mit viel Persönlichkeit funktionieren. Ich bin überzeugt, dass Ferienhotels mit automatisiertem Check-in nicht zukunftsfähig sind. Aber vielleicht ist es in der Zukunft so, dass aus einer klassischen Réceptionistin eine Urlaubsberaterin wird und der administrative Aufwand in den Hintergrund rückt.
In der Schweiz halten sich gemäss Tourismusmonitor die Familiengäste aus dem Ausland vorwiegend in den Städten auf. Welche Schweizer Stadt würde Sie als Investor reizen, zumal die Jufa-Hotelgruppe auch dieses Segment bewirtschaftet?
(lacht) Wir sind bislang in Wien, Salzburg, Bregenz und in Hamburg tätig. Somit beantworte ich diese Frage mit: Wir sind gerne am Wasser und in schönen Städten ...