Seid kreativer und mutiger denn je. Positioniert euch noch klarer. Kreiert so viele Erlebnisse mit so viel Emotion wie möglich. Und: kooperiert zahlreich mit- und untereinander. Diese Botschaften aus den Referaten, den Diskussionsrunden und den Gesprächen vom fünften Swiss Distribution Day (SDD) hallen nach wie kleine Mantras am Ende des Fachevents am Dienstagabend im Mövenpick Hotel in Zürich-Regensdorf. Die Schweizer Hotel- und Tourismusbranche hatte sich getroffen, um gemeinsam über nichts Geringeres als «Innovate or die!», also «Sei innovativ oder stirb!» zu sprechen – so nämlich das Motto der diesjährigen Ausgabe, das angesichts der bekannten Herausforderungen und Schwierigkeiten, denen sich die Branche zu stellen hat, so radikal und neu gar nicht ist. Umso erfreulicher war deshalb: Die Thematik wurde von den eingeladenen Referentinnen und Referenten sowie Gesprächspartnern positiv und mit viel Zuversicht angegangen. Die ersten Referenten des Tages waren Schweiz Tourismus-Direktor Jürg Schmid und Andreas Züllig, Präsident des Branchenverbandes hotelleriesuisse – und beide konzentrierten sich in ihren Reden darauf, konkrete Lösungsansätze und Best Practice-Beispiele zu zeigen als grosse Analysen zu liefern, was von den 240 anwesenden Hotelier und Touristikern spürbar dankend angenommen wurde.
Grosse Chancen: Volunteering und chinesischer Individualgast
Der Schweizer Tourismus wachse derzeit in allen Fernmärkten ausser in Europa, der Städtetourismus entwickle sich top, während im breiten Alpenraum der klassische «Countryside-Tourismus» kranke, begann Jürg Schmid. «Hier gibt es keine Alternative zu Innovation und Qualität.» Der Hotelier müsse immer mehr zum Erlebnisberater werden, denn «ein gutes Erlebnis mit Emotion schlägt den Preis.» Als Best-Practice-Beispiele für Innovation nannte er unter anderem die «Milestone»-Preisträgerin Cabriobahn, den ersten solarbetriebenen Skilift im Bündnerland oder die Swiss Premium Family Hotels, die sich etwa in puncto Distribution und Einkauf zusammentun. Als die nächsten grossen Trends und Chancen für die hiesige Branche nannte der ST-Chef das Volunteering-Segment und die wachsende Zahl der Individualgäste aus China. «Das wird ein riesen Thema, und hier ist die Schweiz top positioniert als ‹first mover› in diesem Markt.»
Auch hotelleriesuisse-Präsident Andreas Züllig zeigte sich in seiner Rede optimistisch und konzentrierte sich dabei auf Beispiele, wie mit gezielten Kooperationen Innovationen geschaffen und Kräfte gebündelt werden können. Hier nannte er unter anderem als Beispiel die Matterhorn Valley Hotels oder das neue HTW Chur-Projekt, bei dem 19 Saisonbetriebe Mitarbeiter-Sharing betreiben.
Laut Züllig steht generell ebenfalls das Erlebnis für den Gast im Vordergrund und vor allem eine Destinationsentwicklung als gemeinsamer Prozess aller Leistungsträger. Der Hotelier und Gastgeber im Hotel Schweizerhof in Lenzerheide gab in seiner Rede ausserdem zu bedenken, dass noch nie so viele Gäste in Schweizer Hotels übernachtet hätten wie 2014, diese aber weniger lang blieben und deshalb die Logiernächte rückläufig seien. Kurzferien und spontan angesetzte Ferien seien dank Online-Buchung und –Bewertung im Trend. «Man kann niemanden zwingen, länger zu bleiben. Aber man muss das Maximum davon herausholen», so Züllig – und führte als Beispiel das im «Schweizerhof» bewährte Late-Check-Out am Sonntag an, das von den Gästen sehr geschätzt werde.
Nach dem Juristen kommt Booking.com
Zu den weiteren Referenten gehörte auch Pascal Jenny, Direktor von Arosa Tourismus, der derzeit gerade mit seiner neu gegründeten Tourismuspartei im Gespräch ist. Auch bei ihm war viel Best Practice Thema, nämlich, wie man neben dem Arosa Humorfestival laufend auf neue Events setze, die auch in der neuen Zusammenarbeit mit der Lenzerheide Sinn machen. Jenny sah die Herausforderung vor allem im «Kampf» um den Schweizer Markt, wo jede Destination sich selbst beweisen muss, gegenüber dem internationalen Markt, wo man gemeinsam auftrete.
Erwähnenswert ist auch die gut gewählte Dramaturgie des Tages. Nach der Mittagspause sorgte der Walliser Zauberer und Comedian Lionel Dellberg für viele Lacher, bevor Jurist Peter Hense die Anwesenden vor der ernsten Thematik warnte, dass die mächtigen Buchungskanäle und Suchmaschinen den Kunden in der Preisbildung Vorteile vorgaukeln und die Hoteliers als Anbieter übervorteilen könnten. Dass direkt nach Hense ausgerechnet Edith Geurtsen, Regional Director für Deutschland, Zentral- und Osteuropa bei Booking.com, über das Unternehmen referierte und dessen neue Produkte Booking Now und Booking Suite vorstellte, war selbst für sie offenbar etwas grotesk: «Es ist nicht ganz einfach, nach so einem Vortrag an der Reihe zu sein», sagte Edith Geurtsen denn auch zum Einstieg ihrer Präsentation.
Überzeugt, dass Branche gestärkt aus der Krise hervorgeht
Zur perfekten Tagesdramaturgie hat übrigens auch ein perfekter Moderator in Bestform beigetragen: Stefan Klapproth. Er stellte die Referenten sehr fundiert vor, stellte die richtigen Nachfragen und machte originelle Überleitungen, die das Publikum oft mit schallendem Lachen verdankte.
Nebst den Herausforderungen mit den Online-Plattformen und der globalen Vernetzung war auch die Informationsflut über immer wieder neue elektronische Verkaufskanäle, welche eine erfolgreiche Positionierung auf dem wechselhaften Markt versprechen, ein Thema. Die SDD-Organisatoren Martina Müller (Swiss Sales Conferences) und Wilhelm K. Weber (Swiss Hospitality Solutions) zeigten sich überzeugt, dass die Branche gestärkt aus der Krise hervorgehen werde. Die Transformation auf den Märkten sahen sie als Chance, sich über Erneuerung und Innovationen erfolgreich zu verändern.
Nach einer spannenden Podiumsdiskussion zum Thema «Wird das Meeting-Geschäft automatisiert?» mit den Branchenspezialisten Björn Radde (Okanda), Tobias Tegetmeyer (Mice View), Malte Budde (Park Hyatt Zürich) Martina Müller (Swiss Sales Conferences) und Udo Lülsdorf (meetago) weihte der Kommunikator René Borbonus die Anwesenden zum Tagesschluss mit einer einnehmenden Rede in die Kunst überzeugender Kommunikation und gekonnter Rhetorik ein. Diesbezüglich gab er den Teilnehmern am Schluss einen Rat mit auf den Heimweg: «Wer noch grün ist, der kann wachsen. Wer sich schon reif denkt, beginnt schon zu faulen.» Ein Satz, der perfekt zur Zukunft von Hotellerie und Tourismus und zum diesjährigen SDD-Thema passt.
Weitere Informationen zum Programm und den Referenten:
Die htr hotel reuve ist Medienpartnerin des Swiss Distribution Day. Der 6. Swiss Distribution Day findet am 6. September 2016 statt.