«Neue Technologien in die Branche bringen – deshalb haben wir das HTF letztes Jahr lanciert», stellte Gastgeber Gery Nievergelt gleich bei der Begrüssung klar. Auch beim zweiten Hospitality Technology Forum am Mittwoch im «Swissôtel» Zürich-Oerlikon stand der praktische Nutzen für die Hoteliers im Vordergrund. Neben auf die Beherbergungsbranche zugeschnittenen Pitches und Podiumsgesprächen bot die Startup-Messe den rund 250 Fachbesucherinnen und -besuchern die Möglichkeit, direkt mit den Jungfirmen in Kontakt zu treten. «Der Hotelier ist von der Fülle der Lösungen überfordert. Wir haben deshalb nur bewährte Startups und Firmen eingeladen», so Moderator Ullrich Kastner.
Wie nachhaltig die Technologie bereits in naher Zukunft unseren Alltag verändern wird, legte Reto Ringger, Gründer und CEO der Globalance Bank, in seiner eindrücklichen Keynote dar. Der technologische Fortschritt mitsamt seinen Herausforderungen entwickele sich exponentiell. «In den nächsten 20 Jahren wird es so viel Innovation geben wie in den letzten 200 Jahren», so Ringger. Als das Telefon erfunden wurde, habe es noch 75 Jahre gedauert, bis die ersten 50 Millionen Nutzer Zugang zu der Technologie hatten. Beim Fernsehen seien es noch 22 Jahre, bei Facebook nur noch vier Jahre gewesen. Das Smartphone-Spiel «Pokemon Go» habe ganze 19 Tage gebraucht, um diese Schwelle zu überschreiten.
Wie soll die Hospitality-Branche auf den sich beschleunigenden Wandel reagieren? Ringger bemühte dazu den Erfahrungsschatz gleich zweier erfolgreicher Geschäftsmänner: Virgin-Gründer Richard Branson und Jack Ma, Gründer und Vorsitzender des chinesischen Mega-Konzerns Alibaba. Branson sehe immer dort eine Chance, wo es Ineffizienzen gibt. Sie böten die Chance für neue, interessante Geschäftsmodelle. Voraussetzung für den Erfolg sei freilich ein gut ausgebildeter Branchennachwuchs, dessen Kompetenzen auch in 30 Jahren noch nicht von der zunehmenden Automatisierung ersetzt wurden. Laut Ma müsse man deshalb in den Schulen Schlüssel-Fähigkeiten wie kritisches Denken oder Teamwork vermitteln, aber durchaus auch «brotlose» Bereiche wie Musik, Zeichnen oder Sport. Zitat Ma: «Alles was wir beibringen, muss anders sein als das, was die Maschine für uns tun kann.»
Nach Reto Ringgers Ausflug in die vielleicht nicht mehr so ferne Zukunft boten zahlreiche Branchenexperten und Unternehmer Lösungen für die heutigen Herausforderungen der Beherbergungsbranche. Für Kurzweil sorgten auch die vier über den Tag verteilten «Startup Battlegrounds», in denen je vier Jungunternehmen gegeneinander antraten und der fachkundigen Jury sowie dem Publikum innert wenigen Minuten ihr Produkt vorstellen durften. Anders als 2018 setzten die HTF-Organisatoren bei der Bewertung dieses Jahr auf Konstanz: Die dreiköpfige Jury bestand fix aus Sigi Gübeli (GM «Platzhirsch» Zürich), Michael Thomann (Geschäftsführer Thomann Hospitality) und Simon Lehmann (CEO AJL Consulting und Investor). Die drei Brancheninsider machten es den jungen Unternehmerinnen und Unternehmern nicht leicht und hakten bei jeder Ungereimtheit kritisch nach.
Vier innovative Sieger
Welche Startups am meisten überzeugten, entschied indes nicht die Jury, sondern das Publikum. Beim abschliessenden Apéro wurden die vier siegreichen Startups ausgezeichnet. In der Kategorie «Young Startups» setzte sich DialogShift durch, eine Art digitaler Concierge für die Hosentasche, dank dem Hotels über die gesamte Customer Journey hinweg mit den Gästen in Kontakt bleiben können.
Unter den «Swiss Startups» ging das personalisierbare «Reisebüro» The Trip Boutique als Siegerin hervor. Die Nutzer geben per App oder Website ihre persönlichen Reisepräferenzen ein und bekommen anschliessend massgeschneiderte Empfehlungen angezeigt.
In der Kategorie der bereits etwas erwachseneren «Grown Startups» konnte sich Bidroom die meisten Zuschauerstimmen ergattern. «We are the good guys», verkündete der sichtlich bühnenerfahrene Co-Gründer Michael Ros bei seinem Pitch selbstbewusst. Seine OTA verlangt anders als die Konkurrenten Booking oder Expedia keine Kommissionen von den Hotels. Stattdessen zahlen die Gäste eine Abo-Gebühr für den niedrigsten Preis.
Im vierten und letzten Battleground der «Established Companies» gewann OTA Insight. Der Cloud-basierte Dienst stellt Hoteliers benutzerfreundliche Business Intelligence Tools zur Verfügung, damit diese besser informierte Revenue Management- und Distributionsentscheidungen treffen können.
Das HTF 2019 sei sehr interessant, aber auch sehr dicht gewesen, wie Teilnehmerstimmen bestätigen. Jene, die sich von der Informationsfülle vielleicht etwas überrollt fühlten, tröstete Kastner: «Keiner kann alles machen. Aber wenn Sie ein oder zwei Sachen mit nach Hause nehmen, hat es sich schon gelohnt.» Beim lockeren Podiumsgespräch mit Volker Beduhn vom Hotel Bären Dürrenroth (BE) brachte er es in gewohnt salopper Art auf den Punkt: «Kleines Hotel, Problem erkannt, Problem gelöst, Geld gemacht. So einfach kann Digitalisierung sein. Es muss nicht immer gleich Künstliche Intelligenz oder Blockchain sein, es gibt auch ganz simple Lösungen.»
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