Das ausgehandelte Abkommen dürfte nun am 1. Januar 2021 in Kraft treten, wobei noch die Mitgliedstaaten ihre Zustimmung geben müssen. Für das EU-Parlament reicht eine rechtzeitige Ratifizierung jedoch nicht mehr, so dass das Abkommen lediglich provisorisch in Kraft treten kann.
Die Schweiz jedenfalls ist auf das Ausscheiden der Briten aus der EU vorbereitet. Denn bereits wenige Monate nach der Brexit-Abstimmung der Briten im Juni 2016 verabschiedete der Bundesrat seine «Mind the gap»-Strategie – mit dem Ziel, «die bestehenden gegenseitigen Rechte und Pflichten so weit als möglich zu sichern», schreibt das eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) in einem Infoblatt zum Brexit.
Dies hat sich nun ausgezahlt, selbst wenn der Deal zwischen Brüssel und London in letzter Minute doch noch platzen würde. So liegen Abkommen in den Bereichen Luft- und Strassenverkehr, Versicherung, Bürgerrechte, Migration sowie Handel zwischen der Schweiz und Grossbritannien auf dem Tisch, die am 1. Januar 2021 in Kraft treten können.
Mitte Dezember unterzeichneten Bern und London ausserdem ein befristetes Abkommen über die Mobilität von Dienstleistungserbringern, das den gegenseitigen Zugang und befristeten Aufenthalt von Dienstleistungserbringern wie Unternehmensberatern, IT-Experten oder Ingenieuren regelt.
Unabhängig vom Brexit wurde vor Kurzem ausserdem ein Polizeikooperationsabkommen zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus unterzeichnet.
Klar ist ausserdem, dass ab dem 1. Januar 2021 für Tiere und Tierprodukte aus Grossbritannien die Einfuhrbedingungen in die Schweiz wie für Staaten ausserhalb der EU. So etwa ist die Einfuhr von Fleisch oder Käse ist nicht mehr erlaubt. Andere Produkte wie Honig dürfen nur noch beschränkt eingeführt werden.
Beim Handel offene Punkte
Noch nicht definitiv geklärt ist hingegen die Koordinierung der Sozialversicherungen. Zurzeit liefen dazu noch Gespräche mit Grossbritannien, schreibt das EDA auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Ungeregelte Punkte gibt es ausserdem beim Handel. Zwar erlaubt das mit London ausgehandelte Wirtschafts- und Handelsabkommen «im Wesentlichen die Übernahme eines Grossteils der Abkommen mit der EU» in diesen Bereichen.
Da jedoch die Schweiz einige Vorschriften mit jenen der EU harmonisiert hat, etwa bei der Landwirtschaft und den technischen Handelshemmnissen, konnten Bern und London nicht alle Punkte regeln, solange das Verhältnis EU-Grossbritannien nicht geklärt ist.
Möglicherweise Handel verteuert
Fällt das mühsam ausgehandelte Abkommen zwischen Brüssel und London doch noch dem Veto eines EU-Staates zum Opfer, dann dürfte sich auch der Handel zwischen der Schweiz und dem Vereinigten Königreich verteuern, obwohl die beiden Länder ein Handelsabkommen abgeschlossen haben.
Denn so wie es aussieht, würden die Briten wegen des No-Deals aus der Paneuropa-Mittelmeer-Zone rausfliegen – einem Netzwerk aus Freihandelsabkommen mit gleichlautenden Ursprungsregeln, die den Handel vereinfachen. Ursprungsregeln bestimmen quasi die «Nationalität» von Waren: Also ob ein Produkt beispielsweise als schweizerisch gilt, obwohl «ausländische» Elemente mitverarbeitet wurden.
Oftmals enthalten nämlich in der Schweiz hergestellte Produkte auch Teile aus dem Ausland. Doch nur Produkte, welche die «Nationalität» der Vertragspartner haben, profitieren in Freihandelsabkommen von Zollerleichterungen.
Ausbau der Beziehungen
Die Schweiz muss nun die bestehenden Lücken schliessen und die Beziehung mit London weiter ausbauen. Denn das Königreich war «2018 der sechstwichtigste Absatzmarkt für Schweizer Warenexporte im Umfang von 8,8 Milliarden Schweizerfranken», heisst es im Bericht zur Aussenwirtschaftspolitik 2019. Für Schweizer Dienstleistungsexporte war das Königreich 2017 laut EDA «das drittwichtigste Zielland».
Gespräche mit den Briten laufen zurzeit über ein Abkommen im Finanzdienstleistungsbereich - gestützt auf eine von Bundesrat Ueli Maurer und vom britischen Schatzkanzler Rishi Sunak Ende Juni unterzeichneten «Gemeinsame Erklärung». Ende 2020 soll eine Zwischenbilanz gezogen werden.
Vereinbart worden war zudem, dass nach dem Brexit die Beziehungen zwischen den beiden Ländern ausgebaut werden sollen. «Es besteht ein beidseitiges Interesse an einer langfristigen Vertiefung der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen», heisst es im Infoblatt des EDA. Man führe Gespräche auf «unterschiedlichsten Ebenen». Eine vertiefte Zusammenarbeit bei der Bildung und Forschung dürfte ebenfalls im gegenseitigen Interesse sein. (Barbara Stäbler/Keystone-SDA)