Dies sagte er in einem Interview mit dem «SonntagsBlick». Zwar würden sich die Konzerne Pfizer/Biontech, Moderna und Janssen in einem Kopf-an-Kopf-Rennen befinden. «Bei einigen Punkten besteht Klärungsbedarf zur Wirksamkeit, Qualität und Sicherheit», betonte Bolte aber. Besonders bei den Altersgruppen der über 65-Jährigen und der zwölf bis 18-Jährigen fehlten noch zuverlässige Daten, hiess es. «Und wir wissen noch immer zu wenig, wie Personen mit Vorerkrankungen und Risikopatienten auf die Impfstoffe reagieren», sagte Bolte weiter.
Kommende Woche erwarte er ein Set von Daten, das Aufschluss über mögliche Nebenwirkungen gebe. «Wenn wir die Risiken für vorerkrankte oder ältere Menschen nicht klar benennen können, müssten wir zunächst von einer Zulassung für diese Bevölkerungsgruppen absehen», betonte Bolte. Damit würde aber der Schweizer Impfplan, der die Impfung für besonders vulnerable Personen an vorderster Stelle vorsieht, gefährdet.
Sommaruga verteidigt spätes Handeln
Weil die Fallzahlen der Infektionen mit dem Coronavirus nicht sinken, haben verschiedene Ostschweizer Kantone schärfere Corona-Massnahmen beschlossen. Die St. Galler Regierung verordnete etwa, dass Ansammlungen von mehr als zehn Personen im öffentlichen Raum, namentlich auf Plätzen, Spazierwegen und in Parkanlagen verboten sind. Dieselbe Regel gilt in den Kantonen Thurgau und Appenzell Ausserrhoden. Die am Freitag vom Bundesrat verabschiedeten Massnahmen zur Eindämmung des Virus begrüssen die drei Kantone.
Dabei gibt es von verschiedenen Seiten auch die Kritik am Bundesrat, dass er zu spät gehandelt habe. Darauf antwortete Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga in den Zeitungen «Le Matin Dimanche" und «SonntagsZeitung": «Hätte der Bundesrat früher gehandelt, wäre das nie akzeptiert worden. Denn die Unterschiede zwischen den Kantonen waren zu gross. Heute ist die Situation überall besorgniserregend, weshalb wir uns wieder einschalten", sagte sie.
Spitäler warnen vor Kollaps
Für viele Mediziner gehen Massnahmen des Bundesrates zu wenig weit. Fünf Schweizer Universitätsspitäler haben diese Woche laut der «SonntagsZeitung» eine Warnung bezüglich der Situation mit Coronavirus-Patienten an Bundesrat Alain Berset gesendet. In einem Brief hätten sie «grosse Besorgnis zur aktuellen Lage» geäussert.
Die Betten in den Intensivstationen würden knapp, das Pflegepersonal sei an seiner Belastungsgrenze angelangt und seit Oktober hätten die Unispitäler mehr als 4000 Operationen verschoben. Die Spitaldirektoren befürchten, dass es nach Weihnachten zu einer dritten Coronavirus-Welle kommt und, dass das Spitalwesen kollabieren könnte. In ihrem Brief an Berset verlangen sie ein strengeres Eingreifen des Bundesrates.
Auch der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektoren, Lukas Engelberger, forderte am Sonntag in einem Tamedia-Interview strengere Massnahmen. Den jetzigen Zustand noch wesentlich zu verlängern, hielt er angesichts der Lage in den Spitälern und den Massnahmen im umliegenden Ausland für unverantwortlich.
Berset nimmt Ruf der Spitäler «sehr ernst»
Gesundheitsminister Alain Berset reagierte auf den Hilferuf der Spitäler. «Ich denke, dass dies sehr, sehr ernst zu nehmen ist», sagte der Bundesrat im Westschweizer Fernsehen RTS.
Der SP-Bundesrat bekräftigte die Absicht, dass die Landesregierung am Freitag neue Massnahmen ankündigen werde, sollte sich die seit rund zehn Tagen wieder stärker grassierende Pandemie nicht abschwächen. Am Montag plant Berset eine Besprechung mit den Gesundheitsdirektoren der Kantone.
Hunderte protestieren gegen Massnahmen
In Teilen der Bevölkerung gehen aber die bestehenden Massnahmen bereits zu weit. Hunderte Menschen spazierten offenbar aus Protest gegen die Corona-Massnahmen am Sonntagnachmittag in kleinen Gruppen durch die Stadt Bern. Versammelt hatten sich die Teilnehmer der Aktion am frühen Nachmittag auf dem Bundesplatz. Ein Reporter der Nachrichtenagentur Keystone-SDA schätzte die Zahl der Anwesenden auf 500 bis 1000. Der Berner Sicherheitsdirektor Reto Nause ging davon aus, dass die Leute einem Aufruf von Komiker Marco Rima und anderen Kritikern der Corona-Massnahmen gefolgt seien.
Bereits am Samstag hatten mehrere hundert Wirte und Angestellte gegen die Massnahmen und die neue Sperrstunde um 19.00 Uhr demonstriert. Auf mehreren Plätzen der Innenstadt sorgten sie für Lärm mit Küchenutensilien – vom Kochtopf bis zum Schwingbesen. Zur Kundgebung aufgerufen hatte das «Kollektiv Gastrostreik Bern», dem sich bislang 140 Restaurant-Betreiber vor allem aus der Stadt Bern anschlossen.
Massentest in Graubünden
In Graubünden machten derweil tausende Menschen am ersten Massen-Schnelltest in der Schweiz mit. Laut Angaben vom Sonntagabend wurden dabei in Südbünden mindestens 15'000 Menschen getestet, bei rund einem Prozent fielt der Test positiv aus. Eine Rate von einem Prozent entspricht auf den gesamten Kanton gerechnet einem Total von 2000 Personen. Ziel für ein möglichst aussagekräftiges Bild der Coronavirus-Situation seien 20'000 Tests, hatten die Verantwortlichen im Vorfeld erklärt. Sie wollen am Montag Bilanz ziehen.
Die Flächentests sind laut dem Kanton eine Massnahme, Personen, die das Coronavirus möglicherweise unerkannt in sich tragen, zu isolieren. Die Schnelltests wurden an 23 Stationen im Engadin sowie in den drei Südtälern Bergell, Puschlav und Münstertal durchgeführt. (sda)