Anders als in der vorberatenden Rechtskommission konnte sich die bürgerliche Mehrheit in der grossen Kammer nicht durchsetzen. Die Fraktionen von SVP, FDP stimmten zwar geschlossen für Nichteintreten auf die Vorlage. Das Zünglein an der Waage spielte aber die gespaltene Mitte-Fraktion, die einige wenige Ja-Stimmen mehr abgab als Nein-Stimmen. Zusammen mit den Stimmen der geschlossenen Linken sowie der Mehrheit der GLP ergab sich ein knappes Ja.
Bereits im Sommer war das Rennen knapp. Das Parlament überwies schliesslich zwei entsprechende Motionen an den Bundesrat. Die Regierung erarbeitete darauf – gegen ihren Willen – das sogenannte Covid-19-Geschäftsmietegesetz.
40 statt 100 Prozent zahlen
Dieses sieht vor, dass Mieterinnen und Mieter sowie Pächterinnen und Pächter, die im Frühjahr von einer Schliessung oder starken Einschränkung betroffen waren, für die Zeit vom 17. März bis 21. Juni 2020 nur 40 Prozent des Mietzinses bezahlen müssen. 60 Prozent gehen zulasten der Vermieterinnen und Vermieter.
Der teilweise Mieterlass gilt, wenn der monatliche Nettomietzins maximal 20'000 Franken beträgt. Vom Gesetz ausgenommen sind Fälle, bei denen sich die Vertragsparteien ausdrücklich und einvernehmlich einigen konnten oder bei denen vor Inkrafttreten des Gesetzes ein rechtskräftiger Gerichtsentscheid vorliegt. Bei einem Miet- oder Pachtzins zwischen 15'000 und 20'000 Franken sollen beide Parteien mit einer einseitigen schriftlichen Mitteilung auf den Erlass verzichten können.
«Für viele überlebenswichtig»
Baptiste Hurni (SP/NE) hielt im Namen der Kommissionsminderheit eine flammende Rede für viele Beizer und weitere Geschäftsmieter im Land, die wegen der Corona-Pandemie in ihrer Existenz bedroht sind. «Das Gesetz ist für zahlreiche Unternehmen überlebenswichtig», sagte auch Ursula Schneider Schüttel (SP/FR). Viele Geschäftsmieter hätten noch keine Lösung für die Einnahmenausfälle im Frühling gefunden.
«Die Lage der KMU verschärft sich, eine Lösung ist dringender denn je», sagte Florence Brenzikofer (Grüne/BL). Eine faire Teilung der Mietlast sei im Interesse aller. Es brauche eine Bundeslösung, weil die Geschäfte vom Bund geschlossen worden seien.
«Laut der Gastrobranche stehen 100'000 Jobs auf dem Spiel», sagte Nik Gugger (EVP/ZH). Der mit dem Gesetz verbundene Eingriff in die Ansprüche der Vermieterschaft sei vor dem Hintergrund der schwierigen Lage vieler kleinerer und mittlerer Gewerbebetriebe angemessen, argumentierte Judith Bellaîche (GLP/ZH). Die Vorlage müsse nach Ansicht der Mehrheit der Grünliberalen im Detail aber noch verbessert werden.
«Niemand steht im Regen»
Philipp Matthias Bregy (CVP/VS) bezeichnete das Gesetz im Namen der Kommissionsmehrheit als «nicht verhältnismässig» und «nicht verfassungskonform». Ein Ja führe zu einer Ungleichbehandlung von Gewerbetreibenden und sei ein unzulässiger Eingriff in bestehende vertragliche Rechte. «Die Vermieter sind nicht immer die Reichen, die Mieter nicht immer die Armen», sagte Bregy.
Der Bund solle die arg gebeutelte Gastronomie vielmehr mit bestehenden Finanzhilfen unterstützen, argumentierte Pirmin Schwander (SVP/SZ). Er verwies auf verschiedene bestehende Corona-Wirtschaftshilfen wie die Covid-Kredite, die Kurzarbeit und die Erwerbsersatzentschädigung. «Niemand steht im Regen.»
Die Gegner des Gesetzes verwiesen auf einen kürzlich erschienenen Bericht des Bundesrats, wonach derzeit wenige Hinweise für umfassende Schwierigkeiten bei Geschäftsmietern bestehen. «Viele Mieter und Vermieter haben sich gefunden – mit individuellen und für beide Seiten tragbaren Lösungen», sagte Christa Markwalder (FDP/BE). Das Gesetz schlage dagegen eine «willkürliche Pauschalregelung vor», die kein probates Mittel sei.
Kommission berät Details
Das Geschäft geht nun zurück an die Nationalratskommission, welche die Vorlage im Detail beraten muss. In der Wintersession gelangt das Geschäftsmietegesetz erneut an die grosse Kammer. In trockenen Tüchern ist es längst noch nicht. Eine Ablehnung in der Gesamtabstimmung ist aufgrund der Knappheit des Eintretensvotums nicht ausgeschlossen.
Und auch im Ständerat wird der teilweise Mieterlass noch kontrovers diskutiert werden. SVP und FDP, welche die Vorlage auch dort ablehnen dürften, müssen rund einen Drittel der CVP-Ständerätinnen und -Ständeräte von einem Nein überzeugen, um eine Mehrheit zu haben. (sda)