Die kantonale Initiative will, dass in Zukunft der Kanton Genf die Entwicklung des zweitgrössten Flughafens der Schweiz «demokratisch» steuert. Dabei soll der Staat die wirtschaftlichen Interessen, die Umwelt und die Lebensqualität der Anwohnerinnen und Anwohner gleichberechtigt berücksichtigen.
Die Kontrolle soll durch den Grossen Rat erfolgen. Dieser soll regelmässig einen Bericht der Flughafendirektion erhalten, der über die mittel- und langfristigen Ziele Auskunft gibt. Das Kantonsparlament und damit das Volk sollen so eine Mitsprache bekommen. Die Initianten unterstreichen, dass sich die Zahl der Passagiere am Flughafen Genf innerhalb von 15 Jahren verdoppelt hat und im Jahr 2030 jährlich 25 Millionen Reisende anvisiert werden.
Schaden für Wirtschaft befürchtet
Wirtschaftskreise bekämpfen die Initiative vehement. Sie befürchten, dass ein solches «Korsett» der Wirtschaft und dem internationalen Genf massiv schaden würde.
Der Flughafen brauche Stabilität und dürfe nicht zum Spielball wechselnder politischer Mehrheiten werden, ansonsten bestehe die Gefahr, dass die internationalen Organisationen und multinationale Firmen abwandern würden, warnte etwa Ivan Pictet, Privatbankier und Präsident der «Stiftung für Genf». Er weist darauf hin, dass über 50 Prozent des Bruttoinlandproduktes des Kantons dem internationalen Genf zu verdanken sei. Jedes Jahr kämen 4500 Minister und Staatschefs sowie 220'000 Delegierte mit dem Flugzeug nach Genf.
Auf einen starken Flughafen sei neben dem internationalen Genf aber auch der private Sektor angewiesen. So spiele dieser nicht nur für die multinationalen Firmen, sondern auch für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der gesamten Romandie eine bedeutende Rolle. «Ohne ihn wäre die Stadt nur ein kleines Fischerdorf am See», meinte Thierry Moreno, Präsident von Spedlogswiss Romandie, der Westschweizer Sektion des Verbandes schweizerischer Speditions- und Logistikunternehmen.
Zürich, Basel und Lyon als Gewinner
Von 17,7 Millionen Passagieren im Jahr 2018 seien 4,4 Millionen Geschäftsleute gewesen. Sie hätten dem Kanton Genf durch Steuern und Taxen auf 95'000 Tonnen Luftfracht sechs Millionen Franken in die Kasse gespült, rechnete Moreno vor. Würden die Flüge von und nach Genf eingeschränkt, gäbe es mehr Lastwagenfahrten und die Flughäfen in Zürich, Basel und Lyon würden an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen.
Die Gegner der Flughafen-Initiative unterstützen einen vom Grossen Rat erarbeiteten Gegenvorschlag, der auch von der Kantonsregierung unterstützt wird. Dieser Weg sei viel pragmatischer, und der Gesetzesrahmen auf Bundesebene garantierte schon heute eine öffentliche Kontrolle des Flughafenbetriebs, heisst es auf Seiten der Gegner. Die Kantonsregierung zeigt sich überzeugt, dass die Autonomie des Flughafens und das Gleichgewicht zwischen den Interessen von Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft bewahrt werden sollte. (sda)