Insgesamt stimmten rund 1'413'600 Personen der Gesetzesvorlage zu, rund 827'400 Personen lehnten diese ab. Besonders hoch war die Zustimmung in der Westschweiz.
Das deutlichste Ja verzeichnete der Kanton Waadt mit 80,2 Prozent, gefolgt von den Kantonen Genf mit 76,3 Prozent, Jura mit 73,8 Prozent und Neuenburg mit 73,7 Prozent. In der Deutschschweiz lag Basel-Stadt mit 71,9 Prozent an der Spitze.
Ein Nein resultierte in drei Kantonen. Es handelt sich um die Kantone Appenzell-Innerrhoden (54,1 Prozent), Schwyz (51,7 Prozent) und Uri (51,1 Prozent). In den Kantonen Obwalden, Nidwalden, Glarus, Appenzell-Ausserrhoden und Thurgau sagte nur eine knappe Mehrheit Ja.
Erweiterung um sexuelle Orientierung
Mit der Zustimmung des Stimmvolkes wird nun die Anti-Rassismus-Strafnorm erweitert. Heute schützt Artikel 161bis des Strafgesetzbuches vor Diskriminierung und Hetze wegen der Zugehörigkeit zu einer Rasse, Ethnie oder Religion.
Wer dagegen verstösst, riskiert eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Das ist künftig auch bei Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung der Fall.
SVP und EDU dagegen
Dagegen stellten sich die SVP und die EDU. Bereits in den Umfragen zeigte sich jedoch, dass die Gegnerinnen und Gegner einen schweren Stand haben würden. In der letzten SRG-Trendbefragung sprachen sich
65 Prozent für die Vorlage aus, in jener von Tamedia 69 Prozent.
Das Ja ist nun etwas weniger deutlich ausgefallen, aber deutlicher als bei der Einführung der Strafnorm 1994. Damals hatten 55 Prozent Ja gestimmt.
Mit dem Ja setzt sich für die SVP eine Serie von Abstimmungsniederlagen fort: In den letzten Jahren scheiterte die Partei sowohl mit ihren Initiativen – zuletzt mit der Selbstbestimmungsinitiative – als auch mit Referenden wie jenem gegen die AHV-Steuervorlage oder das neue Waffenrecht, welche sie unterstützte.
Debatte über freie Meinungsäusserung
Der Abstimmungskampf drehte sich um die Meinungsäusserungsfreiheit und deren Grenzen. Die Gegnerinnen und Gegner einer Erweiterung der Strafnorm sprachen von einem «Zensurgesetz».
Meinungsäusserungsfreiheit umfasse das Recht, Dinge zu sagen, die anderen nicht passten, argumentieren sie. Dieses dürfe nicht eingeschränkt werden. Bei der Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verfing das Argument aber offenbar nicht.
«Hass ist keine Meinung»
Die Befürworterinnen und Befürworter betonten, auch für sie sei die Meinungsäusserungsfreiheit ein hohes Gut. Diese gelte aber nicht absolut. In der Verfassung stehe ebenso, dass die Würde des Menschen zu achten und zu schützen sei.
Man könne sich nicht auf die Meinungsäusserungsfreiheit berufen, um die Menschenwürde anderer anzugreifen. «Hass ist keine Meinung», lautete der Slogan dazu. Die Gesetzesänderung angestossen hatte der Walliser SP-Nationalrat Mathias Reynard. Der Bundesrat und das Parlament befürworteten diese.
Was ist noch erlaubt?
Bereits heute macht sich unter Umständen strafbar, wer Einzelpersonen oder klar definierte Gruppen herabwürdigt. Wer dagegen «die Homosexuellen» herabwürdigt, hat nichts zu befürchten. Das wird sich nun ändern.
Was genau noch erlaubt und was verboten sein wird, sorgte im Abstimmungskampf für Kontroversen. Die Auslegung wird Sache der Gerichte sein. Die Anti-Rassismus-Strafnorm hat in der heutigen Form zu durchschnittlich 24 Verurteilungen pro Jahr geführt.
Keine Leistungsverweigerung
Gemäss der Praxis des Bundesgerichts müssen die diskriminierenden Äusserungen öffentlich sein und vorsätzlich, damit sich jemand strafbar macht. Ausserdem müssen sie so heftig sein, dass sie den Kern der Menschenwürde tangieren. Witze am Stammtisch sind nicht betroffen, sofern Unbeteiligte nicht mithören müssen. Auch wer sich beispielsweise öffentlich gegen die Ehe für homosexuelle Paare ausspricht, riskiert keine Strafe.
Bestraft werden könnte dagegen Hetze gegen «die Homosexuellen» im Internet. Eine Strafe würde auch riskieren, wer jemandem aufgrund der sexuellen Orientierung eine Leistung verweigert, die für die Allgemeinheit bestimmt ist. Das könnte unter Umständen auch ein Lokal betreffen, das Heterosexuelle abweist.
Keine Sonderrechte
Die Gegnerinnen und Gegner sprachen von Sonderrechten für Homo- und Bisexuelle, obwohl jede sexuelle Orientierung unter die Bestimmung fällt. Allerdings sind vor allem Homosexuelle Hass und Gewalt wegen ihrer sexuellen Orientierung ausgesetzt. Deshalb sei mehr Schutz nötig, argumentierten die Befürworterinnen und Befürworter. Hass und Hetze bereiteten den Boden für physische Gewalt.
Das Thema «Homosexualität» wird die Politik weiterhin beschäftigen. Als nächstes steht im Parlament die Beratung zur Vorlage «Ehe für alle» an. Diese würde es gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglichen, eine Ehe zu schliessen. Heute können diese ihre Partnerschaft lediglich registrieren lassen. Zudem besteht in eingetragenen Partnerschaften kein Recht auf die gemeinschaftliche Adoption von Kindern. (sda)