Damit in absehbarer Zeit eine Weiterentwicklung möglich sei, würden die neuen Konzessionen für je zehn Jahre erteilt, schreibt das BAV in einer aktuellen Mitteilung. Die BLS erhält die Konzession für die beiden Interregio-Linien Bern - Biel und Bern - Burgdorf - Olten. Sie äussert sich entsprechend unzufrieden: Die Verfügung bleibe deutlich hinter dem zurück, was die BLS als Gesuch eingereicht habe, heisst es in einer Mitteilung. Der Verwaltungsrat der BLS werde abschliessend entscheiden, ob die BLS die beiden vorgesehenen Fernverkehrslinien ab Dezember 2019 bedienen werde. Er halte sich ausserdem die Möglichkeit offen, innerhalb der gesetzlich festgelegten Frist von 30 Tagen Beschwerde gegen den Verfügungsumfang einzureichen.
Die BLS hatte in ihrer Stellungnahme zur Konzessionsvergabe fünf Fernverkehrslinien beantragt. Es ging dabei neben den Interregio-Linien Bern - Biel und Bern- Burgdorf - Olten um die beiden Intercity-Linien Basel - Brig und Basel - Interlaken Ost sowie die Regio-Express Linie Bern - Neuenburg- La Chaux-de-Fonds. Nur als Paket könne die BLS die fünf Linien wirtschaftlich betreiben und die Einnahmen zugunsten der Fahrgäste und der öffentlichen Hand einsetzen, argumentiert die BLS. Die Konzession für die übrigen Linien und damit auch für das ganze Intercity-Netz geht erneut an die SBB. Die SBB wollen künftig die Südostbahn (SOB) mit dem Betrieb von zwei ihrer Linien beauftragen, nämlich der Gotthard- Bergstrecke sowie der Linie Chur-Zürich-Bern.
SBB bereiten Beschwerde vor
Obwohl es sich bei den zwei der BLS übertragenen Fernverkehrslinien nur um zwei kleinere Linien handle, werde ohne vorgängigen Einbezug der Politik ein verkehrspolitisch bedeutender Systemwechsel vollzogen, kritisieren die SBB. Sie bereiten eine Beschwerde vor, um offene Fragen zu den gesetzlichen Grundlagen und den langfristigen Auswirkungen auf Kunden, Bund und Kantone zu klären.
Das bisherige System basiere auf einer Einheitskonzession für den Fernverkehr. Die Politik habe sich in der Vergangenheit dahingehend geäussert, dass eine Mehrbahnenlösung im abgeltungsberechtigten Regionalverkehr anzustreben sei, nicht aber im Fernverkehr. Die Vergabe von Teilstrecken im Fernverkehr müsse somit vom Gesetzgeber zuerst entschieden werden.
BAV sieht Vorteile im Mehrbahnmodell
Aus Sicht des BAV überwiegen die Vorteile des Mehrbahnmodells, wie es in der Anhörung von etwa der Hälfte der Kantone und der grossen Mehrheit der übrigen Transportunternehmen begrüsst worden sei. Dieses habe bereits im Vorfeld der Konzessionsvergabe zu klaren Verbesserungen für die Passagiere und Steuerzahlenden geführt. So seien neue Direktverbindungen zwischen Chur und Bern vorgesehen. Auf der Gotthard-Bergstrecke werde entgegen der ursprünglichen Planung der SBB das Fernverkehrsangebot erhalten und ohne finanzielle Unterstützung von Bund und Kantonen verkehren.
Zwischen Chur und St. Gallen und zwischen Bern - Neuenburg - La Chaux-de-Fonds verkehrten Fernverkehrszüge anstelle von Regionalzügen. Die Züge im Fernverkehr würden künftig in aller Regel durch Zugpersonal begleitet. Dazu kämen weitere Verbesserungen wie Taktverdichtungen und der Ausbau des Verpflegungsangebots. Damit in absehbarer Zeit eine Weiterentwicklung möglich sei, würden die neuen Konzessionen für je zehn Jahre erteilt. Das BAV werde die rechtlichen Vorgaben für die Vergabe von Fernverkehrskonzessionen überprüfen und Vorschläge dazu unterbreiten, wie das Verfahren angepasst werden könne.
Entlastung um 75 Millionen für Steuerzahler
Für den Fernverkehr lasse das BAV den Bahnen einen grösseren finanziellen Spielraum als zunächst vorgesehen worden sei. Aufgrund der Rückmeldungen aus der Anhörung, namentlich jenen der SBB und des Preisüberwachers, werde der Deckungsbeitrag für das Intercity-Netz der SBB um 0,5 und für das Basis-Netz um sieben Prozentpunkte tiefer angesetzt, als im Rahmen der Anhörung vorgeschlagen worden sei.
Damit werde im Vergleich zu dem in die Anhörung geschickten Vorschlag der jährliche Gewinn der SBB aus dem Fernverkehr gemäss Plandaten um rund 50 Millionen Franken höher ausfallen. Durch die neue Festlegung des Deckungsbeitrags und die Umteilung einzelner Linien vom Regional- in den Fernverkehr würden die Steuerzahlenden bei Bund und Kantonen um insgesamt rund 75 Millionen Franken jährlich entlastet, schreibt das BAV weiter.
Kritik der Gewerkschaften
Die Gewerkschaften SEV und Transfair kritisierten das BAV. Mit der Aufteilung des Schienenfernverkehrs werde ein juristischer Krieg ausgelöst, der nichts als Unsicherheit bringe und dem aktuell reibungslos funktionierenden Bahnsystem nur schaden könne. Der SEV appelliert ein weiteres Mal an SBB und BLS, doch noch eine gemeinsame Lösung zu finden.
Für Transfair stellten die neuen Konzessionen reine Kostenverschiebungen und -vermehrungen dar. Zudem blende das BAV das betroffene Bahnpersonal völlig aus. Der «Pseudowettbewerb» führe wohl auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen. (sda/og)