Laut der Covid-19-Verordnung des Bundes seien Märkte keine Veranstaltungen, schreibt die Berner Stadtregierung in einer Mitteilung vom Freitag. Deshalb bestehe für den Veranstalter eine Pflicht zur Erarbeitung und Umsetzung eines Schutzkonzepts.
Zu einem solchen Konzept gehöre zum Beispiel, dass die Personenströme mit Bändern oder Markierungen gesteuert würden. Das sei am Zibelemärit mit seinen Zehntausenden von Besuchern unrealistisch.
«Ich weiss, Bern blutet das Herz, aber wir sehen leider keine andere Möglichkeit als die Absage»: So wird Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause in der Mitteilung zitiert. Der Berner Gemeinderat begründet den Entscheid auch damit, dass die Marktfahrer wissen müssten, ob der Markt stattfinde. Die Vorbereitungen begännen jeweils im Sommer.
Marktfahrer enttäuscht
Walter Stettler, Präsident des Vereins Berner Märit, sagte am Freitagmorgen, er sei enttäuscht über die Absage des Zibelemärits. Offensichtlich fehle heute vielen Leuten den Mut.
Der Verein habe der Berner Orts- und Gewerbepolizei vorgeschlagen, den Zibelemärit in diesem Jahr so durchzuführen, wie derzeit die Berner Wochenmärkte stattfinden: Also mit gut hundert Marktständen, welche – um Abstand zu schaffen – über die Innenstadt verteilt sind.
Glühweinstände hätte es gemäss diesem Konzept nicht gegeben, denn dieser Glühwein bildet laut Stettler heute für viele die Hauptattraktion des Zibelemärits. Zwiebelkuchen wären aber verkauft worden. Der dezentralisierte Berner Wochenmarkt funktioniere gut, so Stettler, der selber Marktfahrer und Obstbauer in Bolligen ist.
Dieses Konzept sei geprüft worden, sagt dazu Gemeinderat Nause auf Anfrage. Mit fehlendem Mut habe die Absage nichts zu tun, sondern mit Verantwortung. Der Gemeinderat gehe davon aus, dass wegen der Absage von anderen Schweizer Märkten in diesem Jahr – etwa dem Aargauer Rüeblimärit – mindestens gleich viel oder noch mehr Leute nach Bern geströmt wären als in anderen Jahren.
Die Tracing-Vorgaben des Bundes seien bei einem Freiluftanlass nicht umzusetzen gewesen, sagt Nause weiter. Berns Gemeinderat hat das Polizeiinspektorat beauftragt, Möglichkeiten zum Verkauf von Zwiebeln im Rahmen der Wochenmärkte zu schaffen. Gemeinsam mit den Marktfahrern soll das Inspektorat einen zeitlich und räumlich erweiterten Zwiebelverkauf organisieren.
Walter Stettler sagt dazu, die Marktfahrer müssten Mittel und Wege finden, die bereits geernteten Zwiebeln auf andere Weise loszuwerden. Er selber sei Obstbauer, habe aber ein Kontingent Zwiebeln im Seeland bestellt und werde versuchen, diese an seinem Wochenmarktstand zu verkaufen.
«Lebendige Tradition»
Der Zibelemärit findet stets am vierten Montag im November statt. Er geht auf das 19. Jahrhundert zurück, als Bäuerinnen aus dem bernisch-freiburgischen Seeland ihr Gemüse in Bern zu verkaufen begannen – und zwar zwei Wochen lang ab dem Martinstag am 11. November.
Mit der Zeit wurde dieser Markt zur Tradition, doch inzwischen ist der Zibelemärit längst mehr als ein Markt. Er ist heute eine Mischung aus Jahrmarkt und Volksfest. Seit 2011 figuriert er auf der Liste der lebendigen Traditionen der Schweiz, zusammen mit Anlässen wie der Basler Fasnacht, dem Engadiner Chalandamarz und dem Zürcher Sechseläuten.
Im vergangenen Jahr wurden am Zibelemärit 590 Stände aufgestellt. An 145 von ihnen wurden Zwiebeln verkauft, an den anderen beispielsweise Textilien, Schmuck, Keramik und Spielwaren. Der Zibelemärit beginnt jeweils offiziell um sechs Uhr morgens, doch erste Schaulustige und Kaufwillige sind jeweils schon um vier Uhr morgens unterwegs.
Aus dem In- und Ausland bringen jeweils Dutzende von Reisecars Besucher nach Bern. Auch Extrazüge werden geführt. (sda)