Bruno Bisig, wie oft und wo wandern Sie?
Ganz ehrlich, ich liebe das Schweizer Wanderland. Als Kind war ich oft in Graubünden unterwegs, als Jugendlicher habe ich in der Innerschweiz gewohnt und im Kanton Uri nahezu jede Wanderroute erkundet. Während meiner Lehrzeit haben wir eine achttägige Wanderung von Andermatt bis Davos unternommen über 14 Pässe. Heute, da wir in Lutry leben, sind wir eher in der Romandie unterwegs, besonders im Waadtland und Unterwallis. Die Region rund um den Grand Muveran finde ich unglaublich schön.
Letztes Wochenende waren wir im Refuge Giacomini, und weil unsere Kinder so begeistert waren, haben wir die Wanderung verlängert und sind am zweiten Tag noch 800 Höhenmeter abgestiegen. Die Schweiz Mobil App ist dabei für uns ein unverzichtbarer Begleiter – sie enthält alle Infos, die man als Wanderer benötigt.
Welche Erfahrungen machen Sie auf Ihren Wanderungen, insbesondere mit Bergbahnen, Hotellerie und Gastronomie?
Grundsätzlich habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Als Familie sind die Bergbahnen eine grosse Erleichterung. Allerdings fehlt es oft an Spontanität und Flexibilität. Es ist frustrierend, wenn man in eine volle Kabine einsteigen muss und dann aufgrund des Taktfahrplans noch extra warten muss. Das trübt das Erlebnis.
In der Romandie hat die Gastronomie einen höheren Stellenwert als in der Deutschschweiz, besonders in Berghütten. Doch das grosse Problem ist oft der einfache Zugang zu relevanten Informationen wie Öffnungszeiten. Wenn ich nicht sicher bin, ob ein Restaurant geöffnet hat, decke ich mich mit Proviant ein und gebe dann vor Ort kein Geld aus, weil ich nicht wusste, dass die Gaststätte offen ist.
Wanderer gelten oft als «billige Gäste», die ihr Picknick selbst mitbringen. Weshalb sollten sich Gastronomen trotzdem um sie bemühen?
Das sehe ich anders. Die Frage ist eher, ob Wanderer überhaupt die Möglichkeit haben, Geld auszugeben. Ich würde behaupten, dass alle Einkommensschichten wandern, es geht aber darum, entsprechende Angebote zu schaffen und diese bekannt zu machen, damit eben auch konsumiert werden kann. Ein Beispiel aus Lappland: In der Beratung fragen sich viele Touristen zuerst, was sie eine ganze Woche lang machen sollen. Gibt man dem Gast die Information zu den Angeboten und Erlebnissen, bleiben die Gäste länger und nutzen das umfangreiche Angebot vor Ort.
Wichtig ist, dass alle Informationen gebündelt und leicht zugänglich sind.
Wie kann die Branche das Potenzial des Wandertourismus besser nutzen?
Es geht um die Optimierung des Kundenerlebnisses. Wenn ein Unternehmen die gesamte Wertschöpfungskette, also Bergbahnen, Restaurants und Sportgeschäfte, kontrolliert, kann es das Erlebnis für den Kunden besser harmonisieren. Bei uns dauert der Abstimmungsprozess zwischen verschiedenen Anbietern oft zu lange.
Es wäre meines Erachtens sinnvoll, ganze Regionen thematisch zu gestalten, wie beispielsweise die Saumpfade am Gotthard, und dabei lokale Werte und die Kultur miteinzubeziehen. Diese Konzepte sollten auch dem Kunden vor Ort digital besser vermittelt werden, etwa über die Schweiz Mobil App, die Informationen zu lokalen Erlebnissen integrieren könnte.
Welche Empfehlungen haben Sie speziell für die Bergbahnen?
Die Bergbahnen sollten stärker mit Erlebnisangeboten zusammenarbeiten. Der Berg könnte selbst zum Erlebnis werden, sei es durch Action-Angebote oder lokale Verankerungen wie geschichtliche Führungen, etwa zu Wassermanagement oder Themen wie Trachten und Bräuche. Auch für Nicht-Wanderer sollte der Berg attraktiv sein. Wichtig ist, dass alle Informationen gebündelt und leicht zugänglich sind, am besten digital, zum Beispiel über die Schweiz Mobil App.
Diverse Hoteliers bieten bereits Wanderferien mit Picknick und Expertenbegleitung an. Was können sie zusätzlich tun?
Ich denke an das Modell von Expeditionsschiffen in der Arktis, wo neben dem Hotelbetrieb ein Expeditionsteam für das gesamte Erlebnis verantwortlich ist. Eine ähnliche Idee könnte ein Erlebnisdesk im Hotel sein, der von 15:00 bis 19:00 Uhr besetzt ist und den Gästen bei der Planung lokaler Erlebnisse des nächsten Tages hilft. Das erhöht die Wertschöpfung, weil Gäste besser informiert und zufriedener sind – und schlussendlich länger bleiben. Diese letzte Meile der Information wird oft vernachlässigt.
In der Romandie hat die Gastronomie einen höheren Stellenwert als in der Deutschschweiz.
Was können wir von Ihren Kollegen im hohen Norden lernen?
Im Wintertourismus bieten wir in Lappland Winterferien ohne Skipisten an. Es geht darum, alternative Erlebnisse zu schaffen, wenn das klassische Alleinstellungsmerkmal wie Schnee wegfällt. Regionen sollten sich auf das konzentrieren, wofür sie stehen, und das bewusst vermarkten. Kreativität ist gefragt, wenn es darum geht, neue USP zu entwickeln, wie etwa Klang-Erlebnisse oder kulturelle Themen.
Welchen zusätzlichen Tipp haben Sie für die Hospitality-Branche?
Investiert in Service-Orientierung. Oft wird viel in die Hardware investiert, aber weniger in die «Software», also den Service. Ein herzliches Willkommen und proaktive Angebote machen einen grossen Unterschied. Wenn der Service stimmt, sehen die Gäste über kleinere Schwächen in der Infrastruktur hinweg. Es braucht Schulungen und einen Fokus auf die Kundenbetreuung, um wirklich erfolgreich zu sein. (mm)
Wandergipfel in Gstaad
Bruno Bisig ist Teil des Programms am Schweizer Wandergipfel vom 19./20. September in Gstaad. Die Veranstaltung bietet eine Plattform für Austausch und Inspiration rund um den Wandertourismus. Experten und Branchenvertreter diskutieren über aktuelle Trends und Herausforderungen.