Nach eher mageren Jahren stand der touristische Hotspot St. Moritz vergangene Woche wieder einmal im medialen Scheinwerferlicht. Grund war der 100 Millionen Franken teure Polterabend des indischen Glamourpaars Ambani/Mehta, zelebriert mit 850 Gästen in einem riesigen Festzelt inklusive Chilbi und weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Gigantismus gab zu reden – und stiess auf Kritik.
Am deutlichsten wurde SonntagsBlick-Publizist Frank A. Meyer, der unter dem Titel «Fremde Herren» die Auswüchse des Luxustourismus geisselte. Die Schweiz erscheint ihm, dem streitbaren Republikaner, mittlerweile als ein «Resort für Milliardärsmigranten», gebildet aus «Oasen reicher und masslos reicher Fremder, denen die Schweizer vor allem als Zudiener begegnen: sauber, ehrlich, schnell, diskret, gefällig – wie man Domestiken nun mal gerne hat».
Frank A. Meyer übertreibt. Aber unsere Branche – und die lokale Politik – tun gut daran, sich mit derlei Kritiken auseinanderzusetzen. Wie am anderen Ende des Spektrums der Overtourism, ist auch der entfesselte Luxustourismus ein Reizthema, das die Öffentlichkeit beschäftigt. Und ohne gesellschaftliche Grundkonsense geht hierzulande wenig.
Natürlich ist unser Land und vor allem unsere faszinierende Bergwelt schon sehr lange ein beliebtes Reiseziel von Reichen. Sie gelten ja auch als die Begründer des Wintertourismus und somit des Wirtschaftswunders in den kargen Bergtälern. Schon immer haben Superreiche hier gerne gefeiert, in den Clubs oder Chalets von St. Moritz oder Gstaad. Dabei blieb man unter sich und pflegte die Diskretion.
Nun leben wir in einer Zeit, in der 1 Prozent der Weltbevölkerung mittlerweile mehr besitzt als die restlichen 99 Prozent. Rasend schnell hat sich eine neue globale Geldelite gebildet, die abgehoben in einer anderen Sphäre lebt und quasi ein Volk für sich bildet. Wo sich dieser Schwarm niederlässt, um eine Party zu feiern, ist schwer auszurechnen. Aber ja, die Kulisse muss schon stimmen, und es braucht gutes Personal, das diese Kulissen auf Hochglanz poliert und auf Wunsch auch verschiebt. Offensichtlich ist die neue globale Geldelite von St. Moritz angetan.
Und weil wir im digitalen Zeitalter leben, nimmt die ganze Welt an solchen Partys teil, ohne auch nur im Geringsten dazuzugehören. Die St. Moritzer Touristiker schwärmten von der ungeheuren Gratiswerbung. Gut so. Aber damit ist ihr Job noch nicht gemacht. Gerade in einer Gemeinde, wo sich der Normalverdiener die Mieten nicht mehr leisten kann, müssen sie zusammen mit der Lokalpolitik derlei Exzesse des Luxustourismus gut kommunizieren, in ein nachvollziehbares touristisches Konzept umwandeln und eine nachhaltige Wertschöpfung durchsetzen. Gute Touristiker sind heute Mediatoren. Sie wirken für das Gemeinwohl. Und das gefällt dann auch dem Republikaner Frank A. Meyer.