Das überraschende Defizit werde nach Rücksprache mit der Revisionsstelle über das Budget 2020 aufgefangen, schreibt die Engadin St. Moritz Tourismus AG (ESTM AG) in einer Mitteilung vom Freitag. Die Gemeinden als Aktionäre der ESTM AG müssen deshalb kein neues Kapital einschiessen.
Verwaltungsratspräsident Marcus Gschwend spricht dennoch von einer «unschönen und ärgerlichen Situation», die Mitte September zur Trennung vom bisherigen CEO geführt habe. Der Fehlbetrag sei erst durch die eingeleitete Reorganisation der Geschäftsleitung entdeckt worden.
Noch bis Mitte August waren die monatlichen Finanzreportings zuhanden des Verwaltungsrates von einem positiven Abschluss ausgegangen. Die massive Budgetüberschreitung sei in erster Linie auf mangelnde Führung durch den CEO zurückzuführen, heisst es in er Mitteilung weiter. Die Abklärungen zeigten überdies, dass Kompetenzen überschritten und Reglemente nicht eingehalten wurden. Strafrechtlich relevantes Verhalten liege nach den bisherigen Erkenntnissen jedoch nicht vor.
Das Aktienkapital der Engadin St. Moritz Tourismus AG beträgt 250'000 Franken, weshalb sich bei einem Defizit von 600'000 Franken die Frage nach der Überschuldung gemäss Artikel 725 des Obligationenrechts stellte.
Die Revisionsstelle, RBT AG St. Moritz, und der Verwaltungsrat kamen zum Schluss, dass das Risiko einer dauerhaften Überschuldung der ESTM AG nicht gegeben ist, da es sich um eine AG mit einem mehrjährigen öffentlichen Leistungsauftrag handelt und nicht um ein «normales» Unternehmen mit echter unternehmerischer Tätigkeit.
Um das Defizit abzubauen, sollen die Aufwendungen im Jahr 2020 entsprechend reduziert werden. Dadurch könne vermieden werden, dass die Aktionäre, also die Gemeinden, frisches Kapital aufbringen müssten, um die ESTM AG zu sanieren, hält die Tourismusorganisation weiter fest.
Im Gegenzug bedeutet dies allerdings, dass der finanzielle Handlungsspielraum der Tourismusorganisation im kommenden Jahr eingeschränkt werde und vorgesehene Kampagnen wie
beispielsweise «Sleep & Ski», ein gemeinsames Angebot der Beherberger (Hotellerie, Ferienwohnungsvermieter, Camping) und Bergbahnen, reduziert werden müssen.
Mit Befriedigung haben die Präsidenten der beteiligten Engadiner Gemeinden am Workshop vom letzten Dienstag davon Kenntnis genommen, dass der Verwaltungsrat zusammen mit der neuen Geschäftsleitung die Versäumnisse und Verfehlungen auf der operativen Ebene aufgearbeitet und die notwendigen Massnahmen eingeleitet hat. Dazu zählt auch eine bessere und transparente Kommunikation durch den Verwaltungsrat selbst. Ein neuer CEO soll bis Ende Januar bestimmt
sein.