Ernst (Aschi) Wyrsch, Präsident von HotellerieSuisse Graubünden. Er wohnt in Davos Wolfgang.
Der wirtschaftliche Schaden, den die Absage des WEF-Jahrestreffens im Januar 2021 für Davos, den Kanton Graubünden und die gesamte Schweiz – ich nenne hier stellvertretend den Flughafen Zürich – verursacht, ist immens. Für viele Leistungsträger ist diese Absage sogar existenzgefährdend, denn es besteht die Gefahr, dass das bedeutendste Wirtschaftstreffen der Welt einen Dominoeffekt auslösen wird und in der Folge weitere Leuchtturm-Events im Kanton Graubünden und der gesamten touristischen Schweiz abgesagt werden. Unabhängig davon hat das Fehlen des WEF-Jahrestreffens 2021 einen weitreichenden psychologischen Effekt, der nicht unterschätzt werden darf: Die globale mediale Aufmerksamkeit – nicht nur für die Region Davos, sondern für die Schweiz – wird zum Jahresstart 2021 massiv kleiner ausfallen. Ein winziges Virus hat das WEF zum Erliegen gebracht – und damit einen wirtschaftlichen Schaden verursacht, den weder die Hoteliers noch die anderen Leistungsträger auch nur ansatzweise werden kompensieren können.
Diese Absage ist für Davos aber auch eine Chance. Und zwar in dem Sinne, dass die Region lernen kann beziehungsweise muss, mit dem Klumpenrisiko umzugehen respektive dieses zu eliminieren. Wir müssen rasch neue Konzepte entwickeln und die grosse Nachfrage im Inland befriedigen. Die Hotellerie steht vor der Herausforderung, die Betten zu füllen – Interessenten sind zahlreich vorhanden, aber sie sind nicht bereit, die sehr hohen WEF-Preise zu zahlen. Ich wage dennoch zu behaupten, dass es im Winter 2020/21 bei den Schweizerinnen und Schweizern einen «Winterferien im Schnee»-Boom geben wird. Nicht nur Skifahrer, Snowboarder und Langläuferinnen, sondern auch Winterspaziergänger wird es in der kommenden Wintersaison in die heimischen Berge ziehen. Viele werden gar erstmals Winterferien im eigenen Land buchen und so zu einem Spitzenergebnis der Hotellerie beitragen. Ich bin zuversichtlich, denn die krisenerprobten Bündner Touristiker werden sich rasch neu ausrichten, auf Individualreisende aus den Deutschschweizer Kantonen setzen und das in diesem Bereich schlummernde Entwicklungspotenzial nutzen.
Bleibt die Frage, warum sich das WEF wirtschaftlich wie medial nicht einfach 1:1 ersetzen lässt. Wir müssen uns bewusst sein, dass die globale Ausstrahlung des WEF-Jahrestreffens einzigartig ist. Die Plattform, auf der sich die politische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Elite dieses Planeten begegnet, lässt sich nicht in die virtuelle Welt transferieren. Begegnungen im realen Leben sind ungleich bereichernder und nachhaltiger als virtuelle Meetings im Netz. Davos als Veranstaltungsort hat in all den Jahren massgeblich zum Erfolg des WEF-Jahrestreffens beigetragen. Wir Schweizer Touristiker haben dem WEF und den Davoser Leistungsträgern viel zu verdanken. Die weltweite positive Ausstrahlung des Events wird im Januar 2021 fehlen. Davos wurde nicht von einer anderen Destination ausgebootet, sondern von einem von blossem Auge nicht erkennbaren Virus. Und es besteht die Hoffnung auf eine Durchführung des WEF-Jahrestreffens in Davos im Frühsommer 2021 beziehungsweise im Januar 2022. Die frühzeitige Absage eröffnet den Davoser Leistungsträgern nun die Chance, ihre Hotelzimmer im Januar 2021 statt mit Kongressteilnehmern mit Feriengästen zu füllen.
Die Absage letzte Woche war ein Nackenschlag, ein heftiger sogar. Aber: Nur wer liegen bleibt, verliert. Davos wird aufstehen, sich der neuen Realität stellen und zumindest mittelfristig gestärkt aus dieser Situation hervorgehen.