Sonntagabend, Gleis 3 am Bahnhof Landquart. Der IC3 aus Chur fährt ein. Er ist gut ausgelastet. An die SBB-Doppelstockkomposition sind ganz hinten, im Sektor D, noch vier einfache Wagen angehängt. Mehr geht nicht, das Perron ist nicht lang genug. Zielstrebig steuere ich den hintersten Wagen an, dort findet man am ehesten noch einen guten Platz. Aber nicht so heute: Die Türen öffnen sich, doch an Einsteigen ist nicht zu denken. Mehrere Mountainbikes versperren mir den Weg. Ein junger Sportler eilt herbei und hievt mir Entschuldigungen murmelnd eines der Sportgeräte aus dem Weg. Zwar trägt der Wagen ein Fahrradsymbol, für mehr als eine Handvoll Velos hat es aber keinen Platz. Zu wenig jedenfalls für den Rückreiseverkehr aus den Bergen, an einem prächtigen Herbstwochenende wie diesem. Irgendwo zwischen einer Gruppe aufgekratzter Karohemdträgern und verschwitzten Bikern nehme ich Platz. Knie an Knie, Ellbogen an Ellbogen beginnt die Fahrt. Bevor der Zug ohne Halt nach Zürich fährt, steigen in Sargans weitere Heimkehrer zu. Ab jetzt wird gestanden.
Als Wochenpendler zwischen Bern und Graubünden kenne ich die Strecke genau. Gut ausgelastet sind die Züge am Wochenende immer. Doch seit einigen Monaten hat das Passagieraufkommen eine neue Dimension erreicht. Scharen von Bikern und E-Bikern, aber auch zahlreiche Seniorengruppen und Schulklassen machen die Reise zur Belastungsprobe.
Unsere Touristiker können sich auf die Schultern klopfen. Kaum eine Destination, die in den vergangenen Jahren keine Bike-Trails aus dem Boden gestampft hat. Aber die Touristiker haben die Rechnung ohne die SBB gemacht. Mag sein, dass in den Destinationen immer noch Luft nach oben ist, aber die Bahn ist am Anschlag. Der öffentliche Fernverkehr ist zum Flaschenhals geworden. Da kann das Wochenende noch so schön gewesen sein – der Dichtestress am Ende trübt die Freude. Daran kann niemand Interesse haben. Sorry, aber ich freue mich auf einen nasskalten November – und auf mehr Platz in den Zügen.
Lesen Sie auch den Meinungs-Artikel «SBB 1: ‹We apologize› von Chefredaktor Gery Nievergelt in der htr vom 1. November 2018.