Sie sind Freundinnen des guten Geschmacks, sie glauben an die Schweizer Hotellerie, und sie wollen sich – einmal mehr – verwirklichen.
Die Kosmopolitinnen Regula Brucker und Suzanne Gross, beide Absolventinnen der Ecole hôtelière de Lausanne, sind keine Unbekannten im Schweizer Gastgewerbe. Brucker führte nach namhaften Berufsstationen in der Hotelbranche während zweier Jahrzehnte bis 2019 gemeinsam mit ihrem Mann das renommierte 5-Sterne-Boutique-Hotel Widder in Zürich. Gross wiederum machte sich zuletzt als erfolgreiche Unternehmerin mit eigener Delikatessen-Produktionsfirma im Piemont einen Namen.
Nun, 64- und 58-jährig, wollen es die beiden Frauen noch einmal wissen. Seit März 2021 führen sie gemeinsam das Boutique-Hotel Signau House & Garden in Zürich. Ganz nach dem Motto: Es ist nie zu spät, mutig Neues zu wagen. Suzanne Gross: «Dieses Haus verdient es zu leben. Und wir selbst sind auch noch zu jung, um uns zur Ruhe zu setzen.»
An der Signaustrasse 6 entstand ein intimes, familiäres Guest-House im gehobenen Ambiente mit neun Doppelzimmern, einer 2-Zimmer-Suite und einem Kinosaal für 25 Personen. Die Hülle: eine über hundertjährige denkmalgeschützte Villa, einst Familienwohnsitz eines Seidenfabrikanten, heute im dreigeteilten Privatbesitz, inmitten eines geschäftigen Wohnquartiers oberhalb des Bellevueplatzes. Das Intérieur: gediegen, mit viel Charme und gepflegter Willkommenskultur. Ein Zuhause weg von zu Hause. Eine Oase der Erholung in der pulsierenden Metropole Zürich. [DOSSIER]
Management aus Frauenhand: Flache Hierarchien und klare Kommunikation
Dass Frauen auch und gerade in der Beherbergungsbranche in Führungsfunktionen untervertreten sind, ist ein offenes Geheimnis. Schweizweit gibt es gerade mal drei Hotels im 5-Sterne-Segment, die ausschliesslich von Frauen geführt werden. Mit ihrem Entscheid, das «Signau House» im Co-Management zu leiten, rücken Regula Brucker und Suzanne Gross somit unmissverständlich in eine Vorbildfunktion. Bewusst gesucht haben sie diese nicht. Wahrnehmen tun sie sie dennoch, verantwortungsvoll und mit grossem Berufsstolz. So besteht ihr Team ausschliesslich aus Frauen. Eine Betriebsstruktur, die sie zwar nicht aktiv verfolgt hätten, die aber sehr gut funktioniere, halten die beiden Gastgeberinnen fest.
«Wir pflegen in unserem Haus flache Hierarchien, eine klare Kommunikation und kurze Entscheidungswege. Unsere Zuständigkeiten sind klar geregelt. Suzanne und ich ergänzen uns wahnsinnig gut. Ein Glücksfall, würde ich sagen, denn ein Frauenteam ist kein Erfolgsgarant», sagt Regula Brucker.
Auch Suzanne Gross ist vom Managementkonzept Frauen-Tandem überzeugt: «Wir begegnen uns von Frau zu Frau auf Augenhöhe und respektieren einander. Wir machen uns gegenseitig nichts vor.» Und mit einem Schmunzeln fügt sie an: «Viele Männer können sich nicht vorstellen, dass dies unter Frauen überhaupt möglich ist.»
Wir markieren unsere Präsenz durchs Haus mit unserer weiblichen Note.
Regula Brucker, Co-Direktorin Signau House & Garden, Zürich
Über Durchsetzungsvermögen, Gleichberechtigung und Kompromissbereitschaft
Sowohl Gross wie auch Brucker haben sich während ihrer beruflichen Laufbahn immer wieder als Frauen behaupten müssen. Zwar hatten sie sich während ihrer Karrieren ihres Geschlechts wegen nie benachteiligt gefühlt, «sich durchsetzen» mussten sie sich aber allemal.
Während Suzanne Gross es sich gewohnt ist, in einem Frauenteam zu agieren – «damals im Piemont wurden unsere Einmachrezepte von Frau zu Frau weitergegeben und ausschliesslich von Frauen gekocht; und wenn uns mal ein Handwerker in der Küche fehlte, dann halfen wir uns entweder selbst oder mieteten uns einen» —, amtete Regula Brucker während über 30 Jahren an der Seite ihres Ehemannes Jan als Diréctrice. «Für mich war immer klar: Wenn man als Ehepaar ein Haus wie das Widder Hotel führt, muss einer von beiden am Schluss die Entscheidungen treffen. In unserem Fall war dies mein Ehemann Jan. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass ich dadurch nicht auch wesentlich Einfluss auf die Geschäftstätigkeiten nehmen konnte. Wir waren beide durchaus gleichberechtigt», so Brucker.
Direktionsehepaare wie sie und ihr Mann seien heutzutage, gerade im Luxussegment der Stadthotellerie, ein Auslaufmodell, bemerkt Brucker. Unter den führenden Luxus-Stadthotels in der Schweiz gibt es kein Haus mehr, das durch ein Ehepaar geführt wird. Zudem fällt auf, dass insbesondere die Direktionsetagen internationaler Betriebsgesellschaften mehrheitlich von Männern beherrscht werden. Suzanne Gross findet klare Worte: «Männer ziehen im Allgemeinen Männer nach. Das muss sich radikal ändern.»
Aus dem Dornröschenschlaf erwacht und stilvoll neues Leben eingehaucht
Wer über die geschwungene Treppe in die grosse Eingangshalle des «Signau House» gelangt, fühlt sich unmittelbar in ein englisches Herrschaftshaus versetzt. Dieses Gefühl wiederholt sich bei der Zimmerbesichtigung über zwei Etagen, in den stil- und massvoll eingerichteten Salons und erst recht hinter der verglasten, in weiss gehaltenen Veranda, dem Frühstücksraum oder beim Seerosenteich im Garten — einem weiteren Rückzugsort in dieser urbanen Wohlfühloase. Wohin man schaut, entdeckt man die elegante Handschrift der Gastgeberinnen. Regula Brucker: «Sagen wir es so: Wir markieren unsere Präsenz durchs Haus mit unserer weiblichen Note.»
«Dieses Haus lädt ein. Es nimmt dich in Empfang. Auch um Gastgeberin zu sein», resümiert Suzanne Gross ihren ersten Eindruck vom «Signau House». Für Regula Brucker bietet die einzigartige Ambiance die Möglichkeit, ihrer Berufung als Gastgeberin uneingeschränkt nachzukommen: «Dieses Haus ist wie dein eigenes Zuhause, in dem du Gäste willkommen heisst. Seine Intimität ermöglicht es uns, die Nähe zu den Gästen zu pflegen, ihre Bedürfnisse und ihre Reaktionen zu spüren. Das ist wichtig, auf so vielen Ebenen, für die Gastgeber wie die Gäste.»
Männer ziehen im Allgemeinen Männer nach. Das muss sich radikal ändern.
Suzanne Gross, Co.Direktorin Signau House & Garden, Zürich
Exklusivität und Persönlichkeit, vermehrt auch für das Zürcher Publikum
Der Grossteil der Stammkundschaft im «Signau House & Garden» sind Businessleute oder Privatreisende, welche die Ruhe als Ausgleich zum hektischen Berufsalltag schätzen. Doch soll das Haus künftig auch für eine breitere Klientel, insbesondere aus dem Raum Zürich, erlebbar und zugänglich werden.
Damit dies gelingt, nutzen die Gastgeberinnen ihren bewährten Geschäftssinn und ihr breites Netzwerk im Food- und Beverage-Bereich und schlüpfen immer wieder in die Rolle der Veranstalterinnen. Im Sommer beispielsweise organisieren sie regelmässig Chef’s Tables für maximal 40 Gäste. Aufstrebenden Kochtalenten wird dann die Plattform geboten, sich und ihre Kochkünste im persönlichen Rahmen dem Publikum vorzustellen. Das In-House-Cinema wiederum lädt zu öffentlichen oder privaten Filmabenden ein, wenn es sich anbietet und erwünscht ist auch mit zum jeweiligen Film abgestimmtem Catering.
«Die Gäste suchen wieder vermehrt die Intimität, den Kontakt und den persönlichen Service zum und vom Gastgeber. Das Erlebnis im kleinen Kreis», sagt Suzanne Gross. Dieser Trend spielt den Gastgeberinnen und ihrer Geschäftsphilosophie, der familiären Gastlichkeit, in die Hände. Ideen haben die Hotelièrene noch viele. Die entsprechenden Freiheiten, diese zu verwirklichen, nehmen sie sich intuitiv heraus und lassen sich nicht unter Druck setzen.
«Jetzt gilt es, den Betrieb zu stabilisieren, ohne ihn dabei zu überfordern», sagt Regula Brucker. Mit ihrem Neubeginn sind die Zürcher Hotelièren bestes Beispiel für die weiblichen Ambitionen und den Erfolgswillen innerhalb der Branche.
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Steckbrief Suzanne Gross
- Alter: 64
- Beruf: Hotelière
- Was ich mag: Mehr zu bieten, als erwartet wird
- Was ich nicht mag: Übertriebener Luxus
- Was ich werden wollte: Immer Gastronomin oder Hotelière
- Was ich verpasst habe: Nichts. Meine Wünsche gingen fast immer auf.
- Darüber muss ich lachen: Einen smarten Witz
- Auf diese Eigenschaft könnte ich verzichten: Ungeduld
- Im nächsten Leben werde ich …: das Gleiche.
Steckbrief Regula Brucker
- Alter: 58
- Beruf: Hotelière
- Was ich mag: Als beruflicher Ausgleich Zeit mit der Familie verbringen
- Was ich nicht mag: Leute, die einem vorgaukeln, «etwas zu sein»
- Was ich werden wollte: Immer schon Hotelière
- Was ich verpasst habe: Ich bin glücklich mit dem, was ich erlebt und erreicht habe.
- Darüber muss ich lachen: In unserem Beruf gibt es unzählige schöne Momente, über die man sich freuen und lachen kann.
- Auf diese Eigenschaft könnte ich verzichten: Meine Rastlosigkeit
- Im nächsten Leben werde ich …: dem Tag mehr als 24 Stunden einräumen.