Daniel Beerli, ab diesem Jahr gilt für die Mitgliederhotels von HotellerieSuisse keine Klassifikationspflicht mehr. Warum dieser Schritt?
Wir fördern die unternehmerische Freiheit, indem wir die Pflicht in ein Recht umwandeln. Der Grund für die Umsetzung einer Klassifikation soll nicht die Mitgliedschaft sein, sondern eine Überzeugung der Unternehmen.
Hat man nicht Angst, dass die Sterne noch mehr an Bedeutung verlieren?
Die Bedeutung ist meiner Ansicht nach nie geringer geworden, sondern einfach anders. Möglicherweise ist die Bedeutung einer unabhängigen und nicht selbstdeklaratorischen Klassifikation im heutigen Internet- und Bewertungsdschungel als Qualitätskompass sogar noch grösser geworden. Die Aussage der Sterne ist eine internationale Sprache und eine klare Richtlinie für Gäste und Partner. Klassifikationssysteme werden von anderen Ländern nicht abgeschafft, sondern eher neu eingeführt. Diesbezüglich beraten wir beispielsweise Aserbaidschan beim Aufbau eines Klassifikationssystems.
Aber es werden künftig wohl weniger Hotels sein, die sich klassieren lassen.
Das ist nicht sicher. In Deutschland ist der Anteil der Hotels, die klassiert sind, trotz Freiwilligkeit gleich gross wie heute in der Schweiz, wo zurzeit beim Verband noch eine Klassifikationspflicht besteht. Natürlich werden wir gefordert sein und Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Die Sterne sollen ein verlässliches Gütesiegel sein: Die weltweit grösste Buchungsplattform Booking verwendet aber Sterne ungeachtet der offiziellen Klassifikation. Was macht HotellerieSuisse dagegen?
In der Schweiz ist das Wettbewerbsrecht weniger streng als in Deutschland, wo Booking sich nach der offiziellen Klassifikation richten muss. Die Praxis von Booking fördert deshalb in der Schweiz einen nicht akzeptablen Gütesiegel-Wildwuchs, welcher meiner Meinung nach nahe an einer Konsumententäuschung ist. Die Möglichkeit des Verzichtes auf die Klassifikationspflicht wird diese Situation in der Schweiz aber sogar verbessern. Denn jeder Mitgliedsbetrieb, der auf die Klassifikation verzichtet, geht damit auch die Pflicht ein, konsequent auf die Publikation der Sterne zu verzichten. Dies gilt dann auch für Booking.
«Klassifikation wird von anderen Ländern nicht abgeschafft, sondern neu eingeführt.»
Daniel Beerli, HotellerieSuisse
Wenn das ein Betrieb nicht will, kann er immer noch den Verband wechseln.
Bezüglich der Klassifikation sind wir in Verhandlungen mit Gastrosuisse.
Auch wenn ein Mitgliedsbetrieb auf die Klassifikation verzichtet, muss er sich einem Audit unterziehen. Faktisch ist also jeder Mitgliedsbetrieb klassiert, auch wenn er keine Sterne tragen möchte.
Genau. Die Mitgliedschaft bei HotellerieSuisse kostet das Mitglied, ob klassiert oder nicht, gleich viel. Die Qualitätshürde für eine Mitgliedschaft bei HS bleibt also bestehen, da der Verband diejenigen Betriebe vertreten will, die nachhaltig operieren.
Ob ein Betrieb gut arbeitet, entscheidet der Markt. Wieso braucht es hierfür noch das Urteil eines Verbandes?
Wir verstehen unsere Tätigkeit als Basis und sehen unser Audit als Unterstützung. Das Audit führt also zu Hinweisen oder Auflagen, bevor diese Mängel von den Gästen bemerkt werden und zu schlechten Bewertungen führen. Eine Klassifikation ist keine Erfolgsgarantie.
Das Klassifikations-Audit beurteilt in erster Linie Hardware. Was ein passender Ausstattungsstandard ist, weiss ein Hotelmanager in der Schweiz normalerweise.
Diese Aussage trifft zu einem grossen Teil zu. Rund 10 Prozent der Betriebe können deshalb mittels «Quick-Entscheid» klassiert werden und weitere rund 60 Prozent können direkt klassiert werden. Es ist aber eine Tatsache, dass rund ein Drittel der Klassifikationen über einen Vorentscheid läuft. Konkret heisst das: Diese Betriebe weisen Mängel auf, die aus Sicht der Gäste behoben werden müssen. Die Audits berücksichtigen aber teilweise auch Dienstleistungen. Die Gästebewertungen sind zudem Bestandteil der Vorbereitung und des Abschlussgesprächs.
Was passiert mit all jenen, die in kein Raster passen und heute als Swiss Lodge eingestuft werden?
Sie werden nach bestimmten Leitlinien, welche sich an der Klassifikation ausrichten, in die Kategorie zugeteilt, in die sie am ehesten passen. Nach der Klassifikationsstufe richtet sich ja auch der Mitgliedersockelbeitrag. Damit wollen wir das System solidarischer gestalten. Heute zahlen nämlich Swiss-Lodge-Betriebe weniger.
Was wird bei der nächsten Klassifikationsrevision, die ab 2021 gilt, neu?
Der Kern bleibt gleich. Das System wird aber einfacher, da gegen 10 Prozent der Kriterien gestrichen werden. Zudem wird das System transparenter, da die Punktevergaben pro Kriterium – also der Wert pro Kriterium – nachvollziehbarer werden. Und das System wird unternehmerisch freier, indem die Kriterien viel offener formuliert sind.
Soll die Klassifikation flexibler werden um Marktentwicklungen besser abzubilden?
Die Marktentwicklung passiert eher weniger bei den Basisanforderungen an Stuhl, Bett und Dusche, sondern mehr bei den neu entstehenden Beherbergungsarten. Deshalb setzten wir – neben der offenen Formulierung bei den Kriterien – auf weitere Klassifikationssysteme, wie diejenigen für die Serviced Apartments. Damit nehmen wir auch europaweit eine Vorreiterrolle ein. Die Gästebewertungen werden wir weiterhin als Werkzeug für die Audits nutzen. Wie weit diese vermehrt in die Klassifikation einfliessen, ist noch Gegenstand der aktuellen Diskussionen. Wir können uns vorstellen, dass die Bewertungen die Integration der Qualitätsmanagementsysteme ablösen könnten.
Mehr zum Thema Hotelklassifikation im Artikel «Gast richtet sich nach den Sternen» erschienen in der htr hotel revue vom 23. Januar 2020.
Gudrun schlenczek