Die kleine Kammer nahm am Montag die Motion ihrer Wirtschaftskommission mit 24 zu 19 Stimmen an. Der Nationalrat muss noch darüber befinden.
Die Wirtschaftskommission des Nationalrats hat bereits eine Motion eingereicht mit der Forderung, dass die Mieter während des Lockdown nur 30 Prozent der Miete schulden. Diese Pauschallösung für sämtliche Mieter lehnt die Ständeratskommission ab.
Verhärtete Fronten
Der teilweise Mieterlass war dagegen erfolgreich. Er entspricht einem Vorschlag des Verbands Immobilien Schweiz (VIS), der die institutionellen Immobilieninvestoren vertritt. Dieser hatte sich in die verfahrene Diskussion um die Geschäftsmieten eingeschaltet.
Der Streit zwischen Mieter- und Vermieterschaft schwelt seit Wochen. Während die vom Lockdown betroffenen Geschäfte die Löhne ihrer Angestellten mit Kurzarbeitsentschädigungen decken können, bleiben sie auf den Kosten für die Miete sitzen. Eine von Bundesrat Guy Parmelin eingesetzte Arbeitsgruppe brachte keine Einigung zu Stande. [RELATED]
Umsatzeinbruch vorausgesetzt
Der Ständerat will nun handeln: Der zweimonatige Mieterlass soll für Kleinunternehmen und Selbstständigerwerbende gelten, deren Bruttomiete den Betrag von 5000 Franken pro Monat nicht übersteigt. Die Nebenkosten wären weiterhin geschuldet. Voraussetzung für einen teilweisen Mieterlass ist, dass der Betrieb aufgrund der Corona-Krise im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 50 Prozent zurückgegangen ist.
Von der Lösung sollen gezielt nur kleinere Unternehmen profitieren. Bei Mieten über 5000 Franken soll es ausschliesslich Sache der Mietparteien sein, sich privatrechtlich zu einigen. Der Ständerat will aber Anreize für die Parteien schaffen: Einigen sich Vermieter und Mieter darauf, die geschuldete Miete auf einen Drittel zu reduzieren, übernimmt der Bund für die Dauer von zwei Monaten ein Drittel, höchstens aber 3000 Franken, der Bruttomiete.
Keine Pauschallösung
Mit der von ihr vorgeschlagenen Lösung könne ein rückwirkendes Eingreifen in bestehende Vertragsverhältnisse zwischen Mieter und Vermieter zu grossen Teilen vermieden und eine einvernehmliche Lösung zwischen den Vertragsparteien gefördert werden, argumentierte Kommissionssprecher Christian Levrat (SP/FR).
Die Finanzkommission des Ständerats beantragt für die Umsetzung vorsorglich einen Nachtragskredit von 50 Millionen Franken. Über diesen entscheidet die kleine Kammer am Dienstag.
«Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit»
Eine Minderheit wehrte sich vehement gegen staatliche Eingriffe bei den Geschäftsmieten. Brigitte Häberli-Koller (CVP/TG) bezeichnete den Vorstoss als Zwangsregelung mit zahlreichen Ungerechtigkeiten. Die Motion greife unverantwortlich stark in Eigentumsrechte der Liegenschaftsbesitzer ein.
Zudem sei die Lösung willkürlich und schaffe Ungerechtigkeiten auf beiden Seiten. Beispielsweise werde keinerlei Rücksicht genommen auf die finanzielle Situation der Parteien.
Auch Hansjörg Knecht (SVP/AG) warnte vor den Folgen. Jene Vermieter, die den Zins freiwillig reduziert hätten, würden nicht belohnt. Zudem seien Mieterlasse eine staatlich angeordnete Enteignung. «Es geht hier um einen schwerwiegenden Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit, um zentrale Werte unserer Wirtschaftsordnung.»
Gerichte sprechen wohl auch mit [DOSSIER]
Der Bundesrat lehnte es bisher ab, in den Streit einzugreifen. Er hat lediglich die Nachfrist für die Bezahlung fälliger Mieten auf drei Monate verlängert. Ein verordneter Mietzinserlass stelle aber einen weitreichenden staatlichen Eingriff in bestehende Vertragsverhältnisse von Privaten dar, wie Wirtschaftsminister Parmelin sagte.
Der Bundesrat erinnert auch daran, dass die Mieteinkünfte zur Deckung der Liegenschaftskosten notwendig sind. Eine generelle Herabsetzung der Miete in einer grossen Anzahl der Fälle widerspreche dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit.
Auch wenn die Politik den Streit entschärfen kann, dürfte die Frage der Geschäftsmieten noch die Gerichte beschäftigen. Aus Sicht des Mieterverbands handelt es sich bei der behördlich angeordneten Betriebsschliessung nämlich um einen Mangel an der Mietsache, für den der Vermieter aufkommen muss. Das Bundesgericht hat sich dazu noch nicht geäussert. Zur Diskussion steht auch, ob allenfalls die öffentliche Hand Entschädigung leisten muss. (sda)