Benelux hat sich im Jahr 2022 stark zurückgemeldet und erreicht Vor-Pandemie-Werte. Digitale Kampagnen bringen Gäste in die Schweiz, genauso wie historische und kulturelle Bezüge.
Seit letztem Jahr fährt wieder ein Nachtzug direkt von Amsterdam nach Basel. Das «Eingangstor zur Schweiz» wird damit für niederländische Gäste noch attraktiver. 2022 zählte Basel Tourismus knapp 40 000 Logiernächte aus den Niederlanden. Innerhalb von Benelux ist der niederländische Markt für Basel somit wichtiger als der belgische.
2,6 Nächte blieben die Gäste aus Benelux 2019 durchschnittlich im Hotel.
Berge nannten 11,5 Prozent als Hauptgrund für ihre Reise.
10,4 Prozent nannten Skifahren und 7,7 Prozent die Familienfreundlichkeit.
140 Franken gaben die Reisenden gemäss «Tourismus Monitor Schweiz 2017» im Schnitt täglich aus.
38,5 Prozent der Benelux-Gäste übernachteten während ihrer Ferien im Hotel.
Basel liege aber nicht nur für niederländische Städtereisende günstig, sondern auch für Durchreisende, betont Christoph Bosshardt, Stellvertretender Direktor und Marketingleiter von Basel Tourismus.:«Es ist für sie der perfekte Stopover auf dem Weg in den Süden.»
Bei den «tendenziell preissensiblen» Niederländern seien passende Angebote wichtig. Die Basel Card, die alle Übernachtungsgäste kostenlos erhalten, komme gut an. Damit können unter anderem alle Museen zum halben Preis besucht werden. Das Marketing von Basel Tourismus richtet sich bei allen Zielmärkten an ein kunst- und architekturaffines Publikum. Es gibt aber auch Kampagnen speziell für den Markt Niederlande.
Glaubwürdige Influencer
Beim Onlinemarketing setzt Basel Tourismus Kanäle ein, die der jungen kulturaffinen Zielgruppe entsprechen. 2022 kooperierte man mit zwei niederländischen Reise-Influencern. Ihre Followerzahlen liegen im fünfstelligen Bereich. «Wir arbeiten gerne mit solchen Micro-Influencern zusammen. Sie haben eine hohe Glaubwürdigkeit und treue Follower», erklärt Christoph Bosshardt.
Noch besser sei, wenn sie auch bloggten, da Blogs nachhaltiger seien als andere Posts. Der Blog der beiden Niederländer, «We are Travellers», hat eine Reichweite von 300 000 Unique Visitors. 2022 fand auch die Kampagne mit dem niederländischen Lifestyle-Magazin «Zin Magazine» statt. Zwei grosse Fotos auf einer Doppelseite zeigten Basler Museen mit jungen Leuten davor. Titel des Beitrags: «Culturele hotspot aan de Rijn». Der Beitrag erschien online, auf Facebook und Instagram. «Die Zahlen konnten sich sehen lassen: Wir erreichten damit rund drei Millionen Kontakte in den Niederlanden», resümiert Bosshardt.
Wir arbeiten gerne mit Micro-Influencern zusammen. Sie haben eine hohe Glaubwürdigkeit und treue Follower.
Christoph Bosshardt, Stellvertretender Direktor und Marketingleiter Basel Tourismus
Auch über die Ferienregion Engadin-Scuol-Zernez wird in den Niederlanden berichtet. Die Artikel niederländischer Journalisten erscheinen beispielsweise in der Bergsport-Fachzeitschrift «Hoogtelijn». «Solche Medienreisen ermöglichen eine breite Präsenz zu vergleichsweise tiefen Kosten», weiss Roger Kreienbühl von der Tourismus Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG. Zwar lasse sich der genaue Werbeeffekt nicht messen, doch führten die Publikationen zu erhöhter Aufmerksamkeit.
Der Markt Benelux ist für die Region der zweitwichtigste Auslandsmarkt. Wie in Basel kommen mehr Niederländer als Belgier. Im Winter sei Schlittschuhlaufen auf dem Eisweg Engadin bei Sent bei den Niederländern sehr beliebt. Aber auch die rätoromanische Kultur begeistere sie.
Roger Kreienbühl bezeichnet die Niederlande als «speziellen Markt», was kulturelle und historische Gründe hat. Jedes Jahr findet im Engadin das Piz Amalia Music Festival statt. Eingeladen sind Nachwuchsmusikerinnen und -musiker des Königlichen Konservatoriums in Den Haag. Sie treten an besonderen Orten in der Bergwelt rund um den Piz Amalia auf, dem nach der Kronprinzessin der Niederlande benannten Berg. Zudem steht in Zuort die Chasa Mengelberg, die 1911 errichtete Sommerresidenz des niederländischen Dirigenten Willem Mengelberg.
Wichtig: Familienfreundlichkeit
In der Nähe von Scuol gibt es einen absoluten Niederlande-Spezialisten, das Hotel Val Sinestra. Das schlossähnliche ehemalige Kurhotel beherbergt 85 bis 90 Prozent niederländische Gäste. Wöchentlich fährt ein eigener Bus in die Niederlande und zurück. «Wir füllen bewusst eine Nische», sagt Gastgeberin Adrienne Kruit. Ihre niederländischen Gäste charakterisiert sie so: «Sie kommen zum Wandern und brauchen keinen Luxus.»
Täglich, im Winter wie im Sommer, bringt sie ein Bus vom Hotel zu den Wandereinstiegspunkten. Auch das Gratis-Abendprogramm mit Singen, Tanzen oder Yoga findet Kruit wichtig. So etwas sollte ein Hotel für niederländische Gäste auf jeden Fall anbieten. Und familienfreundlich sollte es sein. Im Hotel Val Sinestra gibt es extra ein Kinderprogramm und ein Programm für Jugendliche. Während die Eltern mit dem Bus zum Wandern gebracht werden, fährt der Nachwuchs Bergbahn oder geht zum Raften.
Kindheitserinnerungen bringen Gäste
Im Geschäftsjahr 2022/23 sorgten belgische Gäste in St. Moritz für knapp
45 000 Logiernächte. Damit liegt der Markt auf Rang 3, knapp hinter dem Markt Deutschland. «Belgien war historisch gesehen schon immer wichtig für uns und das Engadin», sagt Marijana Jakic, Brand Manager St. Moritz. Die Liebe der Belgier zum Engadin geht auf das späte 19. Jahrhundert zurück. Von 1882 bis 1884 liess der belgische Graf Camille de Renesse in der Nähe von St. Moritz das gigantische Maloja Palace Hotel bauen.
Das Hotel betreibt heute der italienische Herzog Amedeo Clavarino. «Hinzu kommt, dass fast jeder Belgier als Kind einmal in einem Schullager in der Schweiz war», so Jakic weiter. Zu den Topdestinationen gehörte dabei auch das Engadin. «Viele Belgierinnen und Belgier haben dadurch einen positiven Bezug zur Region und kommen später zurück, oft mit ihren Kindern.» Spezielle Belgien- oder Benelux-Kampagnen gibt es in St. Moritz nicht.
Die Schweiz hat auch einen Belgien-Spezialisten, den Belgischen Intersozialen Dienst Intersoc. Seit 1949 organisiert er Schweiz-Ferien für mehrere Millionen Belgier. Heute sind es mehr als 200 000 Übernachtungen pro Jahr in insgesamt vier Hotels.
«Intersoc ist sehr wichtig für den Tourismusstandort Schweiz, wenn es um den Markt Belgien geht», sagt Herman Buys, Direktor des Grand Hotel Surselva in Flims und des Hotel Stahlbad in St. Moritz. Seit über 30 Jahren begrüsst er belgische Gäste im Engadin, vorwiegend Flamen aus dem nördlichen Teil Belgiens.
«Unser Hauptgeschäft sind ganz klar die Familienferien.» In seinen Hotels gibt es ein Komplettangebot mit Animation, Betreuung und Vollpension. Die Familien fahren zwar gemeinsam in die Ferien, müssen vor Ort aber nicht den ganzen Tag zusammen etwas unternehmen. Oft ist man tagsüber getrennt unterwegs: Der Vater fährt Bike, die Mutter macht Wellness, und die Kinder gehen auf Schnitzeljagd.
Buys behält auch jeweils neue Freizeittrends in Belgien im Auge. «Die Belgier sind in den letzten Jahren zu richtigen Rennveloenthusiasten geworden. Als Hotel reagieren wir mit entsprechenden Freizeitangeboten darauf.»
Preissensible Kunden
Herman Buys weiss: «Für belgische Gäste ist Essen und Trinken sehr wichtig.» Morgens, mittags und abends steht in seinen beiden Häusern deshalb ein Buffet für die Gäste bereit. Ergänzt wird das Angebot durch ein extra Kindermenü, auf niedrigeren Tischen serviert, sodass sich die kleinen Gäste selbst bedienen können.
Die belgischen Gäste schätzen zudem das All-Inclusive-Paket. «So wissen sie vorher schon, wie viel der ganze Urlaub kostet», sagt Buys. Selbst bei Ausflügen entstehen in der Region keine Nebenkosten: Die Benutzung von Rhätischer Bahn, Postauto und Bus ist in einem Umkreis von rund 50 Kilometern im Preis mit drin.
Eine Win-win-Situation, findet Buys: «Der ÖV in der Region bekommt so mehr Fahrgäste, was ihm hilft, das Angebot aufrechtzuerhalten. Und wir können unseren Gästen ein Komplettpaket anbieten, das auch die Mobilität vor Ort miteinschliesst.» Hinzu komme ein psychologischer Vorteil: Da der Schweizer Franken mittlerweile 1:1 zum Euro stehe, seien Schweiz-Ferien für Gäste aus dem Euroraum noch teuer geworden. Aber durch das All-Inclusive-Paket fühle es sich für die belgischen Gäste nicht so teuer an.
Eigenheiten des Benelux-Marktes
Clevere ÖV-Angebote und der richtige Marketingmix
Armando Troncana leitet das Schweiz-Tourismus-Büro Benelux mit Niederlassungen in Amsterdam und Brüssel. Er weiss, was bei diesem Markt wichtig ist. Fünf Tipps vom Experten.
Geheimtipp für den Herbst
Die Niederländer sind ausgesprochene Outdoor-Enthusiasten, Wandern und Radfahren haben bei ihnen Volkssportcharakter. In die Schweiz reist diese Gästegruppe, um genau diese Aktivitäten auszuüben – und zwar in einer intakten Berg- und Naturwelt. Diesen Trumpf gilt es beim Markt Niederlande auszuspielen.
Die Gäste sind treu und suchen nach Angeboten mit gutem Preis-Leistungs-Verhältnis. Und: Sie sind auch in den kleineren und weniger bekannten Destinationen anzutreffen. Grundsätzlich hat also jeder Schweizer Touristenort die Chance, sie mit der richtigen Ansprache zu erreichen. Dafür bietet sich zum Beispiel der kommende Herbst an. Im September und Oktober wächst die Zahl der niederländischen Gäste im hohen Einkommensbereich, die meist ohne Kinder reisen. Wer in diesem Jahr eine Werbeoffensive in den Niederlanden starten will, kann genau da ansetzen.
Umstieg auf den ÖV leicht gemacht
Über 30 Prozent der niederländischen Gäste touren durch die Schweiz – mit dem Zug auf der «Grand Train Tour of Switzerland» oder mit dem Auto auf der «Grand Tour of Switzerland». Berge, Land und Städte so zu einem Gesamterlebnis Schweiz zu kombinieren, das ist die typisch niederländische Art des Reisens.
Gut 80 Prozent der Niederländer reisen mit dem Auto an, immer mehr mit dem Elektroauto. Trotz direkter Zugverbindungen wird sich der hohe Anteil von Autoanreisenden auch nicht so schnell ändern. Jedoch sollten diese Gäste dazu bewegt werden, nach Ankunft in der Schweiz auf den ÖV umzusteigen. Hier besteht noch viel Potenzial, neue niederländische Gästegruppen zu erreichen. Zum Beispiel, indem ein Schweizer Hotel ab drei Übernachtungen einen Gratisparkplatz inklusive Aufladen anbietet. Der Effekt: Die altbekannte Schweizer Stärke, der ÖV, erscheint in einem neuen Licht. Er ist nicht nur für Bahnanreisende eine praktische Sache, sondern auch für Autoanreisende.
Die richtige Mischung finden
Beim Marketing sind Kollaboration und eine klare Strategie wichtig. Kollaboration im Sinne von Bündelung der Kräfte und Marketingressourcen. Zum Beispiel Schweizer Hotels: Sie können sich für gezielte Promotionen im Markt Niederlande ihrer Destination anschliessen. Gemeinsam funktioniert es einfach besser.
Und Social Media? Instagram und Tiktok sind nicht mehr aus dem Marketing wegzudenken. Aber aufgepasst! Niederländer, die sich die Schweiz leisten wollen, haben meist eine höhere Kaufkraft. Um diese 10 bis 15 Prozent der Bevölkerung zu erreichen, genügen Social-Media-Kampagnen alleine nicht. Es braucht den richtigen Marketingmix. Dieser sollte sowohl digitale als auch analoge Elementen beinhalten. Und dazu Kooperationen mit starken Brands. So lassen sich neue Zielgruppen zu Schweiz-Ferien animieren.
Erkennbar – und damit buchbar
Es ist längst mehr als ein Trend: Niederländische Gäste erwarten nachhaltige Reiseangebote. In den letzten Jahren haben wir diese auch entwickelt, zum Beispiel die 5-tägige Bergrundwanderung im Tessin. Ein voller Erfolg: Sie war sehr schnell ausgebucht. Es geht aber nicht nur darum, solche Angebote im Programm zu haben, sondern sie auch erkennbar zu machen – und damit buchbar. Nach dem Motto: Seht her, so nachhaltig ist das Reiseland Schweiz!
Das Kulinarische ist für die Belgier wichtig
Auch für belgische Gäste sind Natur und Berge die wichtigsten Gründe für Schweiz-Ferien. Im Vergleich zu den Niederländern pflegen sie aber eher einen burgundischen Lebensstil. Bei ihnen geht die Liebe zu einem Land durch den Magen – und sie sind bereit, hierfür etwas mehr zu bezahlen. Also sollten gastronomische Highlights und Spezialitäten unbedingt zur Kommunikation von Hotel oder Destination gehören. Und vergessen wir nicht Luxemburg, das dritte Land im Benelux-Bund. Ein kleiner Markt, aber mit sehr Schweiz-affinem Publikum.