Die Waadtländerin Marie Forestier und der Berner Urs Bircher kandidieren für das Co-Präsidium von HotellerieSuisse. Sie präsentieren ihr Projekt und ihre Werte und gehen auf mögliche Kritik und Fragen ein, die sich aus dieser Neuheit ergeben.
Urs Bircher und Marie Forestier, wann entstand die Idee, sich gemeinsam um das Präsidium von HotellerieSuisse zu bewerben, und warum?
Urs Bircher: Der Gedanke kam mir Ende letzten Jahres, als mir HotellerieSuisse Berner Oberland eine Kandidatur vorschlug. Dann bat ich Marie Forestier, mit der ich gern in Arbeitsgruppen zusammenarbeite, um ein gemeinsames Essen mit unseren Familien. Wir fanden es sehr bereichernd, unsere Visionen auszutauschen. Der Entscheid für eine Co-Kandidatur mit Marie ist eine meiner besten beruflichen Entscheidungen bis heute.
Marie Forestier: Jean-Jacques Gauer, der Präsident der Association romande des hôteliers (ARH), legte mir vor zwei Jahren eine Kandidatur nahe. Damals sagte ich zu ihm, meine Arbeit als Hotelière nehme zu viel Zeit in Anspruch und ich wolle nicht allein kandidieren. Als mir Urs dann aber die Idee für diese Zweierkandidatur unterbreitete, habe ich es mir anders überlegt. Ich habe während zehn Jahren mein Hotel alleine geführt und dabei ein super Team geleitet. Diese Kampagne hat mir gezeigt, dass unser täglicher Austausch Impulse liefert, Hilfe von aussen bringt und hilft, Konsens zu finden.
Haben Ihre Verbände Ihre Kandidatur schnell verstanden? Mussten Sie sie überzeugen?
Urs Bircher: Die beiden Regionalverbände haben bei den Vorstandsmitgliedern den Puls gefühlt und fanden, es sei ein guter Entscheid in einer komplexen Welt, in der Teamarbeit zentral ist und zu besseren Entscheidungen führt. Sie haben von Anfang an ihre Unterstützung signalisiert.
Marie Forestier: Ich bekam volle Unterstützung, die Organisation war begeistert, dass ich es mit Urs zusammen wagen will.
Sie vertreten nicht wie viele der letzten HotellerieSuisse-Präsidenten eine Grossstadt wie Genf oder Zürich oder einen Tourismuskanton wie Graubünden. Ist das ein Nachteil?
Urs Bircher: Städte wie Bern und Thun hatten während der Pandemie dieselben Herausforderungen wie die genannten Grossstädte. Ich bin in Basel aufgewachsen und kenne Zürich und auch Graubünden, wo ich lange Zeit gearbeitet habe. Wir beziehen alle Akteure mit ein.
Marie Forestier: Ich arbeite in Montreux, bin aber sehr aktiv in der ARH, der Hotels jeder Art angehören, von grossen internationalen Ketten in Lausanne bis zu kleinen Häusern auf dem Land und einer grossen Vielfalt von Hotels in den Waadtländer Alpen.
Wie haben Sie sich kennengelernt, und was bewundern Sie an Ihrem Co-Kandidaten am meisten?
Urs Bircher: Zum ersten Mal begegnet bin ich Marie an der HotellerieSuisse-Delegiertenversammlung in Arosa. Als sie sich in ihrer sehr menschlichen Art vorstellte, dachte ich gleich, dass Marie eine grosse Bereicherung für die Verbandsleitung von HotellerieSuisse wäre.
Marie Forestier: Ich mag Urs’ sehr strukturierte Art, seine Methodik, seine Ruhe und seine Denkstruktur. Er macht sich Notizen, verfasst Dokumente, liest sie durch, denkt nach, überarbeitet sie. Er hat eine sehr klare Vision, die mir ein wenig fehlt.
Urs Bircher: Ich habe diesen Mangel bei Marie nie bemerkt, davon ist ihr nichts anzusehen.
Marie Forestier: Es ist wie in einer Partnerschaft, man muss das Beste voneinander nehmen. Ich kann meine Spontaneität anbieten.
Und was sind Ihre grössten Schwächen?
Urs Bircher: Es stört mich, dass ich immer als ruhig und überlegt wahrgenommen werde. Ich kann auch ungeduldig sein, und manche Dinge machen mich rasend, ich verlange von meinem Team schnelle Ergebnisse. Marie hat keine Fehler.
Marie Forestier: (Sie schüttelt den Kopf, mehr amüsiert als überzeugt.)
Was sind die innovativen Elemente Ihrer Kandidatur?
Urs Bircher: Es ist das erste Mal, dass es bei HotellerieSuisse eine Co-Kandidatur gibt, und mit einer jungen Frau können wir neue Ideen einbringen. (Er legt die Hand aufs Herz.) Ich bin stolz, mit Marie gemeinsam zu kandidieren.
Marie Forestier: Mit unseren beiden Gesichtern und drei Regionen bieten wir ein Bild der Vielfalt. In den Hotelleitungen sieht man immer häufiger Duos.
Ist das Co-Präsidium nicht immer noch eine linke Idee…?
Urs Bircher: Das sagen Sie! Und vielleicht denken das auch andere, aber wir sind liberale Unternehmer, das haben wir schon lange bewiesen. Ich denke nicht, dass es aufwendiger ist, aber ein Co-Präsidium bringt den Mitgliedern einen echten Mehrwert.
Marie Forestier: Es kann sogar die Verfügbarkeit für manche Arbeitssitzungen verbessern.
Urs Bircher: Es bezieht unterschiedliche Standpunkte ein und bindet die gleichen Ressourcen wie das aktuelle Modell mit einem Präsidenten und einem Vizepräsidenten.
Muss man für das HotellerieSuisse-Präsidium politische Erfahrung mitbringen?
Urs Bircher: Man muss vor allem mit ganzem Herzen Hotelier sein und Brücken zur Politik und Behörden bauen können.
Marie Forestier: Wir sind nicht direkt in der Politik engagiert und an keine Partei gebunden, das kann ein Vorteil sein. Im Übrigen hat HotellerieSuisse ein sehr starkes politisches Team.
Die Kernaussage Ihres Kampagnenslogans ist zwei Sprachen, zwei Generationen, zwei Persönlichkeiten, ein Ziel... Können Sie diese Elemente näher erklären?
Marie Forestier: Wir finden das sprachliche und kulturelle Element interessant. Zum Beispiel ist die Berufslehre in der Deutschschweiz stärker verankert als in der Romandie. Unsere unterschiedlichen Sensibilitäten und Sprachen können uns schnellere Reaktionen ermöglichen.
Urs Bircher: Wir sind zwei Persönlichkeiten, diskutieren auf Augenhöhe und bringen unsere Erfahrung in die tägliche Arbeit ein. Wir definieren und informieren transparent, wer von uns bei welchen Themen im Lead ist.
Marie Forestier, kann eine Frau, eine Westschweizerin, sich nicht allein um diesen Posten bewerben?
Warum auch nicht … Wenn sie Lust dazu hat, kann sie das selbstverständlich tun, aber ich wollte das aus persönlichen Gründen nicht.
Urs Bircher, Sie haben 19 Jahre Erfahrung als Hoteldirektor im Luxusbereich, sind aber nicht mehr an der operativen Spitze eines Hotels. Ist das im Vergleich mit den ehemaligen HotellerieSuisse-Präsidenten nicht ein Nachteil?
Ich habe das operative Geschäft 2020 verlassen, um mich mit der Strategie verschiedener Hotels und Stiftungen zu befassen. Heute stehe ich bei allen Unternehmen gleich in der Verantwortung wie zuvor.
Welche Schweizer Hoteliers bewundern Sie am meisten?
Marie Forestier: Mir gefällt die Geschichte der Pioniere des Schweizer Tourismus, die nicht nur Hotels bauten. Für die Entwicklung Montreux’ und die Gründung der Hotelfachschule Lausanne ist Ami Chessex sehr wichtig.
Urs Bircher: Ich möchte von den jungen Hoteliers reden, von ihrem unternehmerischen Mut. Wenn ich ein Beispiel nennen müsste: Dario und Tamara Cadonau. Aber es gibt noch viele andere.
Was ist Ihnen aus der Präsidentschaft von Andreas Züllig in Erinnerung geblieben?
Marie Forestier: Die vielen Krisen, die er durchgemacht hat. Er hat es geschafft, den Verband zu modernisieren und gleichzeitig die Mitgliederzahl zu erhöhen.
Urs Bircher: Er ist ein Teamplayer und hat den Verband neu positioniert. Der Beweis dafür sind all die Kandidaturen, die sich für das Präsidium interessieren, aber auch das grosse Interesse für die neu geschaffenen Sitze in der Verbandsleitung.
Werdegang
Zu zweit 35 Jahre Erfahrung
Die Regionalverbände Association romande des hôteliers (ARH), Berner Oberland und Bern+ Mittelland präsentieren Marie Forestier und Urs Bircher als Kandidaten für das Co-Präsidium von HotellerieSuisse. Die aktuelle Vizepräsidentin Marie Forestier ist seit 2020 Mitglied der Verbandsleitung und Urs Bircher seit 2018. Marie Forestier und Urs Bircher haben zusammen mehr als 35 Jahre Erfahrung in der Führung verschiedener Hotelbetriebe.
Marie Forestier ist Absolventin der Hotelfachschule Lausanne und leitet das Hotel Bon-Rivage in Montreux seit fast zehn Jahren, nachdem sie zuvor Erfahrungen in der Schweiz und in Asien gesammelt hat. Urs Bircher hat die Hotelfachschule Luzern abgeschlossen und an der Universität St. Gallen einen Executive MBA erworben. Er bringt 19 Jahre Erfahrung in der Luxushotellerie und danach in strategischen Tätigkeiten mit.
Am 22. November wählen die Delegierten von HotellerieSuisse ein neues Verbandspräsidium. Es kandidieren:
- Martin von Moos Regionalverband HotellerieSuisse Zürich
- Marie Forestier und Urs Bircher Association Romande des Hôteliers, HotellerieSuisse Berner Oberland und HotellerieSuisse Bern+ Mittelland
- Claude Meier nominiert von 80 Hotelièren und Hoteliers aus der ganzen Schweiz
Zudem wählen die Delegierten im November eine Vertretung aus der Marken- beziehungsweise Parahotellerie sowie einen Jung-Hotelier oder eine Jung-Hotelière in die Verbandsleitung.