Von April bis Ende Mai dauerten die Dreharbeiten im Hotel Palace in Gstaad. Roman Polanski drehte dort seinen Film «The Palace». «Für uns war ein so langer, dreimonatiger Dreh in unserem Hotel ein aussergewöhnliches Abenteuer», sagt Inhaber und Gastgeber Andrea Scherz. Er hoffe, dass der Film den Bekanntheitsgrad des Hotel Gstaad Palace steigern werde, wie auch jenen der gesamten Destination: Laut Scherz werden die im Winter gedrehten Aufnahmen des verschneiten Gstaad «absolut märchenhaft» wirke.

Dass der Name des Hotels im Filmtitel erscheine, sei das Ergebnis von Verhandlungen mit dem Regisseur und dem Produzenten gewesen.

Schöner Aufhänger, «Hollywoodkulisse zu sein»[RELATED]
Schweizer Hotels, die sich in früheren Jahren als Drehort für eine internationale Filmproduktion zur Verfügung stellten, ziehen grösstenteils eine positive Bilanz.

So fanden im Waldhaus Sils Dreharbeiten für den Film «Clouds of Sils Maria» (2014) mit Kristen Stewart und Juliette Binoche statt. «Auf jeden Fall hat sich das Mitwirken gelohnt. Wir werden immer wieder auf den Film angesprochen», teilt Sales Manager Flurina Caviezel auf Anfrage mit.

[IMG 2]Ebenfalls sehr positiv sehen es Verantwortliche von «The Dolder Grand». Das Zürcher Hotel hatte 2011 einen Auftritt im Thriller «Verblendung» mit Daniel Craig und Rooney Mara. Was der Film dem Hotel gebracht habe, lasse sich zwar nicht beziffern, sagt Senior Marketing & Communications Manager Joachim Schweier. «Für die Publicity ist es natürlich ein schöner Aufhänger, eine Hollywoodkulisse zu sein.»

Fans von Daniel Craig hätten durch den Film das Hotel vermehrt besucht. Auf sozialen Netzwerken sei die Zahl der Follower des Hotels gestiegen. Zudem habe SRF im Format «Glanz & Gloria» das Hotel besucht und über die Dreharbeiten berichtet. Während des Drehs von «Verblendung» war das Hotel durchgehend für Gäste geöffnet. «Die Gäste, die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten im Haus waren, fanden es spannend, hinter die Kulissen eines Hollywoodfilms schauen zu können», sagt Schweier.

Für das Hotel gab es eine Reihe von Vorbereitungen zu treffen. Lobby und Réception seien während des viertägigen Drehs in einen anderen Raum verlegt worden. Eine Suite musste das Personal komplett ausräumen. Es galt zudem, sämtliche Gäste vor der Anreise über die Dreharbeiten zu informieren. Während der Filmarbeiten wurden die Frontdesk-Mitarbeitenden zu Statisten. Laut Schweier würde sich das Haus «definitiv» wieder als Filmdrehort zur Verfügung stellen. «Es ist natürlich auch immer vom Drehbuch und der Reputation abhängig, aber prinzipiell ja.»

Daniel Craig zu Gast im Waldhaus Flims
Daniel Craig stieg auch schon im Waldhaus Flims ab – allerdings nicht als Teil des Casts, sondern als Begleiter seiner Lebenspartnerin Rachel Weisz, die dort zusammen mit Michael Caine, Harvey Keitel, Jane Fonda und Paul Dano während rund acht Wochen den Film «Youth» (2015) drehte. Die letzten beiden Wochen fanden in Anwesenheit von Gästen statt. Daniel Füglister, der damals das Waldhaus Flims leitete, spricht von einer «Bereicherung» und einem «klaren Mehrwert in Bezug auf das Gäste-, aber auch das Mitarbeitererlebnis».

Unter anderem durch die Schweizer Filmpremiere im Waldhaus Flims, mit hollywoodreifer Inszenierung zahlreicher geladener Gäste, habe man die Dreharbeiten auch entsprechend vermarkten können. Der Film habe sich zudem positiv auf die Buchungszahlen ausgewirkt, als er in den Kinos anlief. Auch finanziell seien die Dreharbeiten interessant gewesen fürs Haus: Schliesslich habe man während der sechs Wochen in der Zwischensaison Einkünfte gehabt, dabei aber als 5-Sterne-Hotel nicht dieselbe Leistung erbringen müssen wie während der Saison. «Für das Hotel war dieses Projekt finanziell sehr attraktiv», sagt Füglister.

Herausfordernd sei allerdings die kurzfristige Anfrage des Drehs gewesen. «Die meisten Mitarbeitenden mit Saisonvertrag hatten ihre Ferien in der Zwischensaison bereits gebucht.» Man habe sich rasch ein Bild machen müssen, was die Dreharbeiten mit sich brächten und was möglich sei. Es spreche für die Betriebskultur, dass es so gut gelungen sei, dass zahlreiche Mitarbeitende ihre Ferien zugunsten des Drehs verschoben hätten.

«Film hat nicht viel Publicity gebracht»
Durchzogene Erfahrungen hat das Grandhotel Giessbach mit Dreharbeiten internationaler Produktionen gemacht. «Phantom Thread» (2018) mit Daniel Day-Lewis wurde unter anderem im Hotel am Brienzersee gedreht. Gastgeber und Direktor Mark von Weissenfluh sagt: «Klar ist, dass die Szene im ‹Giessbach› sehr kurz ist im Film.» Als anspruchsvoll habe sich damals das Absperren des Sets und der Stars vom operativen Betrieb erwiesen. Auch hätten die Dreharbeiten einige Schäden an der Inneneinrichtung hinterlassen. «Diese wurden zurückerstattet. «Jedoch ist für ein Haus aus der Zeit der Belle Epoque wie unser ‹Giessbach› jedes Einrichtungsdetail in unseren Sälen quasi heilig.» Man sei nicht erpicht auf «Film-Ruhm» um jeden Preis. «Sicher werden wir bei der nächsten ähnlichen Gelegenheit die Kooperation mit dem Filmteam viel exakter prüfen und planen. Wegen des bloss kurzen Auftritts im Film habe dieser fürs Hotel nicht viel Publicity gebracht.

Ganz anders bewertet von Weissenfluh die Dreharbeiten für die HBO-Serie «Band of Brothers» um die Jahrtausendwende. Zwar stellte das «Giessbach» ein zum Militärquartier umfunktioniertes Hotel im österreichischen Zell am See während des Zweiten Weltkriegs dar. «Auch heute reisen zahlreiche Gäste vor allem aus den USA und aus Skandinavien explizit an die Schauplätze dieser bildgewaltigen Dreharbeiten. Das Grandhotel Giessbach durfte sich in der letzten Episode dieser Serie von der besten Seite zeigen – und das quasi in Minutenlänge. Dies hat uns bis heute viel zusätzliche Aufmerksamkeit eingebracht.»

Das «Giessbach» werde laufend für Filmprojekte aus der Schweiz und international angefragt. «Unterdessen filtern wir diese Kooperationen sehr sorgfältig.»


Nachgefragt

Lucie Heim, Mitinhaberin/Geschäftsleiterin des Beratungsunternehmens Heim Hotelmarketing

[IMG 3]Lucie Heim, würden Sie Hotels empfehlen, sich als Drehort für eine internationale Produktion zur Verfügung zu stellen?
Ein internationaler Kinofilm kann einem Hotel einen Werbeeffekt bringen, der über Jahrzehnte anhält – wie der James-Bond-Film «Im Geheimdienst Ihrer Majestät» von 1969 für das Schilthorn. Die Filmgeschichte bringt viel Stoff für Storytelling auf den hoteleigenen Kanälen.

Worauf sollten Hotels achten?
Selbstverständlich sollen die Gäste nicht nur des Films wegen ein bestimmtes Hotel wählen: Die Zielgruppen des Films respektive des Hotels sollten idealerweise zusammenpassen. Weitere vor einer Zusage zu prüfende Aspekte sind die finanzielle Abgeltung von Sonderaufwänden oder Schäden, die Reputation der Produktionsgesellschaft und die Bereitschaft des Filmpartners, die Erkennbarkeit des Hotels – so etwa Szenenlängen, Hotelname – vertraglich zu garantieren. Allenfalls kann auch ein Previewing im Ort oder im Hotel vereinbart werden.

Von welchen Gegebenheiten würden Sie die Teilnahme abhängig machen?
Von der Rolle, die das Hotel im Film spielt, vom Drehbuch, von den Schauspielern und vom Inhalt des Filmes. Würde ein Film wie «Shining» aus dem Jahr 1980 mit Jack Nicholson gedreht, kämen nur noch Gäste, die das Fürchten lernen möchten. Ganz wichtig bei der Entscheidung für oder gegen die Dreharbeiten sind folgende Punkte: der Aufwand für die Gastgeber und das ganze Team, das Kosten-Nutzen-Verhältnis, die Kapazitäten, ob während der Dreharbeiten der für die Gäste gewohnte Service sichergestellt werden kann und allenfalls der Verlust der Buchungen, wenn das ganze Hotel exklusiv gemietet wird. All diese Aspekte sollten berücksichtigt werden.

Diesen Frühling hat Roman Polanski im Hotel Gstaad Palace gedreht. Der Regisseur ist international sehr umstritten. Was heisst das für das Hotel?
Die Gefahr, durch ein schlechtes Image einer Person oder Organisation oder durch den Inhalt des Films in Verbindung gebracht zu werden, muss der Chance, die Bekanntheit des Hotels zu steigern, gegenübergestellt werden. ua