Mit Roman Polanski im Palace Gstaad «The Palace» drehen: «Für mich ist das die Krönung meiner Beziehung zu den Hoteliers», schwärmt der Waadtländer Produzent Jean-Louis Porchet von CAB Productions. Immerhin hat er mit Claude Chabrol im Lausanne Palace und im Waldhaus in Sils-Maria schon Erfahrungen mit Hotels als Drehort gesammelt. Doch mit Roman Polanskis «The Palace», der seit April dieses Jahres innert 11 Wochen im Gstaad Palace gedreht wurde, schaltet er jetzt noch einen Gang höher. «Es war ein Frühling ohne Schnee, der jetzt mit Spezialtechnik hinzugefügt werden muss.»

Der Film wird derzeit in Paris montiert. Für die Dreharbeiten wurde das komplette Hotel gemietet, für 700 000 Franken, bei einem Gesamtbudget von 17 Millionen, 10 Prozent davon Schweizer Privatfinanzierung. 130 Personen waren ständig an den Dreharbeiten beteiligt, Italiener, Polen, Franzosen und Schweizer, und haben die gesamte Hotelanlage in ein Filmstudio verwandelt. Mit verrückten Ideen wie dem Einbrechen eines Rasens in eine Suite.

Das Filmteam übernachtete im Hotel Huus, das dafür ebenfalls privatisiert wurde. Auch für das Hotelpersonal, das bei einigen Aufnahmen mitwirkte, etwa wenn die portugiesische Gemeinde die «Internationale» singt, war es wohl ein einmaliges Erlebnis, meint der Produzent. Doch oft wartete das Personal in Uniform hinter den Kulissen. Zwölf Stunden dauerten die Aufnahmen einer Szene mit einem grossen Essen, an der Hunderte von Statisten beteiligt waren, darunter auch einige Gäste des Palace, die in einem Bentley auf den Parkplatz des Drehorts rollten. Der anspruchsvolle Roman Polanski «nimmt manche Einstellungen achtmal auf, bis er hat, was er will», erzählt Jean-Louis Porchet. Doch der Filmemacher profitiert auch von der Erfahrung grosser Schauspieler wie John Cleese, Mickey Rourke oder Fanny Ardant in exzessiven und meisterhaft verkörperten Rollen.

Wertvolle Unterstützung durch die Leading Hotels
Der Produzent unterstreicht den Mut des Hoteliers Andrea Scherz: «Er überliess uns die Schlüssel und sah eine Armada von Leuten in sein Haus strömen. Er musste den Film wirklich wollen, um sich in Zeiten einer Pandemie nicht um allfällige Schäden zu sorgen, und um einen 88-jährigen Filmemacher, den man nicht mehr versichern kann.» Aber Roman Polanskis Charisma kann auch einen erfahrenen Produzenten wie Jean-Louis Porchet überzeugen: «Mein erstes Treffen mit Roman fand in seinem Chalet statt, als er mir das Projekt vorstellte. Ich empfand es als Ehre, eine solche Persönlichkeit des Films aufzusuchen, aber er ist derart umgänglich, dass man schnell Zutrauen fasst.» Andrea Scherz ist sich auch im Klaren über den Nutzen für sein Haus und für 400 weitere Mitglieder der Leading Hotels of the World. Stolz zeigt der Produzent das Schreiben seines Chairmans, des Schweizers Andrea Kracht, auf dem zu lesen ist: «Die internationale Reichweite, das Thema, der berühmte Regisseur und die erstklassige Besetzung verschaffen dem Projekt einen grossen Mehrwert. Deshalb möchten wir Sie bei diesem wunderbaren Abenteuer und insbesondere bei der internationalen Verbreitung des Films begleiten.» Jean-Louis Porchet freut sich, dass er alle Szenen im Gstaad Palace drehen konnte, während er Innenaufnahmen manchmal in andere Landschaften verlegen muss, um den Ansprüchen der Koproduzenten gerecht zu werden.

Destination hat profitiert
Aus der Sicht des Produzenten hat der Ferienort insgesamt davon profitiert, dass die Dreharbeiten in Gstaad stattfanden - mit enormen Ausgaben des Teams, dann bei der Vorpremiere in Gstaad und mit dem zum Jahresende geplanten weltweiten Kinostart. «Es ist eine beachtliche Werbung für die Destination, die von Gstaad aussergewöhnlich viel reden macht, und die das Tourismusbüro veranlassen sollte, uns finanziell zu unterstützen.» Der Produzent versteht sich auch auf die Organisation privater Vorführungen, vor allem in Paris, «denn die Franzosen reisen gern zu den Drehorten.»

Bei Olivier Assayas' Film Sils-Maria, den er mitproduzierte, sorgte die Zusammenarbeit mit dem Branchenverband der Walliser Weine bei den Vorführungen für eine entspannte Ambiance. Doch dieses Mal kann Jean-Louis Porchet auf keinerlei Finanzierung durch Bund, RTS oder Cinéforum zählen. «Ich denke, das hängt immer noch mit den Polemiken um Roman Polanski zusammen», sagt der Produzent rasch und möchte sich nicht weiter dazu äussern.

Grosse Sorgfalt für die Festszenen
Für Jean-Louis Porchet ist «The Palace» vor allem «eine aussergewöhnliche satirische Komödie, die am Tag des Millennium-Silvesters spielt, mit sechs verflochtenen Geschichten. Unter anderem sieht man erstmals Wladimir Putin in der Realität und in der Fiktion.» Der Film erzählt vom Milieu des Luxushotels: «Mit beissendem Humor, aber nie vulgär». Die Fiktion zeigt absurde Gegenüberstellungen und berührende Figuren. «Ich kenne keinen Film, der in der Schweiz über dieses Thema gedreht wurde. Ein grosser Film voller Spezialeffekte, der zu reden geben wird».

Er weiss aus Erfahrung, dass das Publikum frei erfundene Geschichten liebt, die in Hotels spielen. Abstruse Geschichten, die tatsächlich vorgefallen sind, wie jene von dem Mann, der seiner jungen Geliebten einen lebenden Pinguin zum Geburtstag schenkt - eine Szene, die im Film auftaucht. Wir hören auch von einer Flasche Bollinger 1938, oder von einer in Kaviar schlafenden Botschaftergattin. Der Produzent zeigt uns ein paar noch unbearbeitete und ungekürzte Szenen aus einer kleinen Präsentation für Geldgeber an den letzten Filmfestspielen in Cannes. Man erkennt darin schon die Lichtprobleme, die grosse Sorgfalt, die auf die Party- und Chaos-Szenen verwendet wird, und die mysteriöse Seite geheimer Orte im Hotel.

Jean-Louis Porchet erzählt, wie er Zugang zur Palace-Welt fand. «Dank Jean-Jacques Gauer. Als er die Leitung der Leading Hotels of the World abgab, wollte er, dass ich in ein paar Stunden eine kleine Fantasie über seine Vorliebe für Weiden drehe.» Dann folgte ein weiterer Film über den Antritt von Andrea Scherz in dieser Funktion, vor dem Hintergrund der Amtsübergabe zwischen den Hoteliers Andrea Kraft und Andrea Scherz, mit einer burlesken Studie der Waadtländer Schifffahrt. So kam er zum ersten Mal mit dem Chef des Gstaad Palace in Kontakt.


Nachgefragt

[IMG 2]Andrea Scherz
Eigentümer und Generaldirektor des Gstaad Palace, Chairman der Leading Hotels of The World.

Hatten Sie in Ihrem Haus schon einmal einen derart grossen Filmdreh?
Nein, noch nie. Ich erinnere mich an die Dreharbeiten zu «Der rosarote Panther», die sechs Wochen dauerten. Damals leitete mein Vater das Haus. Aber hier wurde drei Monate lang ein kompletter Film gedreht.

Wie kam es zu der Idee, den Film von Roman Polanski in Ihrem Hotel zu drehen?
Wir haben zusammen Tee getrunken. Unsere Familie kennt ihn seit zwei Generationen und er wohnt in der Nähe. Er erzählte mir von seiner Faszination für die Ambiance in den Hotels. Da habe ich ihm vorgeschlagen, während der Schliessung zwischen den Saisons mehrere Monate lang im Gstaad Palace zu drehen. Dass er daraus eine Komödie machen würde, hat mir sehr gefallen. Unser Familienname Scherz bedeutet ja auch Witz oder Spass.

Haben Sie während der Dreharbeiten arbeiten können?
Ich wusste nicht immer, wann ich mein Büro verlassen durfte, und musste aufpassen, dass ich am Telefon nicht zu laut redete, damit man meine Stimme nicht auf einer Aufnahme hören konnte. Ich fürchtete, dass die Besucher, die vor dem Hotel stehen blieben, die überall herumliegende Weihnachtsdekoration nicht verstehen würden.

Wie hat sich Ihr Team organisiert?
Dem Filmteam standen sechs von unseren Angestellten zur Verfügung. Es gab viel zu laufen und zu putzen. Wir sind es nicht gewohnt, mit 50 Personen in einem kleinen Raum umzugehen. Wir kennen uns mit Weinflecken aus, aber wussten nicht, was wir mit dem gefärbten Wasser machen sollten, mit dem unsere Teppiche markiert waren.

Welche Auswirkungen erhoffen Sie sich vom Film auf Ihr Haus?
Ich hoffe, dass der Film sich stark auf den Bekanntheitsgrad des Gstaad Palace auswirken wird. Aber auch auf die Destination, die man in den im Winter gedrehten, absolut märchenhaften, verschneiten Aufnahmen sehen wird. Und zur Polemik um Roman Polanski und seine Vergangenheit, die wieder an die Oberfläche getragen wurde: Ich finde, dass er genug dafür bezahlt hat. Ich denke, man sollte ihn jetzt so leben und arbeiten lassen, wie er möchte.