Janine Rüfenacht, am 4. und 5. März eröffnet das The Lab Hotel nach zweieinhalbjähriger Planungs- und Umbauphase. Wie fühlt sich das an?
Ich freue mich riesig. Es gibt ja bei solchen Projekten immer Zeiten, in denen man zweifelt und nicht weiss, ob es gut kommt. Nun sehe ich das Endresultat und bin sehr zufrieden. Wir kommen nun als Hotelfachschule Thun ganz anders daher. Viel offener, viel heller, viel einladender.
Janine Rüfenacht (44) ist seit Juli 2018 Projektleiterin des The Lab Hotel und Vizedirektorin der Hotelfachschule Thun. Davor betreute sie die Hoteleröffnung des «The Bristol» in Bern und hatte während rund vier Jahren die Direktion des Hotel Allegro in Bern inne. Janine Rüfenacht absolvierte vor rund 20 Jahren selber die Hotelfachschule Thun. Sie lebt in Bern.
Corona verunmöglicht eine «richtige» Eröffnung. Wie läuft diese nun ab?
Wir sind mittlerweile wahrscheinlich bei Plan E oder F angelangt. Organisiert hat den Eröffnungsevent ein Studierender von uns, der sich diesen gleich zur Diplomarbeit gemacht hat. Nach diversen Konzepten wird sie nun tatsächlich so ablaufen, wie wir uns dies nicht erhofft hatten. Also vollkommen virtuell. Wir haben einen Rundgang durchs Haus gefilmt und führen kleine Gruppen als Tourguides virtuell durchs Haus. Wir schauen uns die verschiedenen Zimmer, unseren Workspace im Hauptgebäude, unsere Bar und die Réception an. Neben diesen Rundgängen veranstalten wir am Donnerstag, 4. März, eine Life-Podiumsdiskussion zum Thema Innovation in der Hotellerie.
Da sind wir schon beim Thema Innovation, die in der Hotelfachschule mit dem The Lab Hotel eine noch grössere Bedeutung haben wird. Wie entsteht Innovation?
Ich bin überzeugt, dass Innovation durch mutiges Agieren entsteht. Gute Ideen sind schnell gefunden, dann fehlt es aber oft an Mut zum Experiment. Man denkt oft auch viel zu weit. Erst wenn alles perfekt ist, geht man auf den Markt. Dadurch kann man ganz viel Zeit und Geld verlieren, wenn man an der falschen Idee dran ist. Wir wollen etwas ausprobieren und auch wieder verwerfen können. Das ist für uns als Schule interessant. Denn als Schule ist man es sich gewohnt, die Antworten schon zu kennen. Und nun verändert sich dies. Jetzt haben wir vielleicht keine Ant-worten mehr, nur noch Fragen. Das ist natürlich eine grosse Umstellung.
Apropos Ausprobieren. Im The Lab Hotel gibt es neben den «normalen» Zimmern fünf Lab Rooms. Hier sollen Trends, neue Technologien und Ideen aus Hotellerie und Gastronomie mit Branchenpartnern getestet und umgesetzt werden. Wie laufen solche Raumentwicklungen ab?
Diese Lab Rooms waren und werden natürlich Betätigungsfelder für unsere Studierenden sein. Bei einem Lab Room hatten sie Carte blanche. Die Gruppe, die den Pitch gewann, hat in drei Monaten ihr ganz eigenes Projekt umgesetzt. Sie hatten einzig die Vorgabe, dass die Kommunikations- und Marketingaktivitäten mit uns abgesprochen sind und dass sie grosso modo das Budget für ein normales Zimmer um nicht mehr als 10'000 Franken überschreiten. Bei den anderen vier Lab Rooms waren wir auch in die Planung involviert.
Innovation bedeutet auch Veränderung. In welchen Zyklen sollen diese Lab Rooms verändert werden?
Zu Beginn hatten wir fixe zeitliche Zyklen von 12 Monaten geplant. Wir haben jedoch festgestellt, dass dies nicht für alle Bereich realistisch ist. Dies hat unterschiedliche Gründe, aber vor allem auch damit zu tun, dass nicht schön regelmässig Neuigkeiten auf den Markt kommen. Wir haben nun mit unseren Partnern einen 18-Monate-Rhythmus vereinbart.
Sie arbeiten im Laborhotel eng mit Partnern zusammen. Wie konnten Sie diese gewinnen?
Es ist ganz klar für beide Seiten eine Win-win-Situation. Wir wollten Partner, die über die Region Thun und über das Berner Oberland hinaus eine Strahlkraft haben. Denn unsere Partner sollen nicht nur für unser Hotel und unsere Schule interessant sein, sondern auch für HotellerieSuisse. Wir sind ja die Partnerschule des Verbandes. Es war also eine Herausforderung, Partner zu finden, die zwar lokal verankert, aber überregional tätig sind. Beim Food-Angebot ist es natürlich etwas anderes. Da macht es keinen Sinn, mit einem Grossmetzger aus Zürich zusammenzuarbeiten. Da setzen wir stark auf lokale Produzentinnen, Bauern und Hersteller.
Auf lokale Unterstützung durften Sie auch bei der Finanzierung zählen.
Ja, genau. Die Stadt Thun hat uns vor fast zwei Jahren ein Darlehen von über einer Million zugesichert. Das hat uns die Türen zu anderen Geldgebern geöffnet. Dazu kamen eine weitere Million Darlehen des Tschumi-Fonds sowie ein Darlehen von zwei Millionen des Entwicklungsraums Thun und der Neuen Regionalpolitik (NRP) via Beco. So war die eine Hälfte der Finanzierung sichergestellt. Den Rest konnten wir mit der Unterstützung der SGH und durch eine Bankfinanzierung abdecken.
Sie werden nun eine Schule mit Hotelbetrieb sein. Wird das Hotel selbsttragend funktionieren?
Ja, unbedingt. Wir haben den Auftrag, Gewinn zu erwirtschaften, und wir verlangen marktübliche Preise. Dies sind wir unseren Mitbewerbern schuldig. Wir hören manchmal: Ihr habt ja noch die Studierenden. Aber wir sehen sie natürlich nicht als Arbeitskräfte. Es ist ganz klar neben dem Unterricht und dem Praktikumsbetrieb ein dritter Lernort für sie.
Sie sagen es: Studierende sind keine Arbeitskräfte. Wie werden diese in den Betrieb des The Lab Hotel eingebunden?
Man muss sich dies ganz klar als Coaching vorstellen. Zum Beispiel die Réception. Da haben unsere Studierenden die Möglichkeit, erste Erfahrungen zu sammeln, bevor sie ins Praktikum gehen. Davor machten sie nur Rollenspiele im Unterricht. Nun können sie quasi am lebenden Objekt üben. Neu gibt es ab dem ersten Semester auch ein Check-in-Semester, in dem wir die Bereiche Küche, Restauration, Frontoffice und Housekeeping behandeln und durchgehen. Neben dem Unterricht werden die Studierenden im Laborhotel praktische Coachings absolvieren. So können wir Theorie und Praxis von Anfang an vernetzen. Zudem schwebt uns vor, dass unsere Studierenden das Hotel im Abschlussjahr beispielsweise während zweier Wochen ganz selbstständig führen werden.
Die Hotelfachschule Thun bietet Hotelièren und Hoteliers die Möglichkeit, eigene Ideen und Konzepte zu testen. Können Sie uns ein Beispiel nennen?
Das kann beispielsweise eine Case-Studie sein, wie wir dies bereits angeboten hatten. Oder angenommen, eine Hotelière möchte in ihrem Hotel die Zimmer neu mit Hängematten bestücken – was natürlich kein realistisches Beispiel ist, aber zumindest ein bildhaftes –, so kann sie dies bei uns testen lassen, bevor sie alle Zimmer umrüstet. Wir überprüfen für sie, ob die Gäste die Zimmer buchen, ob sie gut schlafen und ob sie den Preis gerechtfertigt finden.
Der Campus der Hotelfachschule mit dem The Lab Hotel ist ein äusserst lebendiger Kosmos geworden. Die Gäste sind also quasi Teil eines Ausbildungsbetriebes?
Ja, und dies ist uns ganz wichtig. Im Hauptgebäude, wo sich die Hotelfachschule befindet, haben wir einen Workspace für unsere Studierenden realisiert. Zudem gibt es dort ein Cube Lab, eine Art offene Arena. Dort werden Präsentationen, Gesprächsrunden und etwa Weindegustationen stattfinden. Zudem gibt es eine Bar und ein Restaurant, die für alle offen sind: für die Studierenden, die Hotelgäste, die Dozierenden, unsere Mitarbeitenden und auch für unsere Stammgäste aus der nahen Umgebung. Wer hier eintritt, erlebt die Ausbildung hautnah mit und erfährt die laufenden Projekte mit. Darauf freue ich mich sehr.
Ist der Wandel der Ausbildungsstätte nun mit der Fertigstellung des The Lab Hotel abgeschlossen?
Nein, ganz und gar nicht. Nun geht es erst richtig los. (lacht) Denn ich denke, dass die Fähigkeit, auf Wandel und Veränderung einzugehen, eines der Skills ist, die wir Studierenden heute mit auf den Weg geben müssen. Dies war schon vor Corona so und wird auch danach so bleiben. Denn die Zeiten sind viel schnelllebiger geworden. Und so muss auch der Wandel viel schneller vonstattengehen. Unsere Studierenden müssen damit umgehen können. Wir müssen sie befähigen, zu agieren, nicht nur zu reagieren. Sie müssen den Mut haben zu experimentieren. Und das ist auch der Grund, warum wir hier dem Experiment so viel Raum geben. Es wird nicht alles funktionieren. Das ist auch okay so. Denn sowohl die Studierenden als auch wir als Institution müssen lernen, mit Rückschlägen und Ungewissheit umzugehen. Um dann erneut etwas auszuprobieren.
Wo werden nun nach der Eröffnung Ihre nächsten Schwerpunkte liegen?
Es wird ganz klar meine Aufgabe sein, rauszugehen und auf uns aufmerksam zu machen. Einerseits möchte ich die bereits bestehende Zusammenarbeit mit anderen Institutionen wie der Hotelfachschule Lausanne mit ihrem Village d’Innovation und ihrer Auberge noch vertiefen und intensivieren. Andererseits denke ich an branchenexterne und brancheninterne Kooperationen, die ich gerne initiieren möchte.
Haben Sie bereits erste Rückmeldungen zum The Lab Hotel und zum neuen Gastroangebot erhalten?
Es waren aufgrund der aktuellen Situation natürlich noch nicht so viele Leute hier. Aber jene, die hier waren, zeigten sich begeistert. Auch Studierende, die gelegentlich vorbeikamen, hatten eine Riesenfreude. Einige im letzten Semester haben es richtiggehend bedauert, dass ihre Ausbildung demnächst abgeschlossen sein wird. Das sind natürlich grossartige Reaktionen und bestätigen uns.
Die Hotelfachschule Thun setzt in der Ausbildung zum/zur dipl. Hôtelier-Restaurateur/dipl. Hôtelière-Restauratrice auf Praxis und Nähe zum Markt. Neben dem Unterricht und den Praktika ist das neue Laborhotel HF mit der Laborgastronomie HF der dritte Lernort und bietet den Studierenden noch mehr Raum, um Innovation und Experimente von der Theorie direkt in die Praxis umzusetzen.
Bernadette Bissig