Das neu gestaltete Belle-Époque-Hotel Ambassador erinnert auf jeder Etage an ein Land, mit dem die florierende Textilindustrie Zürichs um 1900 Handelsbeziehungen pflegte. In welchem Stockwerk würden Sie als Gast am liebsten übernachten?
Yves Meili:
Wahrscheinlich in der Frankreich-Etage. Die Kopfteile der Betten sind mit einem Moiré-Stoff bezogen, der an ein wogendes Lavendelfeld erinnert. Das finde ich sehr gelungen.

Michael Böhler: Wäre ich mit meiner Frau unterwegs, würde ich England wählen, wo wir sieben Jahre gelebt und gearbeitet haben und unsere Kinder aufgewachsen sind. Als Einzelgast wäre mir hingegen Indien im 5. Stock lieber. Die Zimmerdecken sind dort abgeschrägt, das wirkt sehr gemütlich.

Das «Ambassador» gehört zu der bisher weitgehend unbekannten Hotelgruppe des Meili-Familienunternehmens. Warum wurde sie nun offiziell und sichtbar unter eine Dachmarke, Meili Selection, gestellt?
Yves Meili:
Wir verfolgen damit nicht unbedingt Marketingzwecke, dafür sind wir zu klein. Aber für die Mitarbeitendensuche und -führung ist es sehr wertvoll, wenn man ein Wertegerüst in den Gruppenkontext stellen kann. Für eine kleine Boutique-Gruppe ist es einfacher, Mitarbeitende zu finden, als für ein Stand-Alone-Hotel irgendwo in den Bergen. Ich glaube, da verspricht sich der Mitarbeiter noch etwas mehr davon, und man kann auch etwas mehr bieten.

Michael Böhler: Als die Gruppe noch kleiner war, musste jedes der Hotels seine Leistungen ganz alleine erbringen, dabei gab es enorme qualitative Unterschiede. Inzwischen arbeiten wir auf verschiedenen Ebenen zusammen, etwa beim Revenue Management, HR und Marketing. Der Gast hingegen nimmt die Gruppe respektive ihren Namen nur dezent wahr, sei es auf der Website oder auf der Keycard, die für alle Hotels gleich aussieht und die wir damit in grosser Anzahl und entsprechend günstiger bestellen können. Ansonsten behalten die einzelnen Hotels aber ihr individuelles Gesicht, ihr Name und ihr Logo bleiben im Vordergrund.

Herr Meili, Ihr Vater, wie Sie und Ihr Bruder eigentlich Rechtsanwalt, stieg vor Jahren ins Immobilienentwicklungsgeschäft ein und begann, auch in Hotels zu investieren und diese zu betreiben. Es heisst, aus Leidenschaft.
Bei meinem Vater hat es nicht mit der bewussten Entscheidung angefangen. Er sah damals vielmehr eine Gelegenheit, in Zürichs Altstadt zwei schöne Häuser zu kaufen, das «Seehof» und das «Rössli». Der bestehende Pachtvertrag mit dem Pächterpaar blieb bestehen. Es begann also als reines Immobiliengeschäft. Über die Zeit lernte mein Vater den Betrieb kennen, es gab gute und schlechte Zeiten, und als die Pächter aufhörten, entschied er, die Häuser in einem Managementverhältnis weiterführen zu lassen. So konnte er in guten Zeiten als Investor mitprofitieren – in schlechten Zeiten trug er das Risiko ohnehin, auch Pächter können die Miete unter Umständen mal nicht mehr bezahlen. Mit zunehmendem Know-how bereitete meinem Vater das Hotelbusiness auch Freude, und er entschloss sich, die Häuser künftig mit eigenen Angestellten zu betreiben.

Teilen Ihr Bruder und Sie als Firmennachfolger diese Freude?
Nun, unser Hauptgeschäft ist nach wie vor die Immobilienprojektentwicklung. Eine sehr lokale Sache, man bewegt sich an Orten wie Füllinsdorf BL, Muttenz BL oder Zollikofen BE und muss sich mit der regionalen Politik, mit Raumplanung, Regulierung und Zielgruppen auseinandersetzen. Das Hotelbusiness hingegen ist ein bisschen wie ein Tor zur Welt. Man hat mit internationalen Gästen zu tun und muss sich an internationalen Produkten messen lassen. Mein Bruder und ich fanden, das ermögliche uns nochmals einen etwas anderen Blickwinkel und passe weiterhin sehr gut als Nische in unser Unternehmen, weil es letztlich auch um die Nutzung von Häusern geht.

In der Schweiz gibt es kaum 5-Sterne-Häuser, die genug verdienen, um eigene Rückstellungen zu machen.
Yves Meili

In Zürich herrscht ein Hotelboom, grosse internationale Ketten sind die Haupttreiber. Wie können Sie sich als kleine Gruppe mit fünf Stadthotels in diesem Wettbewerb behaupten?
Yves Meili:
Die Angebotsausweitungen und Kontraktionen kommen wellenhaft. Im Moment haben wir eher wieder eine Kontraktion, weil Hotels, die während der Corona-Pandemie in Schwierigkeiten gerieten, umgenutzt werden. Für unseren Erfolg ist es wichtig, dass wir innerstädtische Hotels haben, am Puls des Geschehens sind und unsere sorgfältig ausgewählten Konzepte für Businesskunden wie auch für Leisure-Gäste attraktiv sind. Wir glauben, das ist von Universaldauer und übersteht Konjunkturschwankungen, sodass unsere Häuser über lange Zeit selbsttragend sein und dann Kapitaldienste leisten können.

Michael Böhler: Die Familie Meili könnte sich mit ihren Hotels ja auch einfach einer bestehenden Gruppe anschliessen. Aber sie glaubt an ihre Häuser und trägt deren Wert nun auch mit ihrem Namen mit. Betreffend Digitalisierung von Betriebsabläufen ist es uns als Gruppe zudem möglich, Tools ebenso günstig einzukaufen und mindestens so effizient einzusetzen wie die Mitbewerber.

Wie entscheiden Sie, ob Sie ein von Ihnen gekauftes Hotel weiter als solches betreiben oder es umnutzen?
Yves Meili:
Wenn ein Haus auf dem Markt ist, gilt es herauszufinden, was man ihm für einen Wert geben will. Dieser leitet sich von den Nutzungsmöglichkeiten ab. Liegt es in einer Hotelzone, wie sie in einigen Kantonen existiert, muss man sich gut überlegen, ob und wie es sich entwickeln könnte. Beim «Ambassador», das sich wie alle unsere Stadthotels in der Kernzone befindet, prüften wir natürlich ebenfalls Alternativnutzungen, was es kosten würde, das Haus in diese Nutzung überzuführen und mit welcher Rendite zu rechnen wäre. In der Preisfindung erlaubt dieses Vorgehen, für ein Hotel auch mal ein bisschen mehr zu bezahlen.

Es darf vielleicht sogar eine Zeit lang weniger gut rentieren, denn man weiss, wenn alle Stricke reissen, können wir eine Nutzungsänderung vornehmen, und dann wird die Immobilie sehr begehrt sein. Da spielt denn auch bei uns tatsächlich ein Stück weit Leidenschaft für Hotels und schöne Produkte mit hinein, indem wir sagen, es muss nicht nur immer nur «best use» sein, aber wir versuchen es.

Ist es schwieriger, Mitarbeitende für Ihre Stadt- oder Ihre Berghotels zu finden?
Michael Böhler:
Im «Ambassador» hatten wir kein grosses Problem, Leute zu finden, da es sich um die Neueröffnung eines attraktiven Produkts handelt. Zudem lancierte Zürich Tourismus mit dem Zürcher Hotellerie-Verein Social-Media-Kampagnen, aufgrund derer wir deutlich mehr Bewerbungen erhielten. In unseren Häusern im Bündnerland sind wir dagegen konstant am Schauen, wie wir die Situation verändern können. Wir haben gerade eine Mitarbeiterin zur Restaurationsleiterin befördert und so gezeigt, dass man sich in unserer Gruppe weiterentwickeln kann. Wir hoffen, dass diese Perspektive gute Leute dazu animiert, länger bei uns zu bleiben.

Apropos Restauration: Früher gehörte zum «Ambassador» das beliebte, mit Gault-Millau-Punkten ausgezeichnete «Opera». Sahen Sie keine Möglichkeit mehr für ein Spitzenlokal?
Yves Meili:
Mit dieser Frage haben wir uns intensiv befasst und kamen zum Schluss, dass wir das Erdgeschoss den Gästen zur Verfügung stellen möchten. Das «Opera» war ein abgetrenntes Restaurant, in der Auswertung sahen wir, dass es nur von wenigen Hotelgästen besucht wurde. Hier im Stadtzentrum gibt es viele andere Verpflegungsmöglichkeiten.

Michael Böhler: Unsere Silk Lounge & Bar ist jedoch ebenfalls öffentlich. Und sie hat ein Gastrokonzept, das einmalig ist und mit dem wir auffallen. Wir bieten einerseits ein A-la-carte-Frühstück von 7 bis 16 Uhr. Gerade im Seefeld mit den vielen Expats und internationalen Kunden ist das sehr gefragt. Daneben steht die Bar im Vordergrund, unter anderem mit ihren speziellen Milch-basierten Drinks, die fermentiert und dann durch Seide filtriert werden – eine Reminiszenz an die Blüte der Seidenindustrie im Seefeldquartier. Und weil viele Leute gar keine so grossen Mahlzeiten mehr mögen, setzen wir auf Fine-Dining mit zwanzig Gerichten in Vorspeisengrösse und teils angelehnt an die verschiedenen Länder, die das Hotelinterieur spiegelt.

Die Familie Meili glaubt an ihre Häuser und trägt deren Wert nun auch mit ihrem Namen mit.
Michael Böhler

Kosmopolitisches Flair im Hotelzimmer, internationale Speisen in der Lounge: Gibt es auch Pläne, mit der Gruppe ennet der Grenze Fuss zu fassen?Yves Meili: Von neuen Möglichkeiten würden wir uns durchaus begeistern lassen. Wir sind gut aufgestellt und hätten die Kapazitäten, um unsere Gruppe auf zehn Häuser zu erweitern. Wir könnten uns das in wirtschaftlichen Einzugsgebieten wie Zürich und Basel, in Bern wegen der Bundes- und Verwaltungsbetriebe sowie dem Leisure-Angebot an den Wochenenden gut vorstellen. Genf wäre ebenfalls denkbar, in den Bergen sind Zermatt oder St. Moritz spannende Gebiete. Das Ausland haben wir auch schon andiskutiert. Aber ich glaube, bevor wir uns neue Kopfschmerzen suchen, müssen wir zuerst noch etwas in der Schweiz wachsen.

Wie sieht es mit 5-Sterne-Hotels aus?
Yves Meili:
Wir kennen uns im Boutique-Segment bis 4 Sterne Superior aus und fühlen uns da wohl. Höher hinaus wollen wir nicht, weil das aus kaufmännischer Sicht schlicht sehr schwierig ist. Nach meiner persönlichen Einschätzung gibt es kaum 5-Sterne-Häuser in der Schweiz, die genug verdienen, um eigene Rückstellungen zu machen. Manche werden auch von Mäzenen unterhalten, bei welchen nicht unbedingt die Ertragsrendite im Vordergrund steht.

Zu den Personen

Vom Rechtsanwalt zum Immobilienentwickler
Yves Meili führt als Verwaltungsratspräsident und CEO mit seinem Bruder Raffael Meili (COO, Leitung Bewirtschaftung) die Familienfirma Meili Unternehmungen in zweiter Generation. Wie sein Vater Alfred Meili und auch sein Bruder studierte er Jura und arbeitete als Rechtsanwalt, bevor er in das Immobilienentwicklungsgeschäft einstieg, zuerst bei Meili, dann bei Mobimo im Bereich Arealentwicklung. 2014 kehrte er in die Familienfirma zurück und begann mit Raffael Meili, die in Familienbesitz stehenden, bislang alle Leistungen einzeln und in unterschiedlicher Qualität erbringenden Hotels zur Gruppe Meili Selection zu entwickeln und mit passenden Häusern zu ergänzen.

Vom Koch zum Hotelgruppen-CEO
Michael Böhlers Karriere begann mit einer Koch- und Service-Lehre. Anschliessend bildete er sich zum dipl. Hotelier/Restaurateur aus und erwarb an der Hochschule Luzern einen BSc in Business Administration. Über diverse Marketing- und Sales-Positionen arbeitete er sich bis zur operativen Leitung von Hotels hoch. Zuletzt war er als General Manager für die Accor UK in London tätig und ab 2016 in Zürich als Direktor für die Hotels Ambassador und Opera. Beide Häuser gingen vier Jahre später in den Besitz der Meili Unternehmungen respektive deren Hotelgruppe über, als deren CEO Böhler heute verantwortlich zeichnet. Selbstständig betreibt er ferner die auf Nachfolgeregelungen und Digitalisierung von Individualhotels spezialisierte Firma Swiss Urban & Mountain Hospitality. Vom Vorstand der Zürcher Hotelvereinigung wurde er zudem für die Mitte Mai 2023 stattfindende Präsidenten-Nachfolgewahl als Kandidat vorgeschlagen. 


Sieben individuelle Schweizer Hotels unter einem Dach

Die Hotelgruppe Meili Selection umfasst fünf ausgewählte Häuser im Zentrum von Zürich sowie zwei Häuser in Klosters GR. Jedes zeichnet sich durch einen individuellen Charakter aus.

So sind im 3-Sterne-Berghotel Sport in Klosters Infrastruktur und Angebot auf Familien ausgerichtet, das 4-Sterne-Superior-Hotel Piz Buin in Klosters wiederum ist eine Unterkunft im Alpin-Chic für Sport treibende und Entspannung suchende Geniesser. In der Zürcher Altstadt versprühen die historisch geschützten 3-Sterne-Häuser Rössli und Felix cool-urbanen Charme. In Letzterem ist die Wandkunst der Zimmer und der Lobby zudem verschiedenen Zürcher Persönlichkeiten gewidmet. Sozusagen im Dreieck zwischen den Verlagshäusern Ringer und NZZ sowie dem Zürcher Opernhaus gelegen, teilt das 4-Sterne-Hotel Opera seine moderne, offene Lobby mit dem anliegenden 3-Sterne-Haus Seehof und bietet dem Gast auf Wunsch etliche digitale Services. Schräg gegenüber, im neu umgebauten und erst gerade eröffneten 4-Sterne-Superior- und Small Luxury Hotel of the World Ambassador hat Interior-Designerin Ina Rinderknecht als Thema Zürichs Textilindustrie und ihre internationalen Handelspartner optisch umgesetzt.

Die Meili-Selection-Hotels gehören dem Verein Zürich City Hotels an, in dessen Vorstand Michael Böhler, der CEO der Meili-Hotelgruppe, amtet. Böhler ist auch massgeblich an der Schaffung eines vom Seco mit einem Innovationspreis geförderten «Synergy Board» beteiligt. Die Onlineplattform soll den Zürich City Hotels helfen, innerhalb der insgesamt 21 Mitgliederhotels passende Weiterbildungsmöglichkeiten für gute Mitarbeitende zu finden und diese möglichst lange zu halten. 

Christina Gubler