Es lässt sich bereits eine erste Bilanz ziehen: Die Küchenchefin Emma Betti und die Gastgeberin Charlotte Hennessy sind sehr zufrieden, wie sich das Lokal im Hotel Steffani in St. Moritz etabliert hat. Sie führen das Restaurant Dumpling in Altitude nun seit drei Monaten. Im vergangenen Winter im ehemaligen chinesischen Restaurant des Hotels vom Food-Kollektiv Madame Sum als Pop-up lanciert, findet das Konzept nun seine feste Fortsetzung. Wie in der letzten Saison stellt die Hotelière Daniela Märky dem Food-Kollektiv das Lokal und die Küche zu einer umsatzbasierten Miete zur Verfügung. Im Gegenzug erhält sie ein junges, hochwertiges und innovatives Gastroangebot ins Haus.
Und mit dieser Saison eben auch ein energievolles Frauenduo. Die 25-jährige Betti, gelernte Patissière aus Lausanne, hat hier in St. Moritz ihre erste leitende Position inne. Ihr Rüstzeug sammelte sie unter anderem im 3-Sterne-Lokal Mirazur des Spitzenkochs Mauro Colagreco in Menton (F) sowie im 2-Sterne-Restaurant Ecriture bei Maxime Gilbert in Hongkong. So eignete sie sich neben ihrem Patisserie-Handwerk hochstehendes Küchen-Know-how an.
Kannst du schwierige Situationen wegstecken, gibt dir der Job viel Befriedigung.
Charlotte Hennessy, Restaurant Manager im «Dumpling in Altitude» in St. Moritz
Die 28-jährige Hennessy aus Genf hingegen studierte an der Ecole hôtelière de Lausanne. Danach war auch sie in Hongkong tätig – wo sich die beiden jungen Frauen kennenlernten. In der lebendigen Metropole führte Hennessy als Restaurant Manager ein reines Frauenteam und machte so ihre ersten Führungserfahrungen. An Männerteams gewohnt, sei dies eine Umstellung gewesen: «Meine Mitarbeiterinnen – alle älter als ich – waren einerseits fürsorglich und warmherzig, hatten aber andererseits sehr hohe Ansprüche an meine Führungskompetenz und waren dementsprechend kritisch.» [IMG 3-5]
Dieses Verhalten führt Hennessy darauf zurück, dass Frauen grundsätzlich emotionaler involviert seien als Männer, generell jedoch mehr leisten müssten, um Anerkennung zu bekommen. «Im Gegenzug erwarten sie entsprechend viel von anderen Frauen – gerade von Frauen in Führungspositionen», ergänzt Betti. Oder hat die Skepsis gegenüber weiblichen Führungskräften damit zu tun, dass Frauen in Führungspositionen in der Gastronomie und Hotellerie immer noch rar sind? Insbesondere die Küchen sind sehr männerdominiert. Und vielerorts herrscht nach wie vor ein rauer Umgangston. «Ich habe in Küchen vieles erlebt, das nicht sehr respektvoll war», erinnert sich Betti. Doch glücklicherweise finde nun langsam ein Kulturwandel statt.
Je mehr Frauen sich mit Elan und Erfolg in der Branche behaupten, desto besser.
Daniela Märky, Hotelière, Hotel Steffani, St. Moritz
Entsprechend ist es Betti und Hennessy wichtig, dass sie in ihrem eigenen fünfköpfigen Team einen respektvollen Umgang pflegen und den menschlichen Aspekt nicht vernachlässigen. Erleichternd komme sicher dazu, dass sie sich sehr gut kennen würden und einen engen und ehrlichen Austausch untereinander pflegten. Und sie setzen auf Diversität. Denn sie sind überzeugt, dass gemischte Teams am idealsten sind. Dazu kommt, «dass jeder im Team wichtig ist. Unabhängig davon, ob er die Teller abwäscht oder ein raffiniertes Gericht kreiert», konstatiert Betti.
Diesen Tenor verfolgt auch Märky, die ein Team von 100 Mitarbeitenden führt. «Mir ist es wichtig, mit anzupacken. Ich bin nicht die Direktorin, die nur im Büro sitzt. Ich will nahbar sein für mein Team.» So hat sie sich rasch Respekt verschaffen können. Sich die Anerkennung der Gäste zu erarbeiten, war hingegen ein härteres Stück Arbeit.
Ich musste mir den Respekt erarbeiten – bei den Mitarbeitenden und bei den Gästen.
Daniela Märky führt zusammen mit ihrer Schwester Francesca Märky das Hotel Steffani
Die heute 36-jährige Märky übernahm das Hotel vor sechs Jahren von ihren Eltern. Die Stammgäste hatten zu Beginn Mühe, sich an eine junge Hotelière zu gewöhnen, und sahen in ihr in erster Linie die Tochter. Und die neuen Gäste machten grosse Augen, wenn ihnen auf Nachfrage nach dem Chef eine junge Frau entgegentrat. Denn es war ein ungewohntes Bild – die St. Moritzer Luxushotellerie ist von Männern geprägt.
«Erst allmählich, als ich eine Renovation in Angriff nahm und neue Konzepte initiierte, wurde den Leuten klar, dass es mir ernst ist und ich nicht einfach ‹die Tochter von› bin», so Märky. «Das war nicht immer ein Zuckerschlecken und hat eine dicke Haut erfordert.»
«Es gilt, auch mal bestimmt und klar Grenzen zu setzen»
Auf die Zähne beissen mussten auch Betti und Hennessy in ihren bisherigen Stationen. Betti erinnert sich an so manche vergossene Träne, Hennessy an ihre phasenweise Verzweiflung. «Doch kannst du diese schwierigen Situationen wegstecken, gibt dir dieser Job eine grosse Befriedigung», erzählt Hennessy. Und Betti doppelt nach: «Ich schätze das direkte Feedback der Gäste. [DOSSIER]
Diese Unmittelbarkeit liebe ich an meinem Beruf.» Doch hier hakt Hennessy mit einem tiefen Lachen ein. Sie ist es, die positives Feedback entgegennimmt, aber auch mit Reklamationen konfrontiert wird. Der direkte Kontakt sei schön, aber einfach seien die Gäste nicht. «Gerade ältere Männer treffen den richtigen Ton nicht immer. Da gilt es, auch mal bestimmt und klar Grenzen zu setzen», so Hennessy. Denn nur Worte und Taten tragen zur Veränderung bei, sind die drei Frauen überzeugt. Umso mehr freut sich Märky, zwei junge, toughe Gastronominnen im Haus zu haben: «Je mehr Frauen sich mit Elan und Erfolg in der Branche behaupten, desto besser.»
Bernadette Bissig