Dank dem Fortschritt der Digitalisierung lässt es sich heute überall arbeiten. Lautete die Devise während der Pandemie noch Homeoffice, stellt sich die Arbeitswelt neuerdings vermehrt auf die Workation – aus dem englischen «work» und «vacation» – ein. Der Laptop wird kurzerhand in die Reisetasche gepackt, das Feriendomizil für mehrere Wochen zum Büro. Durch den gesellschaftlichen Wertewandel verschwimmen die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit immer mehr.
Für Arbeitnehmer ergibt sich so ein inspirierender Tapetenwechsel, ohne dass er Ferien beziehen muss; Arbeitgeber generieren im Zuge des Fachkräftemangels durch das Angebot mehr Attraktivität und Mitarbeitendenbindung. Für die Tourismusbranche wiederum kann das flexible Arbeiten gar zum Umsatztreiber werden. Dies war eine Kernerkenntnis am letzten Innotour-Transfer-Workshop «Walk the Talk» in Zürich.
Workation im Hotel
Wi-Fi-Zugang und IT-Support vor Ort
Die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Workation ist gesichertes High-Speed-Internet und Wi-Fi auf dem gesamten Hotelgelände. Ausreichend Steckdosen für elektronische Arbeitsmittel sowie genügend Druckmöglichkeiten sind ein Muss. Der Fernsehbildschirm im Hotelzimmer sollte auch als Computerbildschirm genutzt werden können und auf Augenhöhe installiert sein.
Ergonomische Arbeitsplätze
Auch im Workation-Büro wirken sich höhenverstellbare Schreibtische und ergonomische Sitzgelegenheiten im Hotelzimmer, Seminarraum und in den Co-Working-Spaces auf das körperliche Wohlbefinden der Gäste aus. Die Arbeitsplätze sollten ruhig und angemessen ausgeleuchtet sein. Getränke udn Snack sollten jederzeit zur Verfügung stehen.
Touristisches Freizeitangebot
Ein Ausflug mit der Gondelbahn, eine Biketour oder ein Skitag gehören zur Workation dazu. Kooperationen mit den regionalen Tourismusanbietern, gerade auch in der Nebensaison, lohnen sich.
Kinderbetreuung inbegriffen
Damit auch arbeitende Eltern in die Workation gehen können, ist ein hotelinterner Kinderhütedienst mit entsprechendem Rahmen- und Unterhaltungsprogramm ein zeitgemässer Service.
Workation ist in der Schweiz noch wenig sichtbar
Gemäss einer Umfrage von Airbnb vom Oktober 2021 gaben 58 Prozent der Befragten an, Beruf und Freizeit stärker miteinander kombinieren zu wollen. Auch die Resultate der Co-Workation-Alps-Studie aus dem Jahr 2021 zeigen diesen Trend auf: Sechs von zehn befragten Berufstätigen können sich Workation vorstellen. Zwei Drittel der Arbeitgebenden wären grundsätzlich bereit, Angestellten Workation anzubieten.
Während die grossen Schweizer Reiseanbieter wie Kuoni und Hotelplan die Mischung aus Ferien und Arbeit für Touristen sowie Mitarbeitende aktiv bewerben, hinken Schweizer Destinationsvermarkter noch hinterher. In der Studie «Discover the best destinations for remote work» von remote.com belegt die Schweiz gerade mal Rang 40 von total 100 untersuchten Ländern. Das hiesige Angebot ist im Vergleich zum Ausland auf den wenigsten Destinations- und Beherbergungslplattformen sichtbar.
Wählt man beispielsweise die Website Valais/Wallis Promotion an, erscheint zwar in grossen Lettern «Leben und Arbeiten im Wallis», das Schlagwort «Workation» sucht man aber vergeblich. Dabei entstand der erste Schweizer Co-Living-Workation-Space im Walliser Bergdorf Grimentz. «Swiss Escape» richtete 2016 zwei Chalets in Gehdistanz zu Restaurants, Einkaufsmöglichkeiten und Bergbahnen nach den Ansprüchen digitaler Nomaden ein. Seit der Eröffnung verbrachten bereits mehr als 500 Gäste, hauptsächlich aus Europa und den USA, einen Workation-Aufenthalt in Grimentz. Während 7 bis 30 Tagen nutzten sie die touristischen Freizeitangebote vor Ort und machten mit ihren Social-Media-Posts wertvolle Werbung für das Unterwalliser Bergdorf.
So erlebt man die Tourismusregion auch während der Arbeit wie ein Gast.
Mirjam Wüthrich, Tourismusverantwortliche bei der Standortförderung Zürioberland
Touristiker wechseln die Seiten und werden zum Gast
Touristiker, die auf den Workation-Trend aufspringen, dürften aber nicht nur zusätzliche Gäste generieren. Für sie selbst ergibt sich durch einen Aufenthalt in der eigenen Destination ein wichtiger Identifikationswert mit der zu vermarktenden Region.
2021 nutzte Zürioberland Tourismus (heute Standortförderung Zürioberland) den Office Caravan des gleichnamigen Schweizer Anbieters für interne Mitarbeiter-Workshops. «So erlebt man die Tourismusregion auch während der Arbeit wie ein Gast», sagt Mirjam Wüthrich, Tourismusverantwortliche bei der Standortförderung Zürioberland.
Laut Annina Coradi, Creative Owner bei Office Caravan, findet das Angebot gerade unter Touristikern Anklang. «Meist sind es sehr innovative und kreative Organisationen wie Pontresina, Engadin, St. Moritz oder die Standortförderung Zürioberland.» Dieses Jahr fand auch der Event Innocircle von Graubünden Ferien im Office Caravan statt; seit 2022 ist das Angebot von mia Engiadina. Kooperationen mit Hotels und Beherbergern würden stetig ausgebaut, so Coradi.
Neuer Inn Hub mit viel Workation-Potenzial
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In La Punt Chamues-ch (GR) entsteht bis 2025 ein Treffpunkt für Arbeitstouristen, Feriengäste und Einheimische. Der 90-Millionen-Franken-Komplex wurde vom Stararchitekten Norman Foster entworfen. Investoren, darunter der Schuhhersteller On, sichern die Finanzierung. Integriert werden moderne Arbeitsplätze und Seminarinfrastruktur, ein Restaurant mit Bar, ein Pop-up-Store mit lokalen Produkten, Therapieräume und Spa sowie bewirtschaftete Wohnungen und 70 zusätzliche Gästebetten. Die Engadin St. Moritz Tourismus AG eröffnet einen Informationsdesk im Inn Hub.
«Es geht um nahbare Vernetzung, um Begegnungen», so Gioia Deucher. Die CEO des Inn Hub verspricht «eine neue Form des Tourismus», der die nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung für die Region zugrunde liege. Die Saisonalität soll bewusst durchbrochen werden, indem während der Nebensaison spezifische Events stattfinden. Während der Hauptsaison ist der Inn Hub zwar geöffnet, wird aber nicht speziell gepusht. Man wolle bestehende touristische Anbieter nicht konkurrieren, sondern ein nachhaltiges Zusatzangebot schaffen, sagt Deucher. www.innhub.ch