Ueli Schneider ist Leiter Business Development bei HotellerieSuisse.
Langsam werden die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise sichtbar, und eine Entwicklung lässt sich abschätzen. In vielen Schweizer Städten sind die Aussichten für die Hotellerie derzeit düster. Wann kommen die Geschäftsreisenden zurück, wann sind die asiatischen und amerikanischen Touristen wieder da? Wohl leider noch lange nicht. Und bis dahin wird mancher Betrieb trotz Kurzarbeit nicht darum herumkommen, die Anzahl Mitarbeitende zu reduzieren. In den Bergen hingegen läuft die Sommersaison vielerorts gut an. Bereits erreichen uns Berichte, dass dort qualifizierte Mitarbeitende wie zum Beispiel Köche händeringend gesucht sind.
Vermeintlich einfache Lösung: Arbeitslose Branchenprofis aus den Städten in die Berge vermitteln. Ich bin überzeugt, diese Scheinlösung werden wir bald von einigen Politikern und den Medien zu hören bekommen. Scheinlösung deshalb, weil ein geografischer Transfer von Mitarbeitenden höchstens im Einzelfall funktioniert – das zeigt die Erfahrung von vor der Krise. Doch weshalb funktioniert die Binnenmigration eigentlich nicht? Und was bewegt viele gute Mitarbeitende dazu, lieber die Branche zu wechseln, als sich innerhalb der Hotellerie weiterzuentwickeln?
Die Antwort ist: Wir wissen es nicht. Jedenfalls nicht statistisch fundiert. Welche Massnahmen tragen Mitarbeitende in der Krise mit, welche nicht? Was ist den Mitarbeitenden in der Schweizer Beherbergungsbranche wirklich wichtig? Gerade jetzt brauchen wir Antworten auf solche Fragen. Höchste Zeit für Fakten, um passende Lösungen zu entwickeln, denn der Fachkräftemangel wird in wenigen Jahren in allen Regionen wieder zurück sein.
Klar lassen sich schon jetzt einige plausible Annahmen dazu machen, was die berufliche Bindung stärkt: Wertschätzung. Entwicklungsperspektiven. Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Aber wie nah dran die Hotellerie aktuell ist, solche Attraktoren zu bieten, und welche davon am meisten bringen (würden), wissen wir nicht. Dass in der Öffentlichkeit sehr unterschiedliche Bilder von der Branche als Arbeitsort umgehen, ist da nicht eben hilfreich: hier Branchenstolz, da Branchen-Bashing, hier lebenslange Leidenschaft, da Blicke zurück im Zorn. So bunt gemischt wie das Leben im Hotel selbst, könnte man sagen. Doch leider keine geeignete Ausgangslage, um wirkungsvolle Massnahmen zu entwickeln, damit gute Leute der Branche treu bleiben.
Betrieb ist nicht gleich Betrieb und das Umfeld oft genauso unterschiedlich, auch wenn das Image «der» Hotellerie dann doch alle berührt. Gerade deshalb brauchen wir ein branchenweites, nationales sowie regionales Bild davon, was die Fachkräfte der Hotellerie lockt – oder schreckt. Sollten sich dabei Unterschiede zwischen Ost und West, Stadt und Land, Küche und Réception zeigen, kann entsprechend gezielt reagiert werden. Stellt sich heraus, dass überall die gleichen Anliegen vorherrschen, erlaubt dies vollen Einsatz für die (machbaren) Lösungen, die es am meisten braucht und die allen etwas bringen. Auch die Hotellerie als Ganzes kann beim Thema Fachkräfte nur gewinnen, wenn sie weiss, wie es denen geht, um die es geht. Wegen der Corona-Krise werden wir unsere Projekte im Kontext des Fachkräftemangels anpassen und zeitlich neu ausrichten müssen. Die Resultate der Umfrage (siehe unten) helfen uns – dann, wenn die Beherbergungsbranche wieder überall in voller Fahrt ist –, mit gezielten Massnahmen gegen den Fachkräftemangel aufzuwarten. Und das wird hoffentlich schon viel früher der Fall sein, als wir alle meinen.
Erste Mitarbeitendenumfrage
Die erste landesweite Mitarbeitendenumfrage in der Hotellerie ermittelt, wie die Beschäftigten die Branche erleben, z. B. in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Entwicklungsperspektiven, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und das Image der Hotellerie. Dazu hat eine Stichprobe von 9000 Mitarbeitenden in HotellerieSuisse-Mitgliederbetrieben zwischen Februar und Juni 2020 einen Fragebogen erhalten. Dieser liegt dem Vorsorgeausweis der Hotela bei und kann auch online ausgefüllt werden. Die Umfrage findet statt im Rahmen der strategischen Initiative Future Hospitality! von HotellerieSuisse (futurehospitality.ch) und wird vom Meinungsforschungsinstitut gfs.bern durchgeführt, wodurch die Vertraulichkeit gewährleistet ist.