Der Bundesrat lässt die Herzen der Schweizer Hotelbranche höher schlagen: Just vor den Sommerferien hat er die Einreisebestimmungen erneut gelockert. Die Schweiz erlaubt seit vergangenem Wochenende die quarantänefreie Einreise aus dem Schengen-Raum. Zudem hat sie die Testpflicht mehrheitlich aufgehoben; sie gilt nur noch für Personen, die mit dem Flugzeug einreisen und weder geimpft noch genesen sind. Auch Kontaktdaten müssen nur noch bei der Einreise mit dem Flugzeug angegeben werden. Zudem ist die Einreise aus Drittstaaten wie den USA und Serbien wieder möglich.
Weil gleichzeitig die Regierungen in wichtigen Quellmärkten ihrerseits die Schweiz von der Liste der Risikoländer gestrichen haben oder nicht mehr von Ferien in der Schweiz abraten (siehe Text unten), steigt die Hoffnung unter hiesigen Hoteliers und Hotelièren auf ein gutes Sommergeschäft. Doch wie steht es um die im letzten Sommer besonders wichtigen Gäste aus dem Inland (siehe Grafik)? Verreisen Schweizerinnen und Schweizer jetzt in Scharen ins Ausland?
[IMG 2]Buchungen aus dem US-Markt ziehen an
Die Vermarktungsorganisation Schweiz Tourismus zeigte sich letzte Woche «vorsichtig zuversichtlich». Sie prognostizierte, dass Gäste aus Deutschland und Frankreich dieses Jahr deutlich öfter in der Schweiz logieren werden als noch im Jahr davor. Für Deutschland rechnen die Fachleute mit einem Anstieg der Übernachtungszahlen um 15, für Frankreich sogar um 20 Prozent.
Die Anbieter spüren eine steigende Nachfrage aus den Nachbarländern sowie aus den Benelux-Staaten. Laut Conrad Meier, Hotelier und Präsident von Luzern Hotels, verzeichnen die Hotels in seiner Region vor allem für August einen Anstieg der Buchungen aus Europa. Auch aus dem US-Markt kämen vermehrt Buchungen – für den Zeitraum Ende August, Anfang September.
Gleichzeitig stagniere die Nachfrage aus der Schweiz, teilt Meier mit. Eine Beobachtung, die Thomas Kübli teilt. Der Hotelier führt in der Stadt Bern zwei Betriebe und ist Vorstandsmitglied bei HotellerieSuisse Bern+ Mittelland. «Im Frühling hatten wir noch sehr viele Schweizer Familien, die Zimmer für einen bis drei Tage gebucht haben; das hat merklich nachgelassen.»
Im Frühling hatten wir noch sehr viele Schweizer Familien; das hat merklich nachgelassen.
Thomas Kübli
Vorstandsmitglied bei HotellerieSuisse Bern+ Mittelland.
Welle der Buchungen im Ausland schon abgeebbt
Die Nachfrage aus der Schweiz hat sich ins Ausland verlagert: «Gleich nach den vom Bund kommunizierten Lockerungen Ende Mai stiegen die Buchungen für das Ausland rasant an», sagt Marcel Meek, Geschäftsführer des Feriendomizil-Vermittlers e-Domizil. Besonders begehrt seien Reisen in die Nachbarländer Italien, Deutschland, Frankreich und Österreich, heisst es beim Reiseanbieter Railtour-Frantour.
Das Reisebüro hat aber auch gute Neuigkeiten für die hiesige Branche: «Auch die Schweiz ist nach wie vor sehr gefragt. Für den Sommer 2021 haben wir sogar höhere Buchungszahlen als 2020», sagt Sprecherin Liliane Rotzetter. Und auch laut Meek von e-Domizil ist die grosse Welle der Buchungen im Ausland bereits wieder etwas abgeflacht: In der ersten Juni-Hälfte war noch jede dritte Buchung ein Ferienobjekt im Ausland, seit zwei Wochen nur noch jede fünfte.
Alle winken ab: Bisher keine Probleme mit Stornierungen
Buchen Schweizerinnen und Schweizer Ferien im eigenen Land als Back-up und entscheiden dann kurzfristig, ob sie nicht doch ins Ausland reisen und das Hotel oder die Ferienwohnung in der Schweiz stornieren wollen? Dieses Szenario lässt sich noch nicht ganz ausschliessen. Bisher hat es sich allerdings nicht manifestiert.
Alle angefragten Akteure winken ab: So weit habe es keine Probleme mit Stornierungen gegeben. Möglicherweise seien viele Schweizerinnen und Schweizer von den negativen Nachrichten über die Delta-Varianten verunsichert und verbrächten erneut Ferien in der Heimat, mutmasst der Luzerner Hotelier Meier. Ihm sei aber bewusst, dass sich die Lage rasch ändern könne.
Profitieren können die Ferienregionen, weniger die Städte
Seine Region zeigt zudem eine Herausforderung exemplarisch: In den klassischen Ferienregionen rund um Seen und in den Bergen stellen sich die Hotels auf einen guten Sommer ein, in den Städten haben sie es erneut schwer. Dort hoffe man auf Events wie das Lucerne Festival, die einen wichtigen Beitrag zu einer leichten Erholung leisten könnten, sagt Meier.
Auch in der Stadt Bern kommt die Nachfrage aus dem Ausland nur stockend in die Gänge. Zwar meldeten sich ausländische Tour Operator neuerdings wieder, sagt Kübli, «allerdings kaum mit konkreten Buchungen». Für ihn und seine Kollegen ist klar: Speziell das Eventgeschäft ist nach wie vor «sehr verhalten».
Erfreuliche Zeichen aus Deutschland und den USA
Dass die Schweiz ausländische Touristen ins Land lässt, ist das eine. Wie aber steht es um die Reiseempfehlungen und die Vorschriften bei der Wiedereinreise in die wichtigen Quellmärkte? Rechtzeitig auf die Sommerferien hat Deutschland letzte Woche die ganze Schweiz von der Liste der Risikogebiete gestrichen. Auch für Frankreich gilt die Schweiz als «grünes» Land. Für Italien gilt die Schweiz als «C-Land», besser eingestuft sind derzeit nur San Marino und Vatikanstadt.
Polen, das Land, das 2021 der Schweizer Hotellerie bisher am viertmeisten Logiernächte beschert hat, kennt zwar eine Quarantänepflicht für Rückkehrende aus der Schweiz. Diese lässt sich aber mit einer Impfung oder einem Covid-Test nach der Einreise einfach umgehen. Hoffnung macht zudem der Entscheid der US-Behörden: Seit ein paar Wochen raten sie nicht mehr von Reisen in die Schweiz ab.