Die Aussichten der Basler Hotellerie für den diesjährigen Herbst und Winter sind im Vergleich mit anderen Deutschschweizer Städten besonders düster. Es wird im Durchschnitt eine Auslastung zwischen 20 und 25 Prozent erwartet (siehe Grafik). Die am Innovation Festival des Milestone (siehe Box) entstandene Idee einer dezentralen Messe in Basler Hotels wird die Auslastung der Basler Hotelbetten zwar kurzfristig nicht erhöhen. Doch sie ist eine willkommene Aktivität in dieser Krisenzeit, der Prototyp in Form einer Wein- und Biermesse wurde innert Kürze aus dem Boden gestampft: Die neue «Vinière» findet erstmals vom 19. bis 21. November in Basel statt. Respektive in den 15 Basler Hotels, die sich an der ersten Vinière beteiligen. Erwartet werden 200 bis 300 Gäste.

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Die Gründe für die Beteiligung sind unterschiedlich. Petra Emmel, General Managerin des Sorell Hotel Merian in Basel, ist schon allein aus Solidarität mit von der Partie. Auch die Erwartungen der Hoteliers an das neue Messeformat variieren. Während Esther Brühwiler, Direktorin des Hotel Basel, die Messe insbesondere als PR-Anlass für den Lokalmarkt einstuft, sieht Franz-Xaver Leonhardt für das neue Messeformat auch für die Zeit nach Corona durchaus Marktchancen.

Am 13. und 14. August fand das erste Milestone Innovation Festival statt. Rund 50 Teilnehmende haben sich in 11 Teams einer Challenge angenommen und innert 30 Stunden einen Lösungsansatz für ihre Fragestellung erarbeitet. Jonas Schäfer vom «Les Trois Rois» reichte das Projekt «Baselcon.ch» ein, eine Art Airbnb für Messen. Aus der Idee entstand nun die erste Messe in Basler Hotels, die «Vinière».
innovationfestival.ch

Generell freut man sich aber schlicht, dass «wieder etwas läuft», wie es Selinda Geyer, Co-Direktorin des Gaia Hotel in Basel, ausdrückt. «Wir probieren etwas aus, und das ist gut.» Es ist ein «Zeichen nach aussen», meint Petra Emmel. «Wir zeigen mit der Aktion: Uns Basler Hotels gibt es noch.» Eine Positivmeldung in Zeiten, in denen oft nur jedes fünfte Bett im Hotel belegt ist. «So eine Aktion ist auch emotional für uns Hoteliers wichtig», betont Emmel.

Zimmerkapazitäten gibt es aktuell genug, um neue Verwendungszwecke zu testen. «Wir haben nichts zu verlieren», konstatiert Geyer. Gewinnen könne man dagegen Erfahrung: wie sich ein dezentraler Messeevent in Hotels durchführen lässt. Ein Prototyp auch für andere Formate. Zum Beispiel für ein Musikfestival, welches abgestimmt in verschiedenen Basler Hotels stattfindet.

Mit der ersten Wein- und Biermesse prüft man die Zusammenarbeit unter den Hoteliers und was betriebsintern und betriebsübergreifend für ein gemeinsames Verkaufsprodukt nötig ist. «Zeit, um Dinge zu testen, haben wir aktuell genug», so Geyer. Trotzdem gelte es, gut abzuwägen, was Sinn mache und was nicht, betont Emmel. «Wir dürfen nicht in puren Aktivismus verfallen.»

Bei der ersten Wein- und Biermesse sind die Hotels angehalten, ihre bestehenden Partner als Aussteller zu gewinnen. Bei späteren Messen möchte man über eine Business-to-Business-Internetplattform die Verknüpfung zwischen Ausstellern und Hotels ermöglichen.

Selinda Geyer kann sich vorstellen, dass die Kunden auf das neue Format ansprechen. «Viele Basler werden schon allein aus Neugierde kommen.» Einfach vorbeischauen geht bei der neuen Messe aber nicht. Das Ticket kostet pro Tag 20 Franken, so Jonas Schäfer, der den Event in Zusammenarbeit mit dem Basler Hotelier-Verein und der Agentur 89grad initiiert hat. 20 Franken, die helfen sollen, Unkosten wie jene für das Werbematerial zu decken.

Die neue Vinière findet erstmals vom 19 bis 21. November 2020 in Basel statt. Respektive in den 15 Basler Hotels, die sich an der ersten Vinière beteiligen. Es werden 200 bis 300 Gäste erwartet, das Tagesticket kostet 20 Franken. Die Messe gilt als Prototyp für weitere Aktivitäten dieser Art in Basler Hotels. Organisiert wird die Messe von Jungunternehmer Jonas Schäfer, dem Basler Hotelier-Verein und der Agentur 89grad.
viniere.ch

Bereits im ersten Jahr Geld mit der Messe zu verdienen, damit rechnet keiner der Beteiligten. «Unser Ziel ist, dass die Kosten gedeckt sind», so Geyer. Petra Emmel erwartet nicht, dass ihr Haus überrannt wird. All die Schutzmassnahmen und die wieder steigenden Fallzahlen schlagen auf die Ausgehfreude. Langfristig soll ein solches Messeformat aber durchaus Gewinn abwerfen. Jonas Schäfer sieht drei Einnahmequellen: Standflächenmiete (Aussteller), Gastronomieumsatz mit Firmenkunden und Individualgästen, Logiernächte, möglich wären zum Beispiel auch themenspezifische Packages.

Selinda Geyer kann sich durchaus vorstellen, dass eine solche dezentrale Messe auch für die Zeit nach der Krise ein attraktives Format ist. Messeformate ausserhalb von Messehallen, das könnte Zukunft haben. Das vermittelt mehr Eventcharakter und könnte dem seit langem abflachenden Messe-Business zumindest partiell wieder Auftrieb geben, hofft man.

Das Werbematerial zur ersten Vinière wie Flyer und Banner gestaltet ein Gaphic Designer. Die Tickets können ab Ende Oktober von den Gästen direkt über die Website Viniere.ch, die aktuell fertiggestellt wird, bezogen werden. Das Marke-ting wird von Pro Innenstadt Basel unterstützt. Kommunikation über die Medien ist ebenfalls geplant. Weitere Massnahmen in Sachen Marketing und Sales obliegen den Hoteliers. Für Hotels wie das Gaia, das bis anhin fast ausschliesslich auf internationale Kundschaft ausgerichtet war, ist lokales Marketing etwas völlig Neues. Nun kann man die Zeit nutzen, ein solches aufzubauen.


Nachgefragt bei Franz-Xaver Leonhardt
CEO Krafft Gruppe, mit den Hotels Krafft und Nomad, der Bar Consum sowie der Brauerei und Bar Volta Bräu.[IMG 2]

Franz-Xaver Leonhardt, Stadthotels leiden besonders unter der Corona-Krise. Sie führen zwei bis anhin sehr erfolgreiche Hotels in Basel, das Krafft und das Nomad. Wie geht es?

Es war im Sommer schon nicht einfach. Für den Winter erwarten wir aber eine deutlich schlechtere Situation. Wir haben für die Corona-Krise drei Szenarien formuliert: best, middle, worst case. Im Winter wird Letzteres eintreten.

Wie sieht dieses aus?

Wir machen uns viele Gedanken, wie wir den kommenden Winter mit unseren Hotels und Gastrobetrieben überstehen können. Wir erwarten eine Auslastung von unter 30 Prozent. Ich persönlich merke: Das schlägt so langsam aufs Gemüt. Als Hotelier ist man Gastgeber, nun ohne Gäste. Wir müssen Schulden machen und verdienen nichts. Unsere Business-Cases sind nicht darauf ausgelegt, laufend Geld zu verlieren. Eine ganz neue Situation.

Das Nomad ist ein Lifestyle- Hotel, das Krafft ein historisches 4-Sterne Boutique-Hotel. Gibt es Unterschiede?

Das «Nomad», das stärker von Businesskunden lebt, verliert noch mehr. Wir haben dort auch im Sommer nur ein Drittel des üblichen Umsatzes erzielt. Im «Krafft» lag die Auslastung bei 30 bis 45 Prozent. Zusammen mit der Gastronomie erreichte man hier den Break-even.

Die Gastronomie ist aktuell eine wichtige Stütze der Hotels.

Ich befürchte jedoch, nicht mehr lange. Die steigenden Fallzahlen und die steigende Arbeitslosigkeit auch in anderen Branchen als dem Gastgewerbe werden sich auf die Konsumfreude der Schweizer auswirken. Die Leute merken, dass das Geld knapp wird. Ich höre aus der Baubranche, dass die Aufträge wegfallen. Ich rechne nicht mehr mit so gutem Gastronomieumsatz im Winter. Nicht nur wegen des wegfallenden Weihnachtseventgeschäfts, der Restriktionen, der Maskenpflicht. Ich mache mir Sorgen um die Branche.

Wie wollen Sie mit Ihren Betrieben den Winter überleben?

Das werde ich mit meinem Team noch besprechen, es wird keine einfache Lösungsfindung sein. Im Augenblick ist das Bettenangebot in Basel für die geringe Nachfrage auf jeden Fall viel zu gross. Ich bin gespannt, wie lange grosse Hotelketten ihre Betriebe noch offen halten. Es rechnet sich nicht.

Das Ganze schlägt aufs Gemüt, wie Sie sagen. Was machen Sie für Ihre innere Balance?

Ich rede viel mit meiner Frau Catherine Leonhardt. Und ich hole mir professionelle Hilfe. Ich habe einen Coach mit psychotherapeutischer Ausbildung, mit dem ich mich immer wieder austausche. Auch wenn das Geschäft rundläuft. Gerade wenn Familie und Betrieb so eng verknüpft sind, ist das wichtig.