Mehr als die Hälfte der Mitarbeitenden in Hotellerie und Gastronomie sind weiblich. Doch in den Führungsetagen finden sich verhältnismässig wenig Frauen. Jeder vierte Mann im Gastgewerbe hat eine leitende Funktion inne, bei den Frauen ist dies nur knapp jede siebte. Die Branche liegt damit im schweizerischen Durchschnitt: Der prozentuale Anteil an weiblichen Vorgesetzten ist in der Gesamtwirtschaft nur wenig höher. Frauen im Gastgewerbe haben mehrheitlich keine Führungsfunktion inne: gut 60 Prozent. Bei den Männern sind es nur gut 40 Prozent.
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Die Gründe, dass Frauen die Karriereleiter seltener hochklettern, sind vielfältig. Im Gastgewerbe zeigt sich denn auch ein gewohntes Bild: Weibliche Gastrofachleute arbeiten häufiger Teilzeit als ihre männlichen Kollegen. Die Gastronomie weist mit über 50 Prozent sogar einen überdurchschnittlichen Anteil an Teilzeitbeschäftigten auf. Setzt man den Fokus aber auf die Beherbergungsbranche, fällt auf: Die Hotelièren sind Arbeitsbienen! Sie arbeiten viel häufiger Vollzeit (32 %) als Arbeitnehmerinnen in der Gesamtwirtschaft (18 %) – aber noch immer weniger stark als die Männer (37 %).
Mehr Teilzeit, weniger Lohn
Auch bei den Löhnen zeigt sich der Geschlechterunterschied, insbesondere bei leitenden Funktionen. Das Bundesamt für Statistik (BfS) rechnete aus, dass im Bereich Hotel, Gastronomie, Handel und Dienstleistung männliche Führungskräfte im Alter von 30 bis 49 Jahren durchschnittlich 1300 Franken mehr verdienen als die Frauen, ab 50 Jahren sogar um 1550 Franken mehr.[IMG 3]
Vergleicht man aber die Löhne nur im Gastgewerbe und über alle Stufen hinweg, sieht es weniger drastisch aus. Hotellerie und Gastronomie stehen sogar sehr gut da. Die aktuellste Untersuchung des BfS dazu zeigt, dass der unerklärte Anteil der Bruttolohndifferenz im privaten Sektor durchschnittlich 684 Franken pro Monat beträgt. Im Gastgewerbe beläuft sich dieser bloss auf 196 Franken pro Monat. Die Branche hat hier also die Nase vorne: Im Detailhandel waren es monatlich stattliche 624 Franken, in der Maschinenindustrie 931 Franken, im Kredit- und Versicherungsgewerbe sogar 1324 Franken.
Frauen haben vielleicht auch Angst, dass wenn sie es nicht packen, es dann heisst: Tja, sie ist halt eine Frau.
Selina Döringer (30), Geschäftsführerin Moosalpregion, Wallis
Ist das Gastgewerbe also doch gleichberechtigter als angenommen? Die Gründe für die geringe Differenz können leider gut anderswo liegen, nämlich bei den eher bescheidenen Löhnen der Branche. Ob im Management oder beim Fussvolk – es gibt wenig Luft nach unten und nach oben.
Ein ähnliches Bild wie im Gastgewerbe zeigt sich im Tourismus. Die Studie von World Tourism Forum Lucerne und Aptamind Partners in der Reise- und Tourismusbranche weltweit hat gezeigt, dass nur jeder zwanzigste CEO weiblich ist und weniger als ein Fünftel aller C-Level-Positionen mit Frauen besetzt sind. Und dies, obwohl die Branche ebenso viele Frauen wie Männer beschäftigt.
In Küchen habe ich vieles erlebt, das nicht sehr respektvoll war. Glücklicherweise findet langsam ein Kulturwandel statt.
Emma Betti (25), Restaurant Dumpling in Altitude St. Moritz
[IMG 4]Nachwuchshoffnung dank Mentoring
Wie sieht es bei der jungen Generation aus? Sind die jungen Kader im Gastrobereich weiblicher? Leider zeigt sich auch beim Nachwuchs ein traditionelles In der EHL Hospitality Business School mit ihren drei Campus in Lausanne, Chur-Passugg und Singapur sind 60 Prozent der Studierenden weiblich. Doch nur 17 Prozent der Absolventinnen und Absolventen der EHL, die eine Führungspositionen einnehmen, sind Frauen.
Wenn es um den Aufstieg auf der Karriereleiter geht, sehen sich Frauen nach wie vor mit grösseren Herausforderungen konfrontiert. Dies liegt aber nicht bloss daran, dass es ihnen an Mut oder Selbstvertrauen mangelt, um Positionen mit grösserer Verantwortung zu übernehmen. Neuste Studien zum Thema zeigen, dass von Frauen andere Qualitäten verlangt werden, um in Führungspositionen akzeptiert zu werden.
Mein Chef hat mich immer gepusht, Neues zu wagen. Ohne ihn wäre ich nicht da, wo ich heute bin.
Felicia Ludwig (39), Patissière im «Ornellaia» in Zürich und «Patissière des Jahres», Gault Millau 2022
Selbstvertrauen alleine reicht nicht. Eine Frau müsse auch «Wärme» ausstrahlen, um eine gleichwertige Chance zu haben. Die EHL hat das Problem erkannt und 2018 die Initiative «Women in Leadership» (WIL) ins Leben gerufen, um die Ausbildung weiblicher Führungskräfte zu fördern.[DOSSIER]
Auch die Verbandswelt der Branche ist männlich, sogar sehr: Nur 3,6 Prozent der Sitze in den Organen von HotellerieSuisse und der 13 Regionalvorstände sind mit Frauen besetzt. Es laufen nun zahlreiche Bemühungen, ein besseres Gleichgewicht herzustellen. Denn Diversität lohnt sich: Es ist durch zahlreiche Studien belegt, dass sich Vielfalt positiv auf die Mitarbeitenden, die Teams und auf das gesamte Unternehmen auswirkt.