Claude Meier, Sie sind vor einem Jahr ausgezogen, um die Welt zu umrunden. Welche Länder haben Sie am meisten überrascht?

Albanien und China.

Weshalb?

Ich hätte nie erwartet, dass in der ehemaligen kommunistischen Diktaktur Albanien die Gastfreundschaft so gross und die Strände so weit sind.

Und in China?

Die Stille in der Grossstadt Shenzhen. Dort ist der öffentliche und private Verkehr fast vollständig auf Elektrofahrzeuge umgestellt. Das ist ungewohnt und erholsam.

Sie haben in 200 verschiedenen Hotels in 134 Destinationen auf sechs Kontinenten übernachtet. Was können Sie allgemein über die Hotellerie erzählen?

Als Reisender schätze ich generell das Erleben von lokaler Authentizität.

In Indien und Nepal gibt es viele spirituelle Reiseziele, die internationale Gäste anziehen. Welche Konzepte haben Sie dort beobachtet, die in der Schweizer Hotellerie eine Rolle spielen könnten?

Ich hatte oft das Glück, Hotelbetriebe zu finden, welche gezielt die lokalen historischen, religiösen und kulturellen Elemente in ihre Betriebskonzepte aufgenommen haben.

Nennen Sie ein konkretes Beispiel.

Es zeigte sich am kulinarischen Angebot im Hotelrestaurant, an spirituellen und gesundheitsfördernden Kursangeboten, der spielerischen Einbettung des jeweiligen Hotels in die natürliche Umgebung oder die Aufnahme der lokalen Geschichte in das gesamte Hotel-Design. Hotelbetriebe, welche eine eigene, unverwechselbare Story in Verbindung mit der lokalen Gegebenheit erzählen und erlebbar machen, haben einen unglaublichen Trumpf sowie emotionalen Wert, der zum Weiterempfehlen des jeweiligen Hotels anstiftet.

Costa Rica gilt als Vorreiter für nachhaltigen Tourismus. Welche innovativen Umweltkonzepte in der Hotellerie haben Sie dort gesehen?

Ich erlebte verschiedene Betriebe, welche dank gezielten Partnerschaften mit lokalen landwirtschaftlichen Produzenten Angebote offerierten. So besuchte ich in Costa Rica zum Beispiel einen Kakao- und Kaffee-Bauern, der mir durch das Hotel vermittelt wurde – ein höchst spannendes und unvergessliches Erlebnis. Obwohl die Schweiz ähnliche Erlebnisse mit naheliegenden möglichen Partnern schafft, denke ich, dass es dank unserer Natur- und Kulturvielfalt weiteres Potenzial gibt. 

In Ländern wie Australien und Neuseeland ist die Digitalisierung im Tourismus weit fortgeschritten. Was haben Sie geschätzt?

Wenn Hotels mich als Edel-Backpacker direkt nach der Buchung über den kostenlosen Whatsapp-Service kontaktierten und diesen Austausch mit mir pflegten. Auch vom kontaktlosen, unkomplizierten Check-in und Check-out profitierte ich mehrfach. Technologie schafft dank teilweise simpler Instrumente weitere Möglichkeiten, um den Personalaufwand zu optimieren. Der richtige Mix zwischen Technologie und Mensch im Kontext der jeweiligen Hotelpositionierung macht es schlussendlich aus.

In Südostasien ist die Hotellerie stark vom Tourismus abhängig, und es gibt viele kreative Ansätze zur Personalgewinnung und -bindung. Welche haben Sie verblüfft?

Mein Reiseweg führte mich von der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh mit dem Flussschiff in das beschauliche Chau Doc in Vietnam. Als ich abends im Hotel ankam, erwartete mich die Hotelmanagerin persönlich an der Réception.

Ich schätzte, wenn Hotels mich als Edel-Backpacker direkt nach der Buchung über den kostenlosen Whatsapp-Service kontaktierten und diesen Austausch mit mir pflegten.

Warum wollte sie Sie persönlich treffen?

Sie hat aus meiner Buchung entnommen, dass ich Schweizer bin. Die 32-jährige Vietnamesin wollte mir von ihrer 4-Jahre dauernden Hotelfachausbildung in der Schweiz berichten, die sie noch heute als gut bewertet. Dies zeigte mir wieder einmal mehr, wie stolz wir auf unser duales Berufsbildungssystem sein dürfen, welches international anerkannt und gefragt ist.

Erschliessen sich aus dieser Erkenntnis neue Möglichkeiten für die Schweizer Hotellerie?

Die Unterstützung und aktive Weiterbildungsförderung von Mitarbeitenden erachte ich als wichtige und wertvolle unternehmerische Investition. Zudem schafft man dadurch Mitarbeiterbindung und wird als attraktive Arbeitgeberin auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen. 

Laos und Vietnam haben viele kleine, authentische Boutique-Hotels. Welche Erfolgsfaktoren haben Sie dort beobachtet?

Als Reisender will ich Länder entdecken und Kulturen besser verstehen. Gerade in den kleineren Betrieben erlebte ich oftmals sehr persönliche Gastfreundschaft. Die Gastgeberinnen oder Gastgeber vermittelten mir den Eindruck, dass ich bei ihnen «zu Hause» bin.

Was bedeutet für Sie «zu Hause sein»?

Sie führten mit mir auch mal eine Diskussion über Themen, die weit über die einfache Begrüssung oder die Verabschiedung hinausging. Diese persönliche Note, die Menschlichkeit, der Dialog, die Offenheit und Herzlichkeit hat mich immer wieder berührt. Wahrlich eine Bereicherung. Es klingt fast zu simpel, doch so naheliegend: die Menschen machen den Unterschied in der Hospitality aus.

In Metropolen wie Taipeh gibt es viele innovative Konzepte für Business- und Stadthotels. Welche Ansätze zur Gästebetreuung oder Raumgestaltung haben Sie dort entdeckt, die Schweizer Stadthotels inspirieren könnten?

Wenn man nach preiswerten Reisedestinationen wie Vietnam, Kambodscha und Laos in den erwähnten Grossmetropolen Chinas oder Taiwans ankommt, fällt einem zuallererst das deutlich höhere Preisniveau – vergleichbar mit der Schweiz – auf. Die äusserst knappen Wohnraumverhältnisse treiben in diesen Städten die Kosten für Wohn- wie Hotel-Räumlichkeiten massiv in die Höhe. Dies widerspiegelt sich folglich in den Übernachtungspreisen wie auch in kleinräumigen Hotel-Zimmerflächen. So hatte ich zum Beispiel in Hongkong wohl eines meiner kleinsten wie gleichzeitig teuersten Hotelzimmer während meiner ganzen Reise. Kompakte, clevere Raumlösungen sind da in der Hotellerie besonders gefragt. Ich denke da zum Beispiel an Inneneinrichtung und Mobiliar, mit welchem Räume flexibel nutzbar gemacht werden können.

Seit zwei Wochen sind Sie zurück in der Schweiz. Nach Ihrem langjährigen Engagement beim Kaufmännischen Verband und HotellerieSuisse: Welcher Verband wird der Nächste sein?

Oh, ich bin total offen. Damit ich die Weltreise bis zum Schluss geniessen konnte, beginne ich erst jetzt mit der Stellensuche. Parallel absolviere ich an der renommierten London School of Economics and Political Science (LSE) das berufsbegleitende Studium zum Executive Master International Strategy and Diplomacy in London.

Zur Person
Claude Meier (47) führte von Juli 2016 bis März 2023 als Direktor den nationalen Branchenverband HotellerieSuisse. Im Anschluss reiste er während eines Jahres einmal um den Globus, durchquerte dabei sechs Kontinente, 40 Länder, entdeckte 134 Destinationen und übernachtete in gegen 200 verschiedenen Hotels.