Zwar ist die grosse Kammer am Mittwoch in einigen Punkten ihrem Schwesterrat gefolgt und hat einige Differenzen ausgeräumt. In zentralen Punkten herrscht aber weiterhin keine Einigkeit. Es geht um Unterschiede bei den Corona-Finanzhilfen im Umfang von mehreren Milliarden Franken.
Der Bundesrat hatte zusammen mit der Gesetzesrevision einen Zusatzkredit für das Corona-Härtefallprogramm in Höhe von 10 Milliarden Franken beantragt. Insbesondere der Nationalrat hat verschiedene zusätzliche Wirtschaftshilfen im Gesetz verankert, was den Bundeshaushalt zusätzlich belasten wird.
Maurer «ein bisschen frustriert»
Finanzminister Ueli Maurer bezifferte die finanziellen Folgen der derzeitigen Parlamentsentscheide auf rund 4,7 Milliarden Franken. «Sie werden dieses Paket also um 20 bis 40 Prozent aufstocken.» Damit dürften laut Maurer die ausserordentlichen Schulden per Ende Jahr 30 Milliarden Franken erreichen, möglicherweise aber auch überschreiten. «Das, was wir in fünfzehn Jahren eingespart haben, haben wir damit ausgegeben.»
Maurer warnte zum wiederholten Mal vor den Konsequenzen: Mit diesen Beschlüssen sei heute eigentlich klar, dass in den nächsten Jahren wahrscheinlich relativ massive Sparpakete bevorstehen würden. «Es frustriert mich immer ein bisschen, dass man sich gar nicht um die Finanzen kümmert, sondern jetzt einfach in den Tag hinein lebt.»
Mehr Härtefälle «in Ausnahmefällen»
Die Einigungskonferenz wird sich am Mittwochmittag mit verschiedenen Differenzen beschäftigen müssen. Ein zentraler Punkt ist die Definition von Härtefällen. Wie heute soll ein Unternehmen als Härtefall gelten, das einen Umsatzeinbruch von mindestens 40 Prozent verzeichnet. Der Nationalrat möchte aber in nicht näher definierten Ausnahmefällen auch Unternehmen mit einem Umsatzminus von 25 Prozent berücksichtigen.
Wer Härtefallgelder bezieht, soll nach Ansicht des Parlaments ausnahmslos während drei Jahren keine Dividenden ausschütten und keine Kapitaleinlagen rückerstatten dürfen. Bei den Finanzhilfen für grosse Unternehmen geht es noch um Details. Grundsätzlich will das Parlament hohe Ausschüttungen von Härtefallgeldern an zusätzliche Bedingungen knüpfen und die Unternehmen verpflichten, im Falle eines Gewinns die Summe zurückzuerstatten.
Nichts wissen will das Parlament davon, dass behördlich geschlossene Betriebe auch anders entschädigt werden können. Die grosse Kammer sah zunächst vor, dass beispielsweise Restaurants À-fonds-perdu-Beiträge im Umfang von höchstens 30 Prozent des durchschnittlichen Umsatzes in der gleichen Jahresperiode in den Jahren 2018 und 2019 beziehen können sollen. Der Ständerat strich diesen Passus ersatzlos aus dem Gesetz. Der Nationalrat folgte ihm nun.
Mehr Selbstständige berücksichtigen
Noch unklar ist die Ausgestaltung der Massnahmen für die Veranstaltungsbranche. Das Parlament will Festivals, Messen und weitere Publikumsanlässe zusätzlich unterstützen. Sie sollen mit einem Gesuch beim Bund die Abgeltung ungedeckter Kosten verlangen können.
Laut dem Ständerat soll der Bund jedoch nur Veranstaltungen «von besonderer gesamtschweizerischer Bedeutung» entschädigen. Der Nationalrat will auch Publikumsanlässe «von regionaler Bedeutung» berücksichtigen. Zudem will er eine längere Geltungsdauer des entsprechenden Gesetzesartikels als der Ständerat.
Bereits einen Kompromiss gefunden haben die Räte bei der Hilfe für Selbständigerwerbende. Gemäss Parlamentsentscheid sollen künftig Personen als massgeblich eingeschränkt gelten, die in ihrer Unternehmung eine Umsatzeinbusse von mindestens 30 Prozent im Vergleich zum durchschnittlichen Umsatz in den Jahren 2015 bis 2019 haben. Heute ist ein Umsatzminus von mindestens 40 Prozent massgebend.
«Kantone kommen an ihre Grenzen»
Finanzminister Maurer warnte auch hier davor, die Spielregeln zu ändern. «Die Kantone werden damit an ihre Grenzen kommen.» Verschiedene neue Bestimmungen im Gesetz liessen den Kantonen «einen sehr grossen Interpretationsspielraum». Damit sei die Gefahr eines uneinheitlichen Vollzugs gegeben.
Zudem müssten die Kantone übers ganze Gesetz gesehen auch mit Mehrbelastungen rechnen. «Je nachdem, was Sie noch beschliessen, kann das Mehrausgaben von bis zu 1,5 Milliarden Franken für die Kantone ausmachen.»
Vereinfachung der Sporthilfen
Keine Mehrausgaben bedeuten die Neuerungen beim Mietrecht. Der Nationalrat will Erleichterungen für Mieterinnen und Mieter im Gesetz verankern, die mit der Bezahlung ihrer Mietzinsen und Nebenkosten im Rückstand sind. Die Zahlungsfrist für Betroffene soll ausgedehnt werden. Der Ständerat ist dagegen. Verzichtet wurde auf den Passus, wonach Mietvertragskündigungen innerhalb von sechs Monaten nach Aufhebung des Shutdown als nichtig erklärt werden sollten.
Neue Regeln will das Parlament auch bei der Unterstützung von Profisportklubs. Sie sollen nicht mehr zwingend Lohnkürzungen vornehmen müssen, um an À-fonds-perdu-Beiträge zu kommen. Wer die Regeln für Lohnkürzungen nicht einhält, könnte nach dem Kompromissvorschlag des Nationalrats immer noch die Hälfte der Beiträge erhalten.
Basis für Impfproduktion im Inland
Neu ins Gesetz aufgenommen hat das Parlament einen Passus, wonach der Bundesrat wichtige medizinische Güter selber herstellen lassen kann. Er soll auch die Finanzierung der Herstellung regeln. Damit soll die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit wichtigen medizinischen Gütern gewährleistet werden.
Schliesslich haben die Räte die Forderungen nach einem Impf-, Test- oder Genesungsnachweis präzisiert. Ein solcher Pass soll möglichst für die Ein- und Ausreise in andere Länder verwendet werden können.
Über den Antrag der Einigungskonferenz entscheiden die Räte am Donnerstag. Das revidierte Covid-19-Gesetz soll am Freitag parlamentarisch unter Dach und Fach gebracht werden.