Gäste: Kompensieren die Ausländer die Schweizer?
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Im Sommer 2022 erzielte die Schweizer Hotellerie gemessen an den Übernachtungen das zweitbeste Ergebnis der letzten dreissig Jahre. Während die Zahl der inländischen Gäste nach den Corona-Boomjahren wieder etwas zurückging, reisten umso mehr Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland in die Schweiz. Diese Tendenz dürfte sich 2023 fortsetzen. Die Frage ist nur: Können die zusätzlichen ausländischen die wegfallenden Schweizer Gäste erneut überkompensieren?
Die Erhebung «Buchungs- und Reiseverhalten der Schweizer Bevölkerung» von Allianz Partners zeichnet für 2022 das Bild eines Übergangsjahrs: Das Fernweh hatte die Leute zwar wieder gepackt – Reisen nach Nordamerika, Asien und Australien standen weit oben auf der Wunschliste –, tatsächlich machten Herr und Frau Schweizer aber vorwiegend Urlaub in der Heimat und im nahen Ausland. Überseeziele wurden noch kaum angesteuert. Dieser Nachholeffekt könnte nun einsetzen.
In einer Umfrage der Welttourismusorganisation UNWTO rechnet die Mehrheit der Fachleute erst im Jahr 2024 mit internationalen Tourismusströmen wie vor der Pandemie. Gleichzeitig dämpfen in wichtigen europäischen Quellmärkten wie Deutschland derzeit wirtschaftliche Sorgen die Reiselust. Handkehrum darf der Schweizer Tourismus 2023 – wie im Jahr davor – auf mehr Gäste aus den Fernmärkten hoffen.
Fachkräfte: Wer empfängt und bewirtet die Gäste?
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Kaum ein Hotel oder Gastrobetrieb kennt ihn nicht aus eigener Erfahrung: den Fachkräftemangel. Wie akut das Problem ist, lässt sich trotzdem nur anekdotisch, aber kaum statistisch feststellen. Im aktuellen Fachkräftemangel-Index von Adecco etwa ist die Branche zusammen mit anderen personenbezogenen Dienstleistungen weit hinten anzutreffen. Und im Fachkräfteindex des Beratungsbüros BSS rangiert das Gastgewerbe im Mittelfeld.
Auch die vergleichsweise hohe Arbeitslosigkeit in vielen gastgewerblichen Berufen steht im Widerspruch zur erlebten Realität der Betriebe. Das kann dazu führen, dass Behörden und Politik das Problem unterschätzen. Aufhorchen liess etwa Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), als er 2021 an einer Medienkonferenz sagte, er verstehe die Klagen der Wirte nicht. «Es sollte eigentlich nicht wirklich schwierig sein, Personal zu rekrutieren.» Die Statistik führt dazu, dass Berufe wie Hotelréceptionistin und Chef de Service weiterhin der Stellenmeldepflicht unterstellt sind, obwohl Betriebe Mühe bekunden, passendes Personal zu finden.
Eine der Forderungen von HotellerieSuisse für das neue Jahr ist deshalb die «realitätsnähere Erfassung des Fachkräftemangels». Ein entsprechendes Postulat hat Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi im Sommer eingereicht.
Energie: Kommt im nächsten Winter das Déjà-vu?
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Diesen Winter wird die Schweiz voraussichtlich ohne Energiemangellage überstehen. Ist das Problem damit gegessen? Keineswegs. Im Gegenteil spricht vieles dafür, dass uns das Thema auch im kommenden Winter und die Jahre danach umtreiben wird. Ein paar Beispiele: Der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, warnte etwa an einer Medienkonferenz mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen vor einer Gasknappheit im kommenden Winter. Der Bundesrat hat unlängst eine technische Lösung in Auftrag gegeben, mit der die Kontingentierung ab Winter 2023/24 im Falle einer Strommangellage noch präziser erfolgen könnte. Und im Ukraine-Krieg zeichnet sich weiterhin keine Entspannung ab – der Geheimdienst der an die Ukraine grenzenden Republik Moldau äusserte jüngst sogar Befürchtungen vor einer russischen Invasion im ersten Halbjahr.
So überrascht es nicht, dass viele Hotels die eingeleiteten Energiesparmassnahmen nicht als einmalige Aktion, sondern als dauerhafte Lösung sehen. Letztlich hat die Energiekrise auch die Nachhaltigkeitsdebatte zusätzlich befeuert: Massnahmen, die bisher nur angedacht waren, wurden unter Druck rasch umgesetzt. Damit wird die Branche gestärkt aus der Krise kommen. Denn sie stärkt so ihr Image als nachhaltiger Wirtschaftszweig und senkt die Energiekosten dauerhaft.
Konjunktur: Wie stark fällt die Flaute aus?
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Die aktuellen Prognosen der ETH-Forschungsstelle KOF sagen für nächstes Jahr einen konjunkturellen Bremser vorher. Das globale Bruttoinlandprodukt soll um magere 0,5 Prozent zulegen. In den für den Schweizer Tourismus wichtigen Auslandsmärkten EU und USA dürfte das Wirtschaftswachstum mit 0,3 Prozent sogar noch schwächer ausfallen. Etwas besser läuft es in der Schweiz: Hier prognostizieren die ETH-Fachleute ein Plus von 0,7 Prozent.
Aus makroökonomischer Sicht fordern auch Inflation, Wechselkurs und Zinsen die Branche heraus. Teuerung und konjunkturelle Abkühlung dämpfen die Konsumentenstimmung, wie BAK Economics in der November-Ausgabe von «Prognosen für den Schweizer Tourismus» festhält. Dass der starke Franken, der nicht nur im vergangenen Jahr gegenüber dem Euro zugelegt hat, sondern auch 2023 Rückenwind haben dürfte, bisher nur am Rande ein Thema ist, ist der kräftigen Inflation im Ausland zu verdanken. Dort steigen die Preise für touristische Dienstleistungen aktuell deutlich stärker als in der Schweiz. «Dieser Effekt dürfte beinahe die negative Wirkung der Aufwertung des Schweizer Frankens aufheben», heisst es im BAK-Bericht.
Für die Branche mit ihrem hohen Investitionsbedarf sind nicht zuletzt die Zinsen relevant. Sie werden, so die aktuelle Markteinschätzung, weiter steigen.
Wahlen: Wer vertritt die Branche im Bundeshaus?
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30 Jahre ist es her, dass ein Mitglied von HotellerieSuisse im nationalen Parlament sass, wie der Verband in seiner Broschüre «Politische Schlüsselthemen 2023» schreibt. Trotzdem finden die Anliegen der Beherbergungsbranche im Bundeshaus immer wieder Gehör. Das bestätigt auch Nationalratspräsident Martin Candinas im Gespräch mit der htr hotelrevue (siehe Seite 13, 14 und 15). Der Parlamentarischen Gruppe für Tourismus gehören knapp 60 Parlamentarierinnen und Parlamentarier des ganzen politischen Spektrums an. Sie ist damit eine der grössten Interessenvereinigungen der Bundesversammlung.
Dass es dem Tourismus Mal für Mal gelingt, seine Interessen im Parlament durchzusetzen, ist nicht nur engagierten Verbänden zu verdanken, sondern auch einer breiten Allianz. Die touristische Dienstleistungskette reicht nämlich von Beherbergung und Gastronomie über Detailhandel und Verkehr bis zu Kultur und Sport.
Wie wichtig eine angemessene Vertretung im Bundesparlament ist, hat eben erst die Wintersession gezeigt. Für die Branche zentrale Geschäfte wie die temporäre Erhöhung der Bundesanteile für Innotour-Projekte, die Ausweitung des SGH-Förderperimeters auf Stadthotels und die Digitalisierung der Meldescheine standen auf der Traktandenliste. Und das Parlament hat so abgestimmt, wie es sich die Hotellerie erhofft hat.