Seit Anfang 2013 wird die Zweitwohnungs-Initiative durch eine Verordnung des Bundesrats vorläufig umgesetzt. So verlangt es der am 11. März 2012 von Volk und Ständen angenommene neue Verfassungstext. Für 440 Gemeinden, deren Zweitwohnungsanteil aktuell über 20 Prozent liegt, gilt grundsätzlich ein Bauverbot für Zweitwohnungen. Die meisten liegen in den Kantonen Wallis, Graubünden, Tessin, Bern und Waadt.
Gemäss den Fürsprechern der Berg- und Tourismuskantone hat die Verordnung faktisch zu einem Baustopp geführt. Sie versuchten daher, ein mit Ausnahmen gespicktes Gesetz dringlich, also noch vor einem allfälligen Volksentscheid, in Kraft zu setzen. Das Risiko eines Referendums und damit eines Totalabsturzes nahmen sie in Kauf.
Kompromiss statt Konfrontation
Die Vorlage steuerte tatsächlich auf eine neue Abstimmung zu: Schon der Bundesrat hatte nach eigenem Bekunden den Spielraum des Verfassungsartikels vollständig ausgereizt. Der Ständerat baute trotzdem weitere Ausnahmen ein und die Nationalratskommission wollte noch mehr Erleichterungen für die betroffenen Gemeinden. Das Referendum war so gut wie beschlossen.
In dieser aufgeheizten Stimmung gelang es SVP und FDP, mit Vera Weber einen Kompromiss auszuhandeln. Die Initiantin sicherte im Austausch gegen substanzielle Zugeständnisse den Verzicht auf ein Referendum zu. SP und Grüne frohlockten, CVP und BDP blieben auf Konfrontationskurs und wurden überstimmt.
Mit dem Kompromiss kehrt in den betroffenen Regionen nun wieder Rechtssicherheit ein. Zur Verunsicherung von Grundeigentümern und Baubranche hatten allerdings auch einige Kantone und Gemeinden beigetragen. Noch bis Ende2012 bewilligten sie Baugesuche im Widerspruch zur neuen Verfassungsbestimmung. Ein Bundesgerichtsentscheid war nötig, um diese Praxis zu stoppen.
Spielraum für Gemeinden
Die seit 2013 geltende vorläufige Verordnung regelt nur die Grundsätze des Bauverbots, lässt aber viele Fragen offen. Nun stehen die neuen Regeln fest. Das gibt den betroffenen Gemeinden nun wieder Spielraum für Baubewilligungen.
Eine Erleichterung gegenüber heute ist vor allem die Möglichkeit, bestehende Gebäude zu erweitern. Nach geltendem Recht ist das nicht möglich. Das Zweitwohnungsgesetz hingegen erlaubt den Ausbau von Wohnungen um bis zu 30 Prozent der Fläche. Die Verfassungsmässigkeit dieser Lösung ist allerdings umstritten.
Auch die Umnutzung bestehender Gebäude ist einfacher möglich als heute. Derzeit ist nur der Umbau von landschaftsprägenden Bauten ausserhalb von Bauzonen erlaubt. Neu sollen auch «schützenswerte und ortsbildprägende» Gebäude in Bauzonen umgenutzt werden können.
Was das genau bedeutet, muss zwar noch konkretisiert werden. Klar ist aber, dass damit auch Umnutzungen in Ortskernen möglich werden. Da es ohnehin erlaubt ist, bestehende Erst- in Zweitwohnungen umzuwandeln, betrifft dies vor allemGewerbe- und Landwirtschaftsbauten, die bisher nicht bewohnt wurden.
Strenger als in der vorläufigen Umsetzung ist die Umnutzung nicht mehr rentabler Hotels geregelt. Diese dürfen nicht mehr vollständig, sondern nur noch zur Hälfte zu Zweitwohnungen umgebaut werden.
Die Ausnahmen für touristisch bewirtschaftete Wohnungen sind schon in der Verordnung vorgesehen. Diese betreffen Zweitwohnungen, die im Haus des Eigentümers liegen, sowie Zweitwohnungen im Rahmen eines strukturieren Beherbergungsbetriebs. Die Ausnahme für Wohnungen, die auf einer kommerziellen Plattform zur Vermietung ausgeschriebenen werden, ist am Widerstand der Initianten gescheitert.
Kein neuer Zweitwohnungs-Begriff
Zuletzt ist noch darüber gestritten worden, ob touristisch bewirtschaftete Wohnungen als Zweitwohnungen gelten sollten oder nicht. Der Nationalrat wollte sie zu den Erstwohnungen zählen, was in einigen Gemeinden den Zweitwohnungsanteil wohl unter 20 Prozent gedrückt hätte. Am Donnerstag ist er nun aber dem Ständerat gefolgt. Touristisch bewirtschaftete Wohnungen werden damit zu den Zweitwohnungen gezählt.
Die Definition von Erst- und Zweitwohnungen in der geltenden Verordnung deckt sich damit im Wesentlichen mit jener des Gesetzes. Beim Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) geht man daher nicht davon aus, dass es bei den betroffenen Gemeinden zu Verschiebungen kommt.
Wann das Gesetz und die zugehörige Verordnung in Kraft treten, entscheidet der Bundesrat. Angepeilt wird Anfang 2016, wie es beim ARE auf Anfrage heisst. (sda/npa)