Mit der Allgemeinverbindlicherklärung wird der Geltungsbereich eines GAV ausgedehnt auf alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber der betreffenden Branche. Heute gehört zu den Voraussetzungen, dass mehr als die Hälfte der Arbeitgeber und mehr als die Hälfte der betroffenen Arbeitnehmer beteiligt sind. Die beteiligten Arbeitgeber müssen überdies mehr als die Hälfte aller Arbeitnehmenden beschäftigen.
Die Initiativen der Nationalräte Olivier Feller (FDP/VD) und Jean-Paul Gschwind (CVP/JU) fordern neue Regeln: Wenn die beteiligten Arbeitgeber nicht die Hälfte, aber mindestens 35 Prozent aller Arbeitgeber darstellen, sollen sie mindestens 65 Prozent der Arbeitnehmer beschäftigen müssen.
Wenn der Anteil der Arbeitgeber zwischen 35 Prozent und 50 Prozent liegt, würde sich der erforderliche Anteil der Arbeitnehmer im selben Ausmass verändern und höchstens 65 Prozent und mindestens 50 Prozent betragen. Gegenstand der Allgemeinverbindlicherklärung könnte in diesem Fall nur sein, was direkt in Zusammenhang mit den Arbeitsbedingungen steht.
Die neuen Regeln waren in den vorberatenden Kommissionen der Räte umstritten gewesen. Die Wirtschaftskommission des Nationalrates (WAK) war zunächst dafür. Nach dem Nein der ständerätlichen Schwesterkommission war sie dann aber auch dagegen.
Mit den tieferen Quoren würde die Dominanz grosser Unternehmen mit vielen Arbeitnehmenden gestärkt, erklärte Kommissionssprecherin Petra Gössi (FDP/SZ). Zugleich sinke die demokratische Legitimation von Gesamtarbeitsverträgen.
Aus Sicht der Befürworter würden die neuen Regeln der veränderten Arbeitswelt Rechnung tragen. Die Regeln seien seit den 1950er-Jahren nie geändert worden, sagte Feller. Der freie Personenverkehr sei also nicht abgebildet. Heute gebe es viele kleine Unternehmen, das Arbeitgeberquorum sei immer schwieriger zu erreichen.
Die Mehrheit teilte diese Auffassung. Die Initiativen wurden gegen den Willen der Kommission mit 73 zu 112 Stimmen überwiesen. Diese gehen nun wieder an den Ständerat. (sda)