Das Zertifikat erleichtere aktuell das Reisen im In- und Ausland, das sei für das Tourismusland Schweiz von grosser Bedeutung, sagte Bundespräsident und Wirtschaftsminister Guy Parmelin am Montag vor den Medien in Bern. Wenn bei einem Nein zum Covid-Gesetz die rechtliche Grundlage für das Zertifikat verschwände, hätte das laut der Regierung verheerende Folgen für die Tourismus-, Gastro- und Hotelleriebranche, die sowieso schon unter Druck stehe.
Gesundheitsminister Alain Berset hob weitere Vorteile des Covid-Zertifikats hervor: «Das Zertifikat verhindert Schliessungen», sagte er. Das Instrument habe sich in den vergangenen Wochen bewährt. Die Zertifikatspflicht bleibe aber nur so lange in Kraft wie notwendig. «Wir schauen uns das jede Woche an.»
Gegenseitige Anerkennung der Zertifikate fiele weg
Würde das Covid-Gesetz Ende November von der Stimmbevölkerung abgelehnt, träten die Bestimmungen der dringlichen Vorlage laut dem Bundesrat am 19. März 2022 - ein Jahr nach der Verabschiedung durch das Parlament - ausser Kraft. Von diesem Zeitpunkt an könnten also beispielsweise keine Covid-Zertifikate mehr ausgestellt werden, auch nicht für Auslandreisen. Die gegenseitige Anerkennung der Zertifikate durch die EU fiele weg.
«Wir haben keinen Plan B», sagte Berset. Die einzige Möglichkeit nach einem Nein wäre seiner Ansicht nach, eine neue gesetzliche Grundlage für ein Zertifikat zu schaffen. Der ordentliche Gesetzgebungsprozess würde lange dauern. Sicher sei, dass es ab Frühling bis Ende 2022 keine Grundlage für ein Zertifikat gäbe.
Umstrittene Frage der Diskriminierung
Die «Freunde der Verfassung», die bereits zum zweiten Mal gegen die Vorlage das Referendum ergriffen haben, stören sich am Covid-Zertifikat. Ihrer Ansicht führt dieses zu einer Spaltung der Schweiz und zu einer massiven Überwachung von allen.
«Das Zertifikat ermöglicht Stabilität und erlaubt es, das soziale und wirtschaftliche Leben während der Pandemie fortzuführen», hielt Berset dagegen. Zudem sei das Zertifikat nicht diskriminierend: «Jeder hat die Möglichkeit auf ein Zertifikat, auch Ungeimpfte.»
Debatte «ohne Polemik und Hass»
Im vergangenen Juni hatte die Schweizer Stimmbevölkerung das Covid-19-Gesetz mit rund 60 Prozent angenommen. Seither hat sich die Stimmung in Teilen der Bevölkerung verschlechtert. Wöchentlich finden - teils gewalttätige - Kundgebungen gegen die Corona-Politik des Bundesrats statt.
Berset sagte, es sei gut, dass sich das Volk im Rahmen eines weiteren Referendums über die Entscheide des Bundesrats und des Parlaments unterhalten könne. Er plädierte für eine Debatte «ohne Polemik, Hass, Drohungen und physische Gewalt».
Parmelin bekräftigte, dass die Einschränkungen in der Schweiz oft weniger weit gegangen seien als im Ausland - «auch wenn es Menschen gibt, die dies nicht so sehen». Die Abstimmung mache ihm keine Angst, aber er habe viel Respekt, sagte der Bundespräsident. Es sei auch die Chance für die Bevölkerung, «ihre Solidarität auszudrücken und zu zeigen, dass sie hinter den Massnahmen steht».
Keine Finanzhilfen für KMU
Respekt vor der Abstimmung haben auch die Kantone, wie der Bündner Regierungsrat Christian Rathgeb, Präsident der Konferenz der Kantonsregierungen (KDK), sagte. «Ein Nein würde uns den Teppich unter den Füssen wegziehen.» Damit könnten die von der Pandemie betroffenen Menschen und Unternehmen nicht mehr unterstützt und die wirtschaftlichen Schäden nicht mehr eingedämmt werden.
«Für KMU wäre eine solche Lage eine existenzielle Bedrohung», sagte Rathgeb. Beispielsweise die Eventbranche hätte keine Planungsperspektive mehr, weil der Schutzschirm für überregionale Anlässe wegfiele. Bis die Kantone dringliche Gesetze als Ersatz geschaffen hätten, würde es dauern.
Laut Bundesrat und Parlament sowie Kantonen schliesst das Covid-19-Gesetz notwendige Lücken bei den Finanzhilfen. «Ein Nein zu den Änderungen des Gesetzes würde die bewährte Krisenbewältigung gefährden», bilanzierte Parmelin. Berset konstatierte schliesslich:
«Man wirft auf einer Wanderung nicht die Notfallapotheke weg, wenn man über dem Gipfel ist.» (sda/stü)