Andreas Deuber, Sie kommen ursprünglich aus dem Banken- und Finanzsektor. Wie hat es Sie in die Tourismusbranche verschlagen?

Meine Mutter entstammt einer Hotel-Dynastie. Ihre Vorfahren hatten in Seelisberg (UR) ein Grandhotel gegründet. Meine Grossmutter betrieb dort noch ein kleines Hotel, das Waldhaus Rütli, in dem meine Mutter aufwuchs. Auch ich war häufig dort. Als ich ungefähr 15-jährig war, wurde das Hotel allerdings verkauft. Was ich behielt, ist meine Affinität zur Hotellerie, die mich von der Bank zur Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit führte und später zur Fachhochschule Graubünden.

Andreas Deuber ist Leiter des Institutes für Tourismus und Freizeit (ITF) der FH Graubünden. Der gebürtige Luzerner studierte Jus und promovierte im Bereich Bankenfinanzierung. Von 2000 bis 2007 leitete er die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit (SGH). Der 61-Jährige wohnt in St. Gallen, ist verheiratet und hat zwei Kinder.
Am 21. November findet in Chur unter dem Motto «Attraktive Beherbergung – glückliche Destination» das 12. Bündner Tourismus-Trendforum statt. Präsentationen, Workshops und Small Sessions bieten Gelegenheit zum Wissensaustausch und Netzwerken.
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In einer Woche findet das 12. Bündner Tourismus-Trendforum statt. Thema im weitesten Sinne wird sein, wie ländliche Beherbergungsbetriebe heutzutage noch rentabel geführt werden können. Haben Sie sich bei der Zusammenstellung des Programms von Ihren Interessen leiten lassen, oder ist die Lage in den Berggebieten wirklich so ernst?

Die Situation ist ganz unterschiedlich. Es gibt Betriebe, die sehr gut aufgestellt und international wettbewerbsfähig sind. Aber die Konkurrenz, gerade auch aus dem grenznahen Ausland, ist in der Ferienhotellerie besonders intensiv. Der starke Franken und hohe Kosten führen zu Preisdruck und schmalen Margen. Viele Beherbergungsbetriebe können deshalb ihre Kosten nur noch teilweise decken und die betriebsnotwendigen Investitionen nicht mehr erwirtschaften. Es gibt heute ein ganzes Feld von Betrieben, die abgehängt worden sind, weil sie zu lange nicht mehr investieren konnten. Es wäre wahnsinnig schwierig und teuer, diese Betriebe wieder in den Markt zurückzuführen. Deshalb muss man sich fragen, was die Alternativen sind. Beim Tourismus-Trendforum werden wir diesbezüglich verschiedene Möglichkeiten aufzeigen. Als Ferienkanton können wir es uns nicht erlauben, dass diese Logiernächte einfach so wegbrechen.

Sie empfehlen «Standardhotels», sich stärker zu positionieren, ihre eigene Nische zu finden. Ist das realistisch, oder ist eine Strukturbereinigung unausweichlich?

Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen. Nicht jeder kann sich spezialisieren, und es gibt keine Patentrezepte. Was machbar ist, wird immer auch durch die Destination mitbestimmt, in der ein Betrieb liegt. Innovation ist generell sehr wichtig geworden, auch ausserhalb des klassischen Hotelmodells, denn nicht alle Beherbergungsformen kommen mit den geltenden Rahmenbedingungen gleich gut zurecht. So können zum Beispiel Serviced Appartments auch an Standorten rentabel sein, an denen traditionelle Hotelbetriebe langfristig nicht überleben können. Für eine Destination ist am Ende ausschlaggebend, dass sie einen guten Beherbergungsmix hat, sodass vor Ort Logiernächte und Wertschöpfung generiert werden.

Auch vielen Bergbahnen fehlt das Geld. Die Forderung wird lauter, sie mit öffentlichen Geldern zu fördern. Was halten Sie davon?

Das kommt darauf an. Im Frühling habe wir die Studie «InfraTour – Gemeinden als Tourismusunternehmen» veröffentlicht. Darin konnten wir zeigen, dass die öffentliche Hand auf Gemeindestufe bei touristischen Infrastrukturen heute finanziell stark engagiert ist, zum Beispiel bei Bergbahnen, aber auch Kongresszentren oder Schwimmbädern. Aber nicht überall werden die Beteiligungen gleich professionell gemanagt. Wir sprechen uns bei der Tourismusinfrastruktur nicht grundsätzlich gegen eine Beteiligung der öffentlichen Hand aus, sondern weisen auf die Gefahren hin, zum Beispiel durch Marktverzerrung: Wenn eine Gemeinde ihre Bergbahn subventioniert, entsteht auch für andere Gemeinden ein Handlungsdruck, damit für ihre Bahn kein Nachteil entsteht. Markteingriffe sind gefährlich, besonders bei Überkapazitäten, wie wir sie heute haben. Wenn man damit einmal angefangen hat, ist der Ausstieg oft schwierig, und Folgekosten sind vorprogrammiert. Infrastrukturen haben Lebenszyklen, und nichts bleibt für immer neu. Politiker sollten hier ehrlich sein und die Bürger auch über die Risiken informieren.

Sie haben sich in der Vergangenheit auch skeptisch zum Dynamic Pricing bei den Bergbahnen geäussert. Unterdessen setzen immer mehr Bahnen auf flexible Preise. Haben Sie diesbezüglich Ihre Meinung geändert?

Ich bin nicht grundsätzlich ein Gegner von Dynamic Pricing. Die Digitalisierung schafft Möglichkeiten für eine flexible Preisgestaltung. Das muss man nicht schlechtreden. Allerdings befinden wir uns immer noch in der Experimentierphase. Wir wissen noch nicht, was dabei herauskommt. Im Grunde genommen ist Dynamic Pricing nur dann sinnvoll, wenn damit der Umsatz der Bergbahnen insgesamt erhöht wird – egal ob über höhere Preise oder über höhere Frequenzen. Am Ende sollte dank Dynamic Pricing mehr in der Kasse sein.

Aber der Kuchen wird gesamthaft nicht grösser.

Genau. Die Gefahr besteht, dass am Schluss in der gesamten Branche weniger umgesetzt wird beziehungsweise dass man sich gegenseitig die Preise runtertreibt.

Ein weiteres heisses Eisen ist Airbnb. Welche Rolle kommt dem Bettenvermittler in den Ferienregionen zu?

Airbnb ist heute nicht mehr wegzudenken, ob in der Stadt oder auf dem Land. Ob Sie die Plattform positiv oder negativ sehen, hängt von der Perspektive ab. Die Ferienhotellerie beurteilt Airbnb eher kritisch. Als Bergbahn erkennen Sie eine Chance, da Sie in erster Linie Tickets verkaufen wollen. Auch die Gastronomie freut sich unter Umständen. Gesamthaft betrachtet sehe ich Airbnb als Chance für die ländlichen Gebiete, den Angebotsmix zu erhöhen und zusätzliche Logiernächte zu generieren.

Airbnb-Übernachtungen bringen allerdings eine geringere Wertschöpfung als Hotelübernachtungen...

Natürlich hätten wir die Logiernacht lieber im Hotel als bei Airbnb. Aber lieber eine Airbnb-Logiernacht als gar keine. Konkurrenz belebt zudem den Markt. Man kann nicht immer alles sofort regulieren, zum Beispiel weil man einen Sektor wie die Hotellerie stärken will. Man muss allerdings genau darauf schauen, dass es bei den Tourismusabgaben und Sicherheitsvorschriften keine unterschiedlich langen Spiesse gibt.