Zur An- und Abreise der Gäste ist die Datenlage gut. Doch was die Mobilität in den Destinationen betrifft, so gibt es eine Forschungslücke. Dies war eine der zahlreichen Aussagen am Tourismusforum Schweiz im Kongresszentrum des Verkehrshauses in Luzern.
Timo Ohnmacht von der Hochschule Luzern machte im Laufe seines Workshops darauf aufmerksam. Einzelne Destinationen haben indessen Erhebungen zu den Gästeströmen gestartet. So etwa Davos-Klosters oder auch Luzern.
Erhebung – um harte Massnahmen abzuwenden
Was ist viel, und was ist zu viel? Dies mit Blick auf das Reizwort «Overtourism» zu definieren, sei nicht leicht, erläuterte André Gabriel, Leiter Digitalisierung bei Luzern Tourismus. Dort ist man daran, unter anderem mittels Sensoren an touristischen Hotspots in der Stadt Luzern die Besucherzahlen zu messen. Ziel sei es, eine faktenbasierte Diskussion zu ermöglichen und harte Massnahmen abzuwenden. Sowohl in Luzern wie auch in Davos geht es früher oder später auch darum, die Gästeströme zu lenken, so etwa mit einem Parkleitsystem wie im Fall von Davos.
Die Zukunft liegt dabei in einem höheren Anteil des öffentlichen Verkehrs im Modalsplit, dies ging aus mehreren Präsentationen im Verlauf des Tourismusforums hervor – zulasten des motorisierten Individualverkehrs. Manchmal sind zudem neue Lösungen nötig. Beispiel Andermatt: Die Zufahrt zur aufblühenden Destination durch die Schöllenenschlucht bleibt ein Nadelöhr. Ein 2021 gegründeter Verein sorgt dafür, dass kollektive Mobilitätsangebote wie «on demand», Carsharing und Carpooling als Alternativen zum Individualverkehr verfügbar werden. Ein autofreies Andermatt habe auf der Hand gelegen und sei denn auch diskutiert worden, gab Gemeinderatsmitglied Erich Renner auf Anfrage im Verlauf des Workshops an. Aber: «Ich habe es aufgegeben.» Das Gewerbe habe rebelliert, Einwände seien auch vom Kanton gekommen. Die durch Andermatt verlaufende Kantonsstrasse müsste die Gemeinde zunächst übernehmen.
SBB wollen Verbindungen ins Ausland entwickeln
Tobias Arnold von der Firma Interface AG nannte zu Beginn der Tagung vier Erfolgsfaktoren für einen Tourismus, der zunehmend auf öffentlichem Verkehr basiert. Es gelte, die gesamte Gästereise im Blick zu behalten, statt abschnittsweise Verantwortlichkeiten zu definieren. Weiter brauche es Convenience. Allerdings sei es mit grossen Fenstern in Panoramazügen nicht getan. Vielmehr brauche es Lösungen für den Gepäcktransport. Vielerorts sei man noch auf der Suche nach guten Lösungen. Zu mehr Convenience könne auch eine branchenübergreifende Zusammenarbeit beitragen.
Véronique Stephan, Leiterin Markt Personenverkehr bei den SBB, bekräftigte in ihrer Präsentation, dass die SBB genau an den vorher genannten Punkten arbeiteten. So werde derzeit mit einer Machbarkeitsstudie abgeklärt, ob eine direkte Zugverbindung von London in die Schweiz möglich sei. Auch eine Direktverbindung Genf–Chur sei geplant. Bei den SBB sei man denn auch bestrebt, die Freizeit- und Auslandsverbindungen weiterzuentwickeln. Durch die Zusammenarbeit der SBB mit Swiss werde es möglich, dass Gäste mit einer App die Strecke New York–Interlaken in einem Schritt buchten.
Grundsätzlich sieht Stephan bei der Entwicklung des Bahnverkehrs viel ungenutztes Potenzial – die Nachfrage könnte sich bis 2050 verdoppeln. Der Ausbau des Bahnangebots dürfte helfen, den Tourismus im Sinne von Swisstainable nachhaltiger zu machen: 49 Prozent der Emissionen im Tourismus fallen beim Transport der Gäste an. «Wenn man umweltfreundlich sein will, muss man beim Verkehr ansetzen», hielt Stephan fest.
[RELATED]Allerdings stehen die SBB auch vor Herausforderungen: Der Verdichtung des Fahrplans steht derzeit das fehlende Rollmaterial entgegen. «Wir haben keine leeren Wagen, die wir einfach anhängen können.» Auch der Fahrradboom fordert die SBB heraus. Hier könnten modulare Eisenbahnwagen helfen, bei denen sich durch das Entfernen von Sitzen situativ mehr Platz schaffen liesse.