Trotz derzeitiger Sommerhitze haben die Schweizer Alpengletscher gute Chancen auf ein weniger verlustreiches Jahr. Nach vorläufigen Messungen lagen nach dem Winterhalbjahr im Mai 20 bis 40 Prozent mehr Schnee auf den Gletschern als im langjährigen Mittel, wie Glaziologe Andreas Bauder von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich sagte.
Das Winterwetter 2018/19 war sehr schneereich und hielt lange an: «Normalerweise dauert der Winter im Hochgebirge bis Anfang Mai», sagte Bauder der Deutschen Presse-Agentur. «In diesem Jahr hatten wir sogar bis Ende Mai noch ordentlich Schneefälle.»
Bauder war vor Kurzem am Silvrettagletscher unterwegs und stellte erstaunt fest, dass zur Zeit selbst im Vorfeld des Gletschers noch grössere Schneereste vorhanden sind. «Im vergangenen Jahr setzte die Schneeschmelze bereits im April ein und hielt nahezu ohne Unterbrechung bis in den Juli an», sagte Bauder. «Aber in diesem Jahr ist die Schneedecke auf den Gletschern noch sehr ausgedehnt». Viele Bergbäche führten auch noch sehr klares Wasser – ein Hinweis, dass in den Bergen darüber nicht Gletscher, sondern Schnee schmelze.
Tendenz weiter rückläufig
«Eine abschliessende Bilanz lässt sich erst Ende des Sommers, im September, ziehen, aber die Vorzeichen für die Gletscher sind gut», sagte Bauder. «Solange die Hitze nicht einen Monat oder länger anhält, sind wir vorsichtig optimistisch.»
Auch im Vorjahr gab es viel Schnee. In der Schweiz war die Wintersaison 2017/18 von November bis April betrachtet oberhalb von 1500 Metern die schneereichste der vergangenen 30 Jahre. Dann kamen aber von April bis September viele heisse Tage, schrieben Bauder und Kollegen in der Zeitschrift des Schweizer Alpenclubs SAC. So waren viele Gletscher schon im August schneefrei, und bis Ende September schmolzen grosse Eismassen. Nach Schätzungen verloren die Schweizer Gletscher insgesamt 1,4 Kubikkilometer Eisvolumen – 2,5 Prozent.
Der langfristige Trend ist bei den Schweizer Gletschern seit Jahrzehnten rückläufig, sowohl, was die Eismasse betrifft als auch die Länge, wie das Schweizer Gletschermessnetz (Glamos) zeigt. Der Silvrettagletscher etwa hat mit vier kleinen Ausnahmen seit 1985 jedes Jahr Masse verloren. Er war 2017 gut 400 Meter kürzer als 1956. (sda dpa)