Eine Mehrheit der Stimmenden und der Stände hat am Sonntag die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» angenommen. 51,2 Prozent der Stimmbevölkerung und 18 Stände stimmten für die Initiative. Damit wird die religiös begründete Verhüllung, aber auch die Vermummung von Hooligans und Demonstrierenden schweizweit verboten.
Ein Gesetz für wenige
Die Schweiz steht mit ihrem landesweiten Verhüllungsverbot anders als bei der Minarett-Initiative nicht alleine da. Frankreich kennt seit 2011 ein Verhüllungsverbot. Österreich, Belgien, Dänemark und die Niederlande folgten. Justizministerin Karin Keller-Sutter betonte, dass das Abstimmungsresultat «kein Votum gegen die 400'000 Musliminnen und Muslime in der Schweiz» sei. Nur wenige Musliminnen würden in der Schweiz ihr Gesicht verschleiern.
Das Abstimmungsergebnis ist eine Niederlage für Keller-Sutter und den Bundesrat, der flächendeckende Kleidervorschriften als Widerspruch zu einer liberalen Gesellschaftsordnung versteht. Ein weiteres Argument der Gegner war, dass Kleidervorschriften im öffentlichen Raum in den Kompetenzbereich der Kantone fallen. Die Kantone würden die lokalen Gegebenheiten und Bedürfnisse am besten kennen, hiess es. Nicht zuletzt ging es bei dem Argument der kantonalen Entscheidungshoheit auch um den Tourismus, der ein Fernbleiben der Gäste aus dem Nahen und Mittleren Osten befürchtet.
Tourismusgemeinden lehnen die Volksinitiative ab
In der Deutschschweiz sind vor allem Interlaken (BE) und Luzern bei Gästen aus dem Mittleren und Nahen Osten beliebt. Der Tourismusdirektor von Interlaken wollte sich zwar nicht zur Abstimmung in der Öffentlichkeit äussern, aber Schweiz Tourismus warnte mit deutlichen Worten vor einem Fernbleiben der arabischen Gäste. Die Gemeinde Interlaken lehnte am Sonntag nun das Verhüllungsverbot ab. Der Entscheid fiel mit 868 Nein- zu 792 Ja-Stimmen allerdings knapp aus.
Auch eine Mehrheit der Stimmenden in der Stadt Luzern sprach sich gegen das Verhüllungsverbot aus – mit 64,4 Prozent Nein-Stimmen.
Im Kanton Wallis besuchen arabische Gäste vor allem Zermatt. Während der Kanton mit 58,3 Prozent Ja-Stimmen die Initiative annahm, lehnte die Gemeinde Zermatt das Verhüllungsverbot mit 53,4 Prozent Nein-Stimmen ab. Noch deutlicher sprach sich Monthey (VS) mit 60 Prozent Nein-Stimmen gegen das Verhüllungsverbot aus. Auch dort sind Gäste aus dem Mittleren- und Nahen Osten gerne gesehen.
Die Stadt Genf mit ihren zahlreichen internationalen Organisationen hat die Volksinitiative mit 55,2 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt.[RELATED]
Kantone in der Pflicht
Weil die Polizeihoheit bei den Kantonen liegt, tritt mit der Annahme der Initiative die Verfassungsbestimmung zwar in Kraft, sie ist aber nicht direkt anwendbar. Es ist nun in der Aufgabe der 26 Kantone, die Bestimmung in Ausführungsgesetzen zu konkretisieren. Dafür haben die Kantone zwei Jahre Zeit.
Weil die Ausnahmen des Verbots abschliessend in der Bundesverfassung festgelegt sind, haben die Kantone wenig Spielraum. Verhüllungen sind aus gesundheitlichen oder klimatischen Gründen sowie an der Fasnacht erlaubt, hält der Initiativtext fest. (sda/npa)