Natürlich macht es Sinn, im Kampf gegen den Arbeitskräftemangel als Erstes bei den Jungen in den Schulen, den Hotelfachschulen und den diversen Nachwuchsforen zu beginnen. Auch ist es gut, der Selbstdarstellung, der Firmenethik und der Personalentwicklung und -betreuung mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die Werte haben sich für die heutigen Mitarbeitenden eindeutig Richtung Selbstverwirklichung, Mitgestaltung und Arbeitsklima verschoben.
Aber warum wendet sich der Hotelier auf seiner Suche nach Fachkräften nicht vermehrt an das Potenzial, das brachliegt? Ich spreche von früheren Kaderpersonen und ausgeschiedenen Direktoren, wenn nicht sogar von denen, die die Altersgrenze der (Früh-)Rente überschritten haben.
Es gibt sicherlich viele, ausser jenen, die sich eindeutig im Consulting positioniert haben, die bereit sind und gerne wieder eine Funktion übernehmen. Dies kann im Teilzeitbereich sicherlich eine Lösung sein. Erfahrung, Reife und Einsatzfreude eines Personenkreises, der in der Regel noch nicht einmal einer grossen Einarbeitungszeit bedarf und zu einem adäquaten, wenn nötig sogar geringeren Lohn arbeitet, können von grossem Nutzen sein. Auch in einer jungen Equipe können diese Fachkräfte als ausgleichende Pole fungieren und dem Gast das Gefühl von Zuverlässigkeit geben.
Gerade in den letzten Tagen war ich zu Gast in einem 4-Sterne-Superior-Hotel an der Schweizer Grenze – ein schönes Haus mit einer guten Infrastruktur, aber mit einer erschütternden Neutralität. Keine persönliche Ansprache, kein Gruss auf dem Zimmer, kein Gastgeber im Restaurant. Jedes Department macht es so gut es kann – viele aber zu wenig. Eine Person mit Fachwissen und Herz könnte diesem Haus ein Gesicht und Wärme geben (zum Beispiel in der Funktion Guest Relation).
Einen Versuch ist es allemal wert – gewinnen würden alle: der Hotelier, der Lücken schliessen kann, der (Teilzeit-)Mitarbeiter, der wieder einen sinnvollen Aufgabenbereich hat, und letzten Endes auch der Gast.
Gabrielle J. Dieckmann ist die Inhaberin von GD Hotelconsulting.